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Der erzieherische Wert der Wissenschaft Von Prof. Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. Kurt Mothes, Direktor der Botanischen Anstalten, Martin-Luther-Universität Halle- Wittenberg — (Nachdruck aus „Universitätszeitung“ Nr. 8 vom 9. Januar 1964) Ich sehe in einigem, was heute zur Gesamtproblematik gesagt worden ist, die große Schwierigkeit, die in dem Widerspruch zwischen Idee oder Wunschbild und der Wirklichkeit •besteht. Wenn ich mich mit der Frage beschäftigen soll, ob durch die Wis- senschaft und wie durch die Wissen- schaft ein guter und nützlicher Mensch erzogen werden kann, der in der Gemeinschaft seine großen Pflichten erfüllt, so ist es notwendig, daß wir uns zunächst mit dem Be griff der Wissenschaft selbst beschäf tigen. Es werden ja heute die Be- grüffe so verschiedenartig gebraucht, daß man eigentlich an den Beginn jeder Erörterung eine Definition set zen muß. Ich kann das hier unmög- lich tun, die Zeit fehlt dazu. Ich be ginne damit, daß die Wissenschaft u. a. auch Produktionskraft ist, und das ist für unsere Betrachtung zwei fellos von besonderer Bedeutung. Sie ist Produktionskraft zunächst im Sinne der Förderung der Entwick lung der menschlichen Gesellschaft IBIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIItlllllllllllllllllllllHlllllllhllllllllltll Lübkes Ballast I — Fortsetzung von Seite 1 — = samte Bildungswesen so vernach- = lässigte, daß selbst „Christ und E Welt“ vom 31. Januar von den E Bonner Zuständen feststellt: „Das = Wort Bildungskatastrophe ist E nicht zu hart... So haben wir = die höhere Schule in Auffassungen = des 19. Jahrhunderts als eine = Schule der sogenannten gebildeten = Stände fortgeführt, während sie E heute längst eine Auslesestätte = für alle sein müßte.“ Der Strom E der Begabung wird also selbst E nach diesem Eingeständnis eines = Bonner Blattes schon an der E Quelle verschüttet. Was soll da Lübkes Forderung E nach noch schärferer Selektion E derer, die ein Hochschulstudium = $ durchzustehen“ vermögen? Die = Antwort kann nur lauten: Lübke E wäll verhindern, daß diejenigen, = die in seinen Augen nicht zur E Bonner „Elite“ gehören, über- E haupt in die Hörsäle gelangen E können. Sein Wunsch, diesen E „Ausleseprozeß" mittels einer = „Neuordnung" noch stärker in den E Bildungs- und Ausbildungsstätten E vorzunehmen, die dem Hochschul- = besuch vorausgehen, zielt dahin, = die alten Privilegien der herr- E schenden Kreise noch nachhalti- = ger zur Geltung zu bringen. Da- = mit beweist Lübke ein übriges E Mal: Mit den Methoden der Ul- = tras sind die von den Ultras selbst E geschaffenen Zustände nicht zu E bessern, sondern nur noch drük- E kender zu gestalten. Sie sind allerdings auch dann E nicht zu bessern, wenn man wie E „Christ und Welt“ nach Auswegen = aus dieser Lage nur in solchen E Bonn überholenden Staaten fahn- = det, wie Schweden, Belgien, = Italien, Dänemark und Norwegen. E Man hätte statt dessen auf das = nächstliegende Beispiel blicken E sollen, denjenigen deutschen Staat, = In dem die Grundübel längst be- = seitigt sind, an denen das Bonner = Bildungswesen noch heute kränkt. = Die DDR ist Westdeutschland E heute in puncto Bildungswesen E fraglos weit voraus. Wer die = Bonner Bildungskatastrophe ab- E zuwenden wünscht, sollte sich = darum nicht nur vom Ballast = Lübkescher Empfehlungen frei E halten, sondern auch den Ballast E von Vorurteilen gegenüber der E DDR über Bord werfen. = und der materiellen Entwicklung, also der Gesundheit des Menschen, z. B. Förderung der Ernährungs basis der Menschen bei wachsender Menschenzahl. Solche Aufgaben sind aber nicht nur zu fixieren, sondern das Pro blem für die Wissenschaft ist es, zu erörtern, wie solche Aufgaben gelöst werden. Wir formulieren solche Auf gaben heute sehr häufig und sehr billig. Wir beziehen uns auf eine Wis senschaft, von der z. B. gesagt wird, auf dieser Erde wird es möglich sein, doppelt soviel Menschen