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HOCH gsFoRM4sc, 33 A6A e ZG SCHUL NACHRICHTEN Sonderausgabe Karl-Marx-Stadt, November 1960 Sonderausgabe Audi im Bereich des Hochschulwesens der Deutschen Demokratischen Republik müssen die Konfliktkommissionen zu umfassenden gesellschaftlichen Erziehungseinrichtungen entwickelt werden Eine grundsälzliche belradhlung anläßlidl der VorbereilungderWahlderneuenKoniliklkommission an der Hodhschule für Maschinenbau Die Regierung der Deutschen Demo kratischen Republik erließ am 30. April 1953 die „Verordnung über die Bildung von Kommis sionen zur Beseitigung von Ar- beitsstreitfällen (Konfliktkommis sionen) in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben und in den Verwaltungen“ 1 . Diese Verordnung stellte eine außer ordentlich wichtige gesetzliche Be stimmung im Bereiche des Ar beitsrechts der Deutschen Demo kratischen Republik dar, weil nii ihrer Anwendung ein weiterer be deutsamer Schritt vorwärts auf dem Wege der immer breiteren Einbeziehung der Werktätigen in die staatl. Leitungstätigkeit ver wirklicht werden konnte. Sie er füllte mit dieser Zielsetzung zu gleich die Aufgabe, den demokra tischen Zentralismus, das Grund- und Entwicklungsprinzip unseres volksdemokratischen Staates, bei der Festigung und Entwicklung der sozialistischen Arbeitsverhält nisse in verstärktem Maße und auf der Stufe einer höher entwickelten Qualität durchzusetzen. Den neu gebildeten Konfliktkommissionen wurde für die überwiegende Zahl möglicher Streitfälle in den Be trieben und staatlichen Einrich tungen die Zuständigkeit in erster Instanz übertragen. Es oblag nun 1 GBl. S. 695 (Die Verordnung tritt am 31. Dezember 1960 außer Kraft.) in jedem konkreten Fall den vier Mitgliedern der Konfliktkommis sion (zwei waren von der BGL und zwei vom Leiter des Betriebes oder der staatlichen Einrichtung, und zwar jeweils für ein Jahr, zu benennen), bei möglichst breiter Einbeziehung weiterer Betriebsan gehöriger — vor allem der engeren Kollegen der am Streitfall Betei ligten — das strittige Verhältnis allseitig aufzuklären und mit einem Beschluß eine der sozia listischen Gesetzlichkeit der DDR entsprechende Entscheidung zu treffen. Das gesamte Verfahren wurde im Betrieb selbst abgewik- kelt, so daß die Möglichkeit einer exakten Erforschung aller Seiten des Streitgegenstandes in größerem Umfange gegeben war als bei einem arbeitsgerichtlichen Ver fahren außerhalb des Betriebes. Auch in erzieherischer Hinsicht zeigte sich ein nachhaltigerer Er folg; denn die Konfliktkommis sionen sollten ja vor allem mit ihrer Spruchtätigkeit und den Aus wertungen in allen Betriebskollek tiven entscheidend beitragen zur Sicherung und Weiterentwicklung des Erziehungsprozesses, damit die Herausbildung und stetige Höher entwicklung des sozialistischen Be wußtseins vor allem auch gekenn zeichnet ist durch ein klares sozia listisches Staats- und Rechtsbe wußtsein. Die Lösung dieser so von Karl-Heinz Ludwig hervorragenden Aufgabe war um so eher erreichbar, als die beweg lichen Formen der Verfahrensge staltung genügend Gelegenheit zur kameradschaftlich-kollegialen Aus sprache im Kreise des engeren Kollektivs boten und so mit den Beteiligten ehrlich und offen der gesamte Streit erörtert und die gesellschaftliche Notwendigkeit der getroffenen Entscheidung erläutert werden konnte. Die überwiegende Zahl der durchgeführten Verfahren war durch Anträge von Betriebs angehörigen zustandegekommen, in weitaus wenigeren Fällen waren die Betriebsleitungen die Antrag steller. Sehr oft mußten sich die Konfliktkommissionen mit der Frage beschäftigen, ob eine gegen über einem