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nur die verhältnifsmäfsig geringe Zahl der besser Situirten aneignen kann, dann, meine Herren, wäre ein gesellschaftlicher Zustand gegeben, wel cher Gleichberechtigung nach allen Richtungen und auf allen Gebieten als gerechtfertigt erschei nen läfst, dann, meine Herren, wäre ein Ideal geschaffen. Leider geht man bei Beurtheilung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Ar beiter häufig von diesem Ideale aus, man ver langt vollständige Gleichberechtigung. Ein be kannter deutscher Professor hat das ja noch kürzlich in einem der neuesten wissenschaftlichen Werke ausgesprochen. Meine Herren, auf poli tischem und auf rechtlichem Gebiete besteht diese Gleichberechtigung der Arbeiter und Arbeit geber. Sie haben beide das gleiche politische Recht, und vor dem Gesetz ist jeder Deutsche gleich. Aber, meine Herren, diese Gleichberech tigung auf das gesellschaftliche, sociale und wirth- schaftliche Gebiet übertragen zu wollen, ist ein Unsinn, denn, meine Herren, mögen Sie mit ehernen Lettern diese Gleichberechtigung in die Gesetzbücher eintragen, so wird der Gebildete, Intelligente und Besitzende thatsächlich immer einen gröfseren Einflufs und eine gröfsere Macht ausüben. Das liegt in der Natur der Dinge. Meine Herren, was ist denn bei unserer bewunde rungswürdigen Armee der gröfste und allgemein anerkannte Vorzug? Dafs eine stramme Disciplin und Zucht alle Klassen beherrscht. Ich glaube, unsere grofsen Feldherren würden es nicht gern sehen, wenn wir in die Kasernen gehen und Gleichberechtigung zwischen den einfachen Sol daten und dem Obersten predigen wollten. Aber, meine Herren, in die Werkstätten geht man und predigt selbst von sehr hervorragender Stelle diese Gleichberechtigung, und hier ist dieselbe ganz ebenso verwerflich wie beim Militär. Beide, meine Herren, die Werkstatt und das Militär, sind in dieser Beziehung gleich bis auf einen Punkt. Während das Militär, Gott sei Dank, oft erst nach Ablauf von Menschenaltern im Ernste seine Pflicht zu thun hat, ist es in den