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56 Konzerte gegeben wurden. 1921 endlich ging es noch einmal nach Schweden. Wollte man den Glanz der Philharmo nischen Konzerte schildern, müßte man die Solisten aufzählen, die mitwirkten, die Geiger könige und die Magier der Tasten, die Sterne am Himmel der Gesangskunst, man müßte aber auch die bedeutenden Künstler nennen, die im Lauf der 75 Jahre an den Pulten des Orchesters saßen, aus denen dann berühmte Instrumentalsten wurden. Auf das alles kann nicht näher eingegangen werden. Doch sei eine Eigenart der „philharmo nischen Tätigkeit“ aus drücklich vermerkt. Das Orchester ist nicht nur durch seine Mitwirkung bei den großen Chor aufführungen aufs engste mit der Dresdner Laien musikpflege verbunden gewesen, es hat auch auf andere Weise sehr in die Breite gewirkt. Schon Ernst Stahl veranstaltete Ende der 80er Jahre kunst erzieherische Konzerte mit historischen Programmen von Bach bis Wagner. Am Anfang des neuen Jahr hunderts war es der Dresd ner Sinfoniker Paul Büttner, der das Orchester für die Arbeitermusikpflege einsetzte. Büttner und Gustav Mraczek, der das Orchester durch den wohl schwersten Winter, den von 1923/24, hindurchsteuerte, gehören zu den Verfemten des „Dritten Reiches". Beide starben, bevor das Licht der Freiheit wieder über Deutsch land aufgegangen war, und so geziemt es sich, ihrer hier besonders zu gedenken. Die volks pädagogische Tätigkeit wurde fortgesetzt in den schweren Zeiten der Inflation, als der „ Dresdner Verein Volkswohl" und die „ Dresd ner Volksbühne“ in ein festes Verhältnis zu dem Orchester traten und die Stadtverwaltung mit der Einrichtung von Schulkonzerten und Konzerten für Erwerbslose eine Erhöhung des jährlichen Zuschusses rechtfertigen konnte. Sie werden auch — und damit treten wir in die Gegenwart ein — in Zukunft eine wich tige Rolle im Arbeitsplan der Dresdner Phil harmonie spielen. So findet z. B. nach Absicht des jungen Orchesterleiters Gerhart Wiesen- hiitter, der — energisch zupackend — sofort nach dem Einmarsch der Roten Armee die von den Nazis zertrümmerte Philharmonie wieder aufrichtete, im Rahmen der Jubiläumsfest konzerte ein Jugendkonzert statt, bei dem alle Instrumente nach ihrer Einzel-und Orchester wirkung erklärt werden. Der Gewerbehaussaal, der Zeuge so vieler glanz voller Höhepunkte musi kalischer Leistung war, ist heute eine Trümmerstätte. Mit Wehmut denkt der Dresdner an ihn zurück. Auch dieses Kulturzen trum wurde dem arrogan ten Hochmut zum Opfer gebracht. Die Dresdner Philharmonie ist — wie so viele — ohne Haus und Heimat. DieZeitnachdem Zusammenbruch brachte Wochen schwierigsterAuf- bauarbeit. Aber sie zeigte auch, daß die Dresdner Philharmonie doch noch ein „zu Hause" hat: Es liegt in den Herzen der Dresdner. Dies hat der rege Besuch der Konzertveranstaltungen bewiesen. Auch die Schrecken des Krieges haben die Dresd ner Philharmonie nicht auslöschen können. Der Wiederaufbauwille wird auch die be stehenden Schwierigkeiten überwinden, soll ten noch so große Opfer von den Orchester mitgliedern gefordert werden. Die Philhar monie lebt und ist aus Dresden nicht mehr wegzudenken. Sie schickt sich an, das Fest ihres 75jäh- rigen Bestehens durch die Einleitung eines Zyklus zu beginnen, der dem größten deut schen Genius auf dem Gebiete der Musik — Beethoven — gewidmet ist. CARL SCHURICHT