leicht zu ernähren. Und trotzdem hungern Hunderte Millionen von Menschen. Es ist überall Nahrungsmangel, es ist also gar nicht so einfach, dieses Problem zu lösen. Das ist nicht nur ein organisatorisch-politisches Pro blem, sondern im höchsten Maße ein biologisch-agrarisches Problem, das viel leichter genannt ist, bei dem man sich sehr leicht und billig orientieren kann an einer optimistischen Bemer kung irgendeines Gelehrten. Das kann durchaus ein Mann von gro ßem Range sein, aber für diejenigen, die diese Probleme zu lösen und sie ihren Studenten darzustellen haben, sind solche Probleme viel gewichtiger zu nehmen. Es handelt sich heute, um das an einem Beispiel deutlich zu machen, ja nicht nur darum, daß alle schon möglichen Verfahren etwa der Produktion von Nährstoffen von Mensch und Tier intensiviert werden müssen durch Düngung oder Züch tung der Pflanzen und der Tiere usw., sondern es wird sich darum handeln, daß bei einem solchen An wachsen der Menschheit ganz neue Gesichtspunkte der Gewinnung von organischen Substanzen zu realisie ren sind. Dafür gibt es einige Träume, einige wissenschaftliche Träume. Aber im Augenblick gibt es keine reale Grundlage dafür. Das soll nicht etwa heißen, daß es die nie geben wird. Ich bin meiner Natur-nach außeror dentlich optimistisch und glaube, daß bei der ungeheuren Entwicklung der Wissenschaft wir viel schneller auch auf solch schwierigen Gebieten zu Ergebnissen kommen können, als man es je hat glauben mögen. Aber trotzdem ist für uns klar, daß das Problem erst aufgeworfen und in keiner Weise positiv beantwortet ist. Wir bewegen uns noch im Bereich hypothetischer Bilder, und es ist nicht für uns Wissenschaftler wich tig, daß man daran glauben kann, daß das gelöst wird, sondern es muß wirklich getan sein. Diese ganz nüch terne Einstellung zu den Problemen erscheint mir von außerordentlicher Wichtigkeit für den Hochschullehrer, der der Jugend gegenübertritt und für den Gelehrten. Das gilt natürlich auch für alle Seiten der materiellen Entwicklung auf technischem Gebiet. Die Entwicklung der materiellen Kultur durch die Wissenschaft ist äußerst problematisch durch ihre Kehrseite, nämlich die unbegrenzten Möglichkeiten, die der Wissenschaft nach allen Seiten hin gegeben sind. Ich brauche nur das Stichwort Atom bombe zu sagen, um deutlich zu ma chen, was ich hiermit meine. Wer die Atombombe auch erfunden ha ben mag, sie ist erfunden worden, unabhängig voneinander von ver schiedenen Ländern. Und sie ist zweifellos eine der größten morali schen Belastungen der Wissenschaft ler, auch der Wissenschaftler in ihrer Tätigkeit als Lehrer und Erzieher der Jugend. Wenn auch Abkommen die Gefahr der Atombombe mindern können, der Angsttraum, daß irgend ein Irrsinniger sich ihrer eines Tages bedienen könnte, wird der Mensch heit kaum ganz genommen werden können. Und die Verantwortung da für hat die Wissenschaft. Die Wissenschaft ist also nicht nur ein Segen im Bereich der materiellen Kultur, sie kann auch ein Fluch sein. Soweit ich hier überhaupt historisch werden darf, möchte ich nur auf Rousseau hinweisen, der die Unruhe und das Böse in der Wissenschaft so stark empfand, daß er glaubte, sagen zu müssen, daß der Fortschritt, das Fortschreiten der menschlichen Kul tur, die Ursache des menschlichen Verderbens ist und daß er den Wis senschaftlern Hauptschuld daran zu schreiben müßte. Nach ihm ist der Gelehrte Quelle des menschlichen Elends. Deshalb verherrlicht Ros- seau den Naturzustand, also das Pa radies, auf dem der Mensch noch nicht die Frucht vom Baume der Er kenntnis genommen hat und aus dem er vertrieben worden ist, und zu dem man nun zurück müsse. Also ein Paradies, das hinter uns liegt und nicht vor uns. Das Paradies, das vor uns liegen könnte, sieht der Engländer Bacon als ein kommendes Ergebnis immer wachsender menschlicher Einsicht, eine vernünftig organisierte Welt, wo jeder glücklich sein kann, als eine Frucht des Zusammenwirkens der Gelehrten der ganzen