Werktätigen ausge sprochene Kündigung oder frist lose Entlassung rechtswirksam ist oder ob diese Bewertung zu ver sagen ist. Natürlich waren das nicht die einzigen Entscheidungen. Viele andere Probleme, z. B. bei Fragen der Lohn- und Gehalts zahlungen, der Urlaubsgestaltung und Freizeitgewährung usw., auf die im Rahmen dieser Abhandlung nicht weiter einzugehen ist, mußten gelöst werden. Verständlicherweise konnten nicht in allen Fällen rich tige Entscheidungen getroffen wer den, so daß die zweitinstanzliche Korrektur des Arbeitsgerichtes er- ■forderlich war. Teilweise kam es zur arbeitsgerichtlichen Nachprü fung eines Beschlusses auch durch einen Antrag des Staatsanwaltes, da dieser nach der Verordnung innerhalb einer Frist von drei Monaten nach ergangener Ent scheidung hierzu berechtigt ist, wenn gesetzliche oder kollektiv vertragliche Bestimmungen ver letzt worden sind. Diese staatsan- waltschaftliche Befugnis im Be reich der Tätigkeit der Konflikt kommissionen ist ein spezifischer Ausdruck der Stellung der Staats anwaltschaft in der Deutschen Demokratischen Republik, die neben der Durchführung von Er mittlungsverfahren in Strafsachen und der Anklagevertretung vor den Gerichten vor allem eine strenge Aufsicht über die strikte Einhaltung aller gesetzlichen Be stimmungen durch die staatlichen Organe, Betriebe, Funktionäre des Staatsapparates und alle Bürger zu gewährleisten hat. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß im Jahre 1952, also schon vor dem Erlaß der Verordnung vom 30. April 1953, in Betrieben der Wismut und der Deutschen Reichs bahn Konfliktkommissionen ge gründet wurden, deren Beschlüsse von den Werktätigen dieser Be triebe freiwillig eingehalten wur den. Das ist als ein Zeichen eines schon entwickelten sozialistischen Bewußtseins zu werten und beson ders dankbar zu registrieren, weil durch die Praxis der so ins Leben gerufenen Kommissionen wert volle Erfahrungen für die spätere allgemeine Regelung durch den Gesetzgeber gesammelt werden konnten. Auch die Erfahrungen der so wjetischen Schätzungs- und Kon fliktkommissionen, die sich seit 1928, dem Jahre ihrer Entstehung, in einer stetigen Entwicklung be fanden, waren für die Einrichtung der Konfliktkommissionen in un seren staatlichen Betrieben und Verwaltungen von großer Bedeu tung. Der Rechtscharakter der Konfliktkommission ist nicht aus einer Norm der sie schaffenden gesetzlichen Grundlage abzuleiten, sondern folgt aus ihrem Inhalt. „Die Konfliktkommissionen sind demzufolge weder staatliche Or gane — etwa in Form von betrieb lichen Gerichten oder Verwal tungsorganen — noch Organe der Gewerkschaften oder etwa eine Art von Selbstverwaltungsorganen der Arbeiter und Angestellten des Betriebes. Die Konfliktkommis sionen sind ihrem Rechtscharakter nach Einrichtungen der Betriebe, deren Bildung gesetzlich vorge schrieben ist und deren Mitglie der aus dem Kreis des Betriebs kollektivs stammen.“ 2 2 Schlegel und Autorenkollektiv: „Leit faden des Arbeitsrechts“, Berlin, 1959, S. 469. Die bisherige Arbeit der Konfliktkommission Auch an der Hochschule für Ma schinenbau besteht eine Konflikt kommission, die, verglichen mit der Tätigkeit der Kommissionen in den Betrieben, seit ihrer Grün dung verhältnismäßig wenig zu tun bekam. Die Tatsache ist wohl zunächst einmal auf die Besonder heit der Umstände zurückzufüh ren, wonach eine Hochschule nicht so viele komplizierte Merkmale in der Organisierung des Arbeitspro zesses auf weist, wie das in jedem Produktionsbetrieb und in erster Linie in einem Großbetrieb mit den vielfältigsten technisch-orga nisatorischen Beziehungen der Ab teilungen zueinander und