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geführt worden war. Wie in Italien werden die Themen vielmehr nach anderen Tonarten transponiert. Die Orchesterbehandlung führt allerdings über die ita lienischen Vorbilder hinaus, sie wird persönlicher und deutscher gehandhabt. Im langsamen Miittelsatz werden keine „Probleme gewälzt“, auch hier herrscht — wie in den beiden Ecksätzen — der Ton geistvoller Unterhaltung und wiene rischen Charmes vor, ein Ton, den die damalige Zeit selbst in den meist im Auftrag geschriebenen Sinfonien nicht missen wollte. So müssen wir Mozarts Musik heute auch hören: Als geistvolles Spiel, uns, den Menschen zur Freude* damals wie heute! Daß Mozart trotz der Vielzahl der Werke nie ins ober flächliche Schwatzen geriet, daß er nie ins Seichte abrutschte und daß selbst in diesen Auftragswerken jener typisch heitere und gelöste Mozartklang noch zu spüren ist, beweist aufs eindringlichste, welch einmalige Persönlichkeit der Salzburger Meister gewesen ist, — auch schon in den oft^zu Unrecht vernach lässigten „kleinen Sinfonien“ aus früher Zeit. i Ludwig van Beethoven (1770- 1827) Sinfonie Nr. 7 A-Dur, op. 92 Beethovens 7. Sinfonie A-Dur, op. 92 entstand im Jahre 1812. Es ist das Jahr, in welchem Napoleon seine entscheidende Niederlage in Rußland erlebt, von der er sich nicht mehr erholt; es ist das Jahr, in dem sich in Spanien aus der Unterdrückung durch die fremden, französischen Eroberer eine revolutionäre Bewegung entwickelt, die sich in der spanischen Verfassung aus diesem Jahre in folgenden Worten ausdrückt: „Das spanische Volk ist frei. Die souveräne Gewalt gehört ihrem Wesen nach dem Volke.“ Es ist das Jahr, in dem in Eng land Arbeiteraufstände gegen die Ausbeutung durch die Fabrikanten ausbra chen (die Unruhen in Nottingham), in dem in Deutschland die Industrialisie rung wesentliche Fortschritte macht (Krupp in Essen) — es ist das Jahr des Tumultes, der Tragödien, des Leides, des Kampfes vieler Menschen um ihie eigene Freiheit. Von diesen Nöten und politischen Ereignissen ist in der Sie benten Sinfonie wenig zu spüren. Beethoven hatte gerade in diesen Jahren eine innere Entwicklung durchgemacht, die ihn von der Außenwelt zur Welt der Phantasie, der inneren Gesichte, hinführte. Leopold Schmidt sagt: „Er hat in sich eine höhere Macht der Musik entdeckt, ihr eigenstes Reich war ihm auf gegangen, in dem sie souverän ist, wo alle Dinge ihr eigenes Leben haben und * einer Deutung nicht mehr bedürfen.“ Richard Wagner sah in der Siebenten Sinfonie die „Apotheose des Tanzes“, also eine Verklärung und Idealisierung tänzerischer Zustände. Recht hat er in sofern, als der rhythmische Einfall in diesem Werk vorherrscht, daß er eine bedeutende Rolle im schöpferischen Vorgang spielt. Beethoven ist in dieser Sinfonie Idealist geworden, er hat sich dem Schillerschen Idealismus voll und ganz hingegeben. Der erste Satz beginnt mit einer getragenen, feierlichen Ein leitung. Der eigentliche Satz steht im lebhaften punktierten Sechsachteltakt, der beide Themen prägt, dieser Satz endet in einem sieghaften Durchbruch. — An Stelle des langsamen Satzes bringt Beethoven, abweichend vom üblichen Gebrauch, ein Allegretto von verschleierter Melancholie und wehmütiger Ver träumtheit. Die weitere Entwicklung dieses Satzes verläuft in der Form der Variation. Das Scherzo steht im schnellsten Tempo, es ist lustig und keck, übermütig und steckt voller Humor. Das eingeschobene Trio hebt sich durch seine zärtliche Melodie scharf vom Scherzo ab. Der lebhafte Schlußsatz hat ein erstes Thema, in welchem die Hauptbetonung entgegen allem üblichem Gebrauch auf dem unbetonten Taktteil liegt — ebenso ist im vierten Takt des beschwingten zweiten Themas die Betonung auf dem Nebentaktteil. In einer übermütig-burschikosen Stimmung verläuft dieser Satz, von einer Heiterkeit Beethovens kündend, die in ihm liegen mußte, denn das Entstehungsjahr der Siebenten Sinfonie, 1812, war ein tränenreiches Jahr. III /9/23 0.7 85f> 1801/56