Menschheit. Aber was gehört dazu, glücklich zu sein? Genügt das Essen und Trinken, Wohnen und Schlafen und Beschäf tigtwerden, damit man keine Lange weile hat? Das zweite, was die Wis senschaft zu erfüllen hat in bezug auf das Glück der Menschen, das ist ihre Mitarbeit und ihr Verständnis für die gesamte geistige Kultur. Ohne die Musik, ohne die bildende Kunst, ohne Dichtung jeder Art und ohne eine echte Philosophie wird die Menschheit, die nun einmal grüble risch ist, nicht befriedigt sein, auch wenn alles andere bestens in Ord nung ist. Und deswegen kann sich die Wissenschaft nicht nur mit die sen elementaren materiellen Fragen unserer äußersten Bedürfnisse be schäftigen. Sie muß über die Förde rung dieser materiellen Kultur hin auswirken. Die Universität als eine Stätte der Wissenschaft in die sem weitesten Sinne bedarf deshalb genauso wie die Pflege der Natur wissenschaften und der Medizin, der Pflege der Archäologie, der Studien der Kultur vergangener Zeiten und vergangener Völker und vor allen Dingen auch ihrer Sprachen, nicht nur, weil wir davon lernen können, weil wir vieles von diesen Sprachen zum Verständnis der vielen Fremd worte in unseren wissenschaftlichen Disziplinen benötigen, sondern weil das Studium und die Erkenntnis im Studium dieser Kulturen uns inner lich erhebt, weil es uns reich macht. {Fortsetzung folgt) Tag des Meisters - ständige Einrichtung — Fortsetzung von Seite 1 — ‘schiedener wichtiger Projekte mit zuwirken. Zu Recht kritisierte des halb Genosse Müller, daß die bis herige Verwaltungsleitung es nicht verstanden habe, die Kraft des Kol lektivs der Meister richtig zu nutzen und ihre Bemühungen um notwen dige Veränderungen zu unterstützen. Verwaltungsdirektor Boitz wies einleitend darauf hin, daß die Grund lage für die Arbeit der Meister die Richtlinie über das neue ökonomische System der Leitung und Planung der Volkswirtschaft sein muß. Nur so könne erreicht werden, daß die Lei tungstätigkeit verbessert werde und die Meister ihre Aufgaben als Orga nisatoren der Produktion und Leiter von Arbeitskollektiven wirklich er füllen können. In diesem Zusammenhang nannte er die wichtigsten, schnellstens von der Verwaltungsleitung zu lösenden Aufgaben: 1. Genaue Abgrenzung der Aufgaben, der Verantwortungsbereiche und Weisungsbefugnisse. 2. Durchsetzung des Prinzips der persönlichen Verantwortung der Leiter. 3. Die Verbesserung der Arbeit mit 4. die im Zusammenhang mit der Planung erforderliche perspekti vische Orientierung. Von besonderer Bedeutung für die Meister war, daß Genosse Boitz, in Konsequenz des Gesagten, vor allem die Notwendigkeit begründete, ab sofort regelmäßig einmal im Monat den Tag des Meisters durchzufüh ren. Er erklärte, daß dies die gesetz lich festgelegte Aufgabe des Verwal tungsdirektors sei und grenzte damit zugleich die Rolle ab, die dem bis herigen Meisteraktiv zukam. Das Meisteraktiv könne nur eine Verbin dungsaufgabe zwischen Verwaltungs leitung und den Meistern überneh men nicht aber, wie bisher, die Arbeit selbst leisten. Genosse Boitz schlug vor, für den Tag des Meisters, der ganztägig durch zuführen zweckmäßig sei, ein be stimmtes Programm zu entwickeln, das u. a. Exkursionen (differen ziert nach Interessengebieten), Vor träge, Erfahrungsaustausche vor sehen sollte. Dadurch werde der Tag des Meisters mehr als bisher der Qualifizierung dienen. In der Diskussion begrüßten die Meister die Maßnahmen und Vor schläge des Verwaltungsdirektors und bestätigten dabei auch die neue Aufgabe des Meisteraktivs, das sich, als Verbindungsglied zur Verwal- gliedern zusammensetzen wird. Es wurde festgelegt, daß ein für das 1. Halbjahr 1964 geltendes Arbeits- Programm für den Tag des Mei sters aufgestellt wird. Zugleich wurde vorgesehen, den Tag des Meisters im Prinzip ganztägig durch zuführen. H. M. Genosse Kurt Müller gab einen Bericht über die Arbeit des Meister- „Hoshschul-Spiegel" Seite 2 den Menschen, und tungsleitung, künftig aus drei Mit- kollektivs.