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456 Nr. 10. STAHL UND EISEN.“ October 1882. ganisation der »drei Productivstände«, als welche er die Handwerker, die Bauern und die Arbeiter betrachtet. Neben diesen scheint es für Herrn von Fechendach weiter keine productiven Kräfte zu geben. Herr von Fechenbach hat sich diejenigen Kreise der Handwerker als Stützpunkt ausersehen, welche von der Einführung obligatorischer In nungen und von der Rückkehr zum Zunftwesen alles Heil erwarten; in diesen Kreisen tritt er als sehr energischer und geschickter Agitator er folgreich auf. In den verschiedenen Theilen Deutschlands haben sich die Handwerker der in Rede stehenden Richtung auf seine Veranlassung zu Verbänden, unter der Bezeichnung »Hand werkerbund« , zusammengethan, und die Ueber- tragung des Ehrenpräsidiums an Herrn von Fe chenbach ist wohl gleichbedeutend mit Ueber- tragung der Führerschaft. Dieser Umstand allein würde nicht genügende Veranlassung bieten, uns mit dem Manne zu be schäftigen ; seine vorerwähnten Ideen über die Wirkungen der bestehenden Productionsweise und über die Lohnfrage sind jedoch werth, auch von dem Leserkreise dieses Blattes in Erwägung gezogen zu werden, um zu zeigen, von welch unerwartet anderer Seile Angriffe auf unser Wirth- Schafts- und Kulturleben gerichtet werden. Die Bedeutung dieser Angriffe wird aber richtiger gewürdigt werden mit Rücksicht auf den Um stand, dafs es dem Träger solcher verworrenen, revolutionären Ideen gelingt, Einflufs auf grofse Kreise zu erlangen, die entschieden den conser- vativen , monarchischen , vaterlandsfreundlichen Parteien angehören. Herrn von Fechenbach lernen wir am besten aus seiner neuesten Broschüre »Ein Beitrag zur Lohn- und Arbeiterfrage«, Berlin, Puttkammer & Mühlbrecht 1882, kennen. An der Spitze derselben und gleichsam als Ein leitung wird ein von ihm am 18. Mai 1881 bei Gelegenheit der Generalversammlung der deutschen Social-Conservativen im Wintergarten des Cen- tral-Hotels in Berlin gestellter Antrag abgedruckt, der mit ausführlichen Motiven versehen ist. Bei des, Antrag wie Motive, lassen wir hier folgen: „In Anbetracht der steigenden Nothwendig keit, durch gerechte Reformen das Gleichgewicht in den Ertragsverhältnissen zwischen Kapital und Arbeit möglichst herzustellen und dadurch der Arbeit jene Rechte zuzuerkennen, durch welche allein die feindlichen Gegensätze, die sich zwischen ihr und dem Kapital von Jahr zu Jahr in der bedenklichsten Weise verschärfen, zu heben sind, unterbreitet der ergebens! Unterzeichnete der Versammlung nachstehenden Antrag. Antrag. Die Versammlung wird ersucht, an die Reichs regierung die Bitte zu richten, dafs ungesäumt Enqueten angeordnet werden zum Zwecke der nöthigen Vorarbeiten, auf deren Grund dem Reichs tage Gesetzentwürfe in betreff einer gerechteren Vertheilung des Reingewinnes in allen Zweigen der Grofsindustrie, insofern derselbe aus dem Zu sammenwirken von Kapital und Arbeit entsteht, vorzulegen sind. Motive. 1. Es wird nicht geleugnet werden können, dafs Verhältnisse, bei welchen der Arbeitgeber einen Nettogewinn von 12, ja selbst bis zu 20, 30 und noch mehr Procente erübrigt, aber dennoch seinen Arbeitern, durch deren Arbeitsleistungen er doch in den Stand gesetzt wird , diese Gewinne zu erzielen , nur den Lohn zahlt, der durch Angebot und Nach frage regulirt wird, im höchsten Grade revi sionsbedürftig sind. 2. Stellen die heutigen Lohnentrichtungen durch aus keine Vergütung der Arbeitsleistung dar, sondern nur den Preis, für welchen die menschliche Arbeitskraft gekauft wird. Man bezahlt somit nicht das, was gearbeitet wird, sondern die Löhnung betrifft allein die Zeitdauer der Arbeit oder das Arbeiten an sich. 3. Was der Arbeiter an Lohn erhält, stellt nur den Ersatz an Kräften dar, den er voll und ganz zur Verrichtung seiner Arbeit bedarf. Deshalb erhält er auch für das Product seiner Arbeit keine Vergütung; denn was er in der Gestalt seines Lohnes erhält, braucht er zur Conservirung seiner Kräfte. Es wird somit nur gezahlt, um arbeiten zu können, nicht aber für das, was er arbeitet. 4. Der Fabrikant oder Unternehmer erhält hin gegen den ganzen Werth der Arbeitsleistung. Er befindet sich gegenüber seinen Arbeitern in einem weit günstigeren Verhältnifs, als in Hinsicht der Maschinen, die er zu seinem Betriebe nöthig hat. Diese mufs er unter Umständen um theures Geld erwerben, er mufs sie unterhalten, re- pariren, und wenn sie ausgearbeitet sind, durch neue ersetzen, während er die Men schen, die ihm arbeiten, umsonst erhält, und wenn sie ausgearbeitet sind. durch neue er setzt, ohne dafs ihm hierdurch eine Ausgabe , erwächst. Seinen Arbeitern braucht er nur den Lebens unterhalt zu gewähren; das ist.aber nicht mehr, als die Kraft zu unterhalten , welche für ihn arbeitet, und fällt bei dieser Entloh nung vollständig der Lohn für das Arbeits- product hinweg , der dem Fabrikanten oder Unternehmer allein zu gut kommt. Wie ich bereits oben zu sagen die Ehre hatte, wird bei der heutigen Lohnentrichtung nicht das A r bei tsprod uc t, sondern nur die Zeit oder die Kraft bezahlt, welche zu seiner Herstellung nöthig ist.