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Gegner, um an diesen magern Knochen ihren Heifshunger zu stillen. Es war wiedermal „viel Lärm um nichts“, die altklassische Geschichte von kreisenden Bergen und der Geburt des lächer lichen Mäusleins; aber monatelang wurden den Zeitungslesern thatsächliche Unrichtigkeiten auf- getischt. Martin Luther fertigte .Heinz von Engeland“ einst derb ab, weil König Heinrich VIII. auch „seinen Dreck an Christi Krone schmiere“, d. h. sich unbefugter Weise in theologische Streitig keiten einmischte. Ohne die urwüchsige Grob heit des grofsen Reformators entschuldigen zu wollen, denken wir unwillkürlich jedesmal daran, wenn ein Aufdringlicher sein Licht über Arbeiter verhältnisse, von denen er thatsächlich nichts versieht, öffentlich leuchten läfst. Fast alle Stände betheiligten sich in den letzten Jahren an diesem Sport, namentlich junge Juristen und Verwaltungsbeamten fühlten den Beruf dazu. An einer derart irregeleiteten Stimmung kranken wir Deutsche heute noch; wo Strenge Noth thut, begegnet man vielfach bedenklicher Schwäche. Von sachverständiger Seite wird u. A. behauptet, dafs die fortgesetzte Gährung im Saar bezirk bei kräftigem Eingreifen der Behörden bald verschwinden würde. Wir können’s nicht beur- theilen, sondern relata referimus. Niemand kann die Gefährlichkeit einer Partei leugnen, welche den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung als ihre Hauptaufgabe be trachtet, welche durch das unbeschränkte Wahl recht — wenigstens in Deutschland — auf die breiten Volksmassen einen stets steigenden Ein- flufs ausübt. Trotzdem dünkt uns die allgemeine Angst übertrieben. Die grenzenlose Furcht vor der Cholera schädigte im letzten Herbst Handel und Wandel mehr als die Seuche selbst. Aehn- lich wirkt der Socialismus. Die öffentliche Meinung sollte sich dagegen etwas kühler verhalten, sich weniger mit der Sache und den Personen be fassen. Beide verdienen wirklich kaum das Ueber- mafs von Beachtung, welches man ihnen all gemein zollt, die Eitelkeit der Führer wird da durch unnöthig angespornt. Spaltenlange Berichte brachten die Blätter der verschiedensten Richtungen über den letzten Parteitag in Berlin. „Der Socialdemokratismus will die Gesellschaft befreien “, rief dort unter donnerndem Beifall Herr Frohme- Altona. „Jetzt will ich fliegen“, sagte Till Eulen spiegel auf der Laube des Rathhauses zu Magde burg, verspottete jedoch hinterher derb die zahl reichen Narren, welche seiner Einladung zum Anschauen des Wunders Folge geleistet hatten. Selbst heute wäre so was noch möglich, denn die Dummen sterben in dieser Welt nicht aus. Der leichtgläubigen, urtheillosen Menge aber das Schicksal von Staat und Gesellschaft anheimzu geben, ist die gröfste „conventioneile“ Thorheit der Neuzeit. Ein vernünftiges Wahlgesetz benähme bald dem Socialismus seine beste Stütze, j Schlink. Entladung der Nachdem die von dem Unterzeichneten an geregte Erhöhung der Tragfähigkeit der Güter wagen im wesentlichen zum Abschlufs gekommen ist, dürfte als die wichtigste der noch zu lösenden wirthschaftlichen Aufgaben der Eisenbahnverwal tung die Entladung der offenen Güterwagen bezw. Kohlenwagen zu betrachten sein. Es ist bekannt, dafs bereits seit einer Reihe von Jahren mit Errichtung des Staatsbahnwagen- Verbandes die gröfsten Anstrengungen gemacht werden, um besonders bei der in jedem Herbst eintretenden Verkehrssteigerung den Wagenumlauf zu beschleunigen und dadurch den Wagenmangel thunlichst einzuschränken. Diese Anordnungen sind im allgemeinen von günstigem Erfolge be gleitet gewesen, und es ist nur der strengen Durchführung derselben zu verdanken, dafs der Wagenmangel sich nicht in einem noch gröfseren Umfange gehend gemacht hat. In einer Beziehung jedoch, in betreff der raschen Entladung der Kohlenwagen, haben die bisherigen Bestrebungen einen nur theilweisen Erfolg gehabt, da die Staats- Kohlenwagen. bahnverwaltung eine Verbesserung des bisherigen Zustandes zunächst nur in der Richtung gesucht hat, durch eine Beschränkung der Be- und Ent ladefristen bezw. durch die Erhebung von Stand geld das Publikum in den Zeiten des Wagen mangels zu einer möglichst raschen Be- und Entladung anzuhalten. Keine andere Anordnung ruft jedoch fortdauernd in allen betheiligten Kreisen eine so grofse Mifsstimmung hervor, wie die Abkürzung der Ladefristen, weil dieselbe zu häufig zur Anwendung kommt, zu störend auf die geschäftlichen Verhältnisse einwirkt und weil in vielen Fällen, und dies gilt im besonderen für die Landwirthschaft und für den Verkehr auf den Wasserumschlagplätzen, die Entladung innerhalb der abgekürzten Entladefristen nicht möglich ist, auf diese Verhältnisse jedoch bei Berechnung des Standgeldes nicht immer in genügendem Mafse Rücksicht genommen wird. Nun sind zwar in den letzten Jahren erleich ternde Bestimmungen in der Richtung getroffen worden, dafs nicht nur von einer allgemeinen