Blick nach Frankreich Rund 1000 Jahre umspannen die Musikgeschichte Frankreichs. Nur in Stichworten können wir die Fülle des Stoffes zu umreißen versuchen: Von der gregorianischen Musik (vor 1000) über die Kunst der Troubadours bis zum Beginn der Mehrstimmigkeit spannt sich der erste Bogen. Nach dem 15. Jahrhundert wird die Kunst der vokalen und instrumentalen Chansons abgelöst von der Zeit der instrumentalen Hausmusik im 16. Jahrhundert. Der Beginn der Oper mit Lully fällt ins 17. Jahrhundert. Daneben dürfen die Meister der Tasteninstrumente wie Rameau nicht vergessen werden. Im 18. Jahrhundert Pflege der Kammermusik mit Jean-Marie Leclair als bedeu tendstem Vertreter der französischen Geigerschule. Die Glucksche Operri- schule in Frankreich muß erwähnt werden, aber auch die Meister des franzö sischen Musiklustspiels: Bo'ieldieu, Adam und Auber, die den Übergang zur Operette hersteilen, zu Herve, Lecocq und Offenbaeh. Das 19. Jahrhundert schließt den zweiten großen Bogen: Wir begegnen Cesar Franck, Bizet und Lalo. Wir erleben eine Bach-Renaissance und den Einbruch der Exotik. Mit Faure, Debussy und Ravel haben wir die Jahrhundertwende erreicht. Der dritte Kreis umfaßt das 20. Jahrhundert: Die „Gruppe der Sechs“, der \i. a. Poulenc, Honegger, Milhaud und Auric angehörten, führt uns mitten- hinein in unsere Gegenwart,' die in musikalischer Hinsicht von Frankreich bis zuletzt stärkste Impulse empfangen hat. Denken wir nur an so eigen geprägte Persönlichkeiten wie Olivier Messiaen, an den französischen Dode- kaphonistenkreis um Rene Leibowitz oder an die experimentierenden Ver treter der „konkreten Musik!“ Wir hören vier Beispiele französischer Musik aus dem 19. und 20. Jahrhundert: Bei aller Unterschiedlichkeit der Stile erhellen diese Werke typische Wesens züge der französischen Musik im allgemeinen. Dazu gehören die Freude am Unterhaltsamen, das Bestreben, bei aller Grazie, bei allem Scharm stets geistvoll zu bleiben und den ausgeprägten Sinn für Farbe, Stimmung und Atmosphäre. Zusammen mit Gounod, C. Franck, Saint-Saens, Bizet und Chabrier vertritt Edouard Lalo die französische Musik des 19. Jahrhunderts. In Lille geboren, sollte Lalo ursprünglich einen militärischen Beruf ergreifen, erzwang jedoch das Studium der Musik, verdiente sich sein Geld durch Unterrichten sowie seit 1855 als Bratschist und Geiger in einem Streichquartett, das sich vor allem für die deutsche Klassik und Romantik einsetzte. Als Komponist ließ sich Lalo von Wagner beeinflussen, zugleich führte er die romantische Welt eines Berlioz weiter. In seinen Werken ist er ein ausge prägter Melodiker, der die lyrischen Elemente der Musik bevorzugt. Manches in Lalos Musik weist auf den Impressionismus hin. Von seinen konzertanten Werken hat sich die „Sinfonie espagnole“ am nachdrücklichsten gehalten, ein Orchesterstück, das zwischen der Form der Sinfonie und des Violin-