zu einer Vielzahl von Werktätigen der Fall ist. Aus der Fülle solcher betrieb licher Zusammenhänge entstehen weitaus eher arbeitsrechtliche Pro blemstellungen. Andererseits wird aber durch die geringe Einbe ziehung der Konfliktkommission in die Beilegung durchaus vorhan dener strittiger Fragen sehr deut lich, daß noch nicht die richtige Einstellung zu diesem gesellschaft lichen Erziehungsinstrument ver mittelt werden konnte. Man dis kutierte im Kollegenkreis gerade bei echten Problemen noch zu häu fig „halboffiziell“ und konnte des halb auch oft eine richtige Lösung nicht erzielen. Eine wesentliche Ursache des letz teren Mangels bestand darin, daß die gewerkschaftlichen Organe und auch die Leitung der Hochschule in den vergangenen Jahren die Mitarbeiter mit der Stellung und den Aufgaben der Konfliktkom mission nicht genügend bekannt und vertraut gemacht haben, so daß es vielleicht auch heute noch gar nicht wenige Mitarbeiter gibt, die sich unter dieser Einrichtung eigentlich nichts Rechtes vorstellen können. — Die in der Konfliktkommission tätig gewesenen Kollegen haben in allen Verfahren, die der Verfasser durch seine aktive Teilnahme als Justitiar der Hochschule oder sonst aus dienstlicher Kenntnis be urteilen kann, mit großer Sorgfalt und ebensolchem Verantwortungs bewußtsein ihre Aufgaben erfüllt und sich des Vertrauens, das ihnen durch ihre Ernennung entgegen gebracht worden war, würdig er- wiesen. Ihre Entscheidungen entsprachen den gesellschaftlichen Erforder nissen. Leider wurden die einzel nen Verfahren nicht intensiv und mit allen Mitarbeitern ausgewer tet, um mit der Erläuterung der Beschlüsse und damit der bestätig ten Gesetzlichkeit die Wirksam keit des erzieherischen Faktors auf den gesamten Hochschulbereich auszudehnen und den bei solchen Gelegenheiten immer in Erschei nung tretenden Vermutungen und „Auslegungen“ geschwätziger Neun malkluger von vornherein die Grundlage zu entziehen. Das ge schah auch vor allem dann nicht, als eine besonders grobe Ver letzung der sozialistischen Arbeits disziplin im Verfahren, das der ehemalige Kraftfahrer Allenberg zur Nachprüfung seiner fristlosen Entlassung beantragt hatte, zu be urteilen war und Allenberg im Zusammenhang mit seiner Ent lassung sehr weitreichende An schuldigungen gegen andere Kol legen geäußert hatte. * Natürlich waren diese Entgleisun gen Allenbergs nicht unbekannt geblieben. Genau wie er sich das vorgestellt hatte, bildeten sie viel mehr den Gegenstand manch mehr oder weniger heimlicher Diskus sion. Es hätte zugleich mit der Auswertung des Verfahrens her ausgestellt werden müssen, wie nach eingehender Überprüfung des Sach Verhaltes diese Anschuldigun gen tatsächlich zu bewerten waren. Mit diesem Beispiel soll nicht etwa andeutungsweise der Fall Allen berg erneut aufgegriffen werden, sondern die kritische Einschätzung dieses so akut gewesenen Tatbe standes soll zeigen, welch beson dere Aufmerksamkeit Hochschul leitung und Gewerkschaft in Zu kunft der allgemeinen Besprechung aller Entscheidungen der Kon fliktkommission widmen müssen. Bei dem so beschriebenen Zustand kann es nicht verwundern, daß die Konfliktkommission an der Hoch schule für Maschinenbau in ihrer Einflußnahme auf die stetige För- derung der sozialistischen Arbeits verhältnisse nicht in dem Maße Fortschritte erzielte, wie das in den sozialistischen Betrieben geschah, in denen man, ausgehend von der Bewegung der sozialistischen Bri- gaden und Gemeinschaften und damit in Erkenntnis der Gesetz- mäßigkeit dieser Entwicklung, die Frage der gesellschaftlichen Wei- terentwicklung der Konfliktkom missionen auf die Tagesordnung setzte.