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Februar 1883. STAHL UNI) EISEN. Nr. 2. 121 Referate und kleinere Mittheilungen. Bemerkungen zu den Vorgängen beim Walzen von Eisen. Wir entnehmen der Wochenschrift des Vereins deutscher Ingenieure den nachstehenden, im Bezirks verein an der niederen Ruhr gehaltenen Vortrag des Herrn Hollenberg: Die dankenswerthen Veröffentlichungen der vom Vereine deutscher Hüttenleute bestellten Commission zur Untersuchung des Kraftbedarfes beim Walzen veranlassen mich, auf eine Arbeit, die ich an dieser Stelle schon früher erwähnt habe, zurückzukommen. Die Arbeit bezieht sich auf die Darstellung der Form Veränderungen und Materialverschiebungen, im Innern der Stäbe, sowie auf die dadurch bedingte Erklärung einiger äufseren Erscheinungen. Zu diesem Zwecke machte ich nachstehenden Ver such : In der Mittellinie eines Stabes Flacheisen von 35 mm Dicke wurden in genauen Abständen von 25 mm eine Reihe Bohrlöcher von 6 bis 7 mm Durch messer angebracht, welche mit abgedrehtem, stark sehnigem Rundeisen wieder geschlossen wurden, und zwar, um ein genaues Anschliefsen zu erzielen, unter Benutzung der Zwängekraft bei'rothwarmem Zustande des Stabes. Nach sorgfältigem Abschlichten wurde der Stab in der gewöhnlichen Weise und in solcher Lage, dafs die eingesetzten Rundeisencylinder senk recht zur Walzenaxe befindlich waren, ausgewalzt. Dies geschah nur nach einer Richtung, also ohne Vorwärts- und Rückwärtsgang. Bei dem ersten Durch gänge wurde die Walze auf der letzten Hälfte des Stabes abgekuppell und somit war in dem in der Walze steckengebliebenen Theile das erste Versuchs stück gewonnen. Die Hälfte, welche die Walze bereits passirt hatte, wurde späterhin angewärmt und aus gewalzt. In geeigneter Weise wurde nun eine Schnitt fläche durch die Axender Cylinder hergestellt, welche nach dem Anbeizen mit Salzsäure ein deutliches Bild der eingesetzten Stücke lieferte und interessante Schlüsse auf die innere Formveränderung gestattet. Die vorliegende, aus der Erinnerung gezeichnete Skizze zeigt die.nach dem ersten Durchgänge gewon nene Beizstelle des Stabes. Suchen wir nun, uns die Entstehung dieser Form zu vergegenwärtigen. Zunächst ist in Erwägung zu ziehen, dafs bei der Umformung der Stab als eine verschiebbare Masse von geringer Elasticität auf zufassen ist. Die Verschiebbarkeit ist natürlich um so gröfser, je gröfser der Wärmegrad ist; um so geringer, je mehr die Erkaltung voranschreitet. Die innere Formveränderung und Verschiebung wird also an der Stelle am leichtestsn vor sich gehen, wo der Wärmegrad am gröfsten ist. Diejenigen Theile des Stabes nun, welche mit der Walzenoberfläche einmal in Berührung sind, werden sich relativ am wenigsten verschieben, da dieselben sowohl rascher abkühlen als auch eine bedeutende Reibung an der Walzen oberfläche zu überwinden haben. Es ist eine bekannte Thatsache, dafs der Stab vor und hinter der Walze sich mit einer Geschwindigkeit bewegt, welche umgekehrt den betreffenden Quer schnitten proportional ist. Es bedarf wohl keiner Erwähnung, dafs das rückständige Stabende eine geringere Geschwindigkeit hat als der fassende Walzen umfang. Weniger bekannt möchte die Thatsache sein, dafs der Stab bei seinem Austritte der Geschwindigkeit, der Walze voreilt. Letzteres wurde bereits in einer Situng an dieser Stelle im Jahre 1875 besprochen und von Herrn Vahl kamp an dem Auswalzen des Speichen- eisens besonders bestätigt und durch Beispiel nach gewiesen. Es mufs hierbei immerhin eine Verschiebung auch an der Walzenoberfläche stattfinden. Da die Be wegung des Stabes beim Eintritte langsamer, beim Austritte rascher erfolgt, als der Walzenunifang sich bewegt, so tritt nothwendigerweise an einer Stelle der Fall ein, dafs die Bewegungsgeschwindigkeiten in der Walzenoberfläche und dem Stabe gleich sind. Der Punkt möge in a liegen. Von b bis a wird sich die Umwandlung der Geschwindigkeit des rückstän digen Stabendes in die Geschwindigkeit der Walze vollziehen. mithin findet ein Gleiten der Walze statt. Zwischen a und c dagegen vollzieht sich der Ueber- gang aus der langsamen Geschwindigkeit der Walze in die raschere des austretenden Stabes, also gleitet der Stab. Die übrigen Theile des Stabes sind sowohl wegen der gröfseren Wärme als auch wegen der ge ringeren Reibungswiderstände weniger in ihren Be wegungen beschränkt und werden den auf sie ein wirkenden Kräften um so eher folgen können. Hier aus erklären sich die Durchschnittsformen des rück ständigen Stabes A sofort. Die Druckkräfte der Walze machen sich durch innere Verschiebungen entgegen der Bewegungsrichtung des eintretenden Stabendes geltend und bewirken die Entstehung der Welle (die hier zur Erklärung gröfser gezeichnet ist, als im wirk lichen Versuche sich ergeben hat) vor dem Eintritt in die Walze. Ganz analog ist der Vorgang an der Austrittsstelle. Die Druckkräfte wirken auch hier da rauf hin, die Bewegung vorzüglich im Inneren des Stabes zu beschleunigen und eine Verschiebung nach der Richtung des Stabes zu bewirken. Es tritt des halb , da die Druckeinwirkung nach der Länge hin nur eine beschränkte sein kann, eine Verdickung des Stabes ein. Diese Verdickung ist wohl jedem prak- tischen] Walzwerkstechniker bekannt und veranlafst bei exact verlangtem Kaliber häufig einen nochmaligen Stich durch das fertige Kaliber, Polisseur u. s. w., oder aber einen nur geringen Formenübergang vom vorletzten zum letzten, dem fertigen Kaliber. Es er klären sich somit beide erwähnten Erscheinungen in sehr einfacher Weise aus der nothwendigen inneren Verschiebung. Auf die Form des Längsschnittes der zu Anfang erwähnten angebeizten Durchschnittsfigur wird dieses Nachschieben den Einflufs haben, dafs die bereits ausgebildete Höhe h wieder um ein weniges verringert wird. Die Möglichkeit, und Wahrscheinlichkeit, dafs die Welle am Austrittsende zugleich durch die Elas ticität der Walze beeinflufst werde, darf wohl zuge geben werden; dafs aber dieser Factor wenig von Einflufs ist, ergiebt sich aus dem Umstande, dafs bei warmen und stark dimensionirten Stäben diese Ver dickung des austretenden Stabes erheblich stärker hervortritt. Auch befinden sich die Fertigkaliber