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Das »laissez faire« bedeutet lediglich: „Die Freiheit ist das einzige Richtige.“ Adam Smith und seine Schule verwechselten jedoch »Frei heit« und »Concurrenz« und machten statt der wirthschaftlichen Freiheit die »freie Concurrenz« zum obersten Princip und scheuten sich nicht die wirthschaftliche Freiheit dort ein zuschränken, wo dieselbe der freien Concurrenz gefährlich werden konnte. Aus diesen Betrach tungen folgert der Verfasser, dafs es selbst vom Standpunkte des »laissez faire« logisch richtig wäre die Cartelle als vollberechtigte Corporationen an zuerkennen. Diese Anerkennung erscheint dem Verfasser aber auch wünschenswerth vom Standpunkte des Reformators unseres Wirthschaftslebens und zwar „eines Reformators, der noch keinen fertigen Reformationsplan in der Tasche hat, sondern der das praktische Leben belauschen will, um sich aus der sorgfältigen Beobachtung desselben erst eine Vorstellung davon zu bilden, nach welcher Richtung hin die wünschenswerthen Reformen zu suchen wären“. Von den Verhältnissen gezwungen habe die Gesetzgebung bezüglich Befreiung des Wirth schaftslebens von hemmenden Schranken tabula rasa machen müssen. Das alte Gebäude mufste niedergerissen werden, nun gelte es, den Neubau in Angriff zu nehmen. Bei der Schaffung einer neuen Wirthschaftsordnung liegt jedoch die Ge fahr vor, dafs die Staatsgewalt willkürlich ein greift und Einrichtungen aufoctroyirt, die den Be dürfnissen nicht entsprechen. Sollen daher Mifs- griffe vermieden werden, so mufs die Staatsre-' gierung nur mit gröfster Behutsamkeit — ge- wissermafsen leise tastend — dem wirklichen Leben zu Hülfe kommen, indem sie nur dort eingreift, wo sich bereits erkennbare Ansätze zu neuen Bildungen vorfinden, Einrichtungen, die instinctiv aus der eigenen Initiative der Bevölkerung hervor gegangen sind. Der Verfasser hält die Cartelle für solche Ansätze, die sich ohne Zuthun, sogar gegen die Neigung der Regierungen, aus der Initiative der Bevölkerung, als die natürliche Reaction gegen den Druck den die heutige anarchische Volkswirth- schaft speciell auf die Producenten ausübt, gebildet haben. Daher wäre es richtig, wenn die Staatsge walt, insofern sie überhaupt eine Reorganisation der Volkswirthschaft anstrebt, den Gartellen einige Aufmerksamkeit zuwendete. Der erste Schritt wäre die Anerkennung derselben als vollberech tigte Vereinigungen der Unternehmer, dann müfste die weitere Entwicklung beobachtet und schliefs- lieh auf der, durch die Erfahrung gewonnenen Grundlage organisch weiter gebaut werden. Ein solches Vorgehen könnte, nach der Meinung des Verfassers, nur dann gefährlich werden, wenn die Cartelle die sämmtlichen Unternehmer jeder Branche im ganzen Staatsgebiete umfassen wür den, da dann die Möglichkeit eines Monopols gegeben wäre, welches das regelnde Eingreifen der Staatsgewalt hervorrufen müfste. Der Ver fasser glaubt jedoch, dafs wir von einer solchen Ausdehnung der Cartelle noch sehr weit entfernt sind. In Beantwortung der ersten Frage glaubt der Verfasser daher, dafs jede Regierung unbe denklich so weit gehen könnte die Cartelle als gesetzlich gestattete Verbindungen anzuerkennen. Es würde dies freilich ein Experiment sein, wie jedes neue Gesetz ein Experiment ist; in diesem Falle aber würde die Gefahr gering sein, wenn die Regierung dasselbe mit offenen Augen über wacht. Denn bei hervortretenden Uebelständen könnte die Staatsgewalt entweder weiter vor gehen, oder den früheren Zustand wieder her stellen, indem sie den Cartellen die ertheilte An erkennung wieder entzieht. Bei Beantwortung der zweiten Frage, ob es wünschenswerth wäre den Cartellen das bereits angedeutete Monopol der Production zu ver leihen, hebt der Verfasser zunächst hervor, dafs es für den Theoretiker gewagt sei die Frage zu beantworten, wie künftige Wirthschaftseinrich- tungen beschaffen sein sollen, da der Versuch nur in philosophischen Speculationen bestehe,n könne, zu denen der Weg des deductiven Den kens durch logische Schlufsfolgerung aus den bekannten Daten führt. Für die Ertheilung des Productionsmonopols an die Cartelle scheint dem Verfasser der Um stand zu sprechen, dafs eine Regelung der Pro duction nach dem Bedarfe, ohne ein gewisses Monopol der betreffenden Producenten, absolut undenkbar sei. Will man die Ordnung der Volks wirthschaft, so mufs man das Monopol mit in den Kauf nehmen. Wie die Zünfte, nicht zum Nachtheil der mittelalterlichen Gesellschaft, dieses Monopol besafsen, so könnte den Cartellen ein analoges Recht eingeräumt werden, und wie es damals Mittel und Wege gegeben hat die Gesell schaft gegen Härten zu schützen, so könnte auch jetzt in ähnlicher Weise dem Monopol die Spitze abgebrochen werden; Der Weg, auf dem die Cartelle ihr Ziel zu erreichen streben, ist eben nicht derjenige, den die Zünfte einschlugen , sondern er ist den geänderten Zeitverhältnissen angepafst. Von localer Begünstigung kann bei der heutigen Leich tigkeit des Verkehrs keine Rede sein. „Soll heute irgend einem Producenten ein ausschliefs- liches Recht zur Erzeugung gewisser Artikel ver liehen werden, so kann dieses Recht nicht anders als für den Umfang des ganzen Staatsgebietes verliehen werden; im ganzen Staate kann es durch die Zollgesetzgebung aufrecht erhalten werden, ein locales Privileg ist heute unhaltbar. Dieser Anforderung entsprechen die Cartelle, sie sind ihrem Wesen nach keine blofs localen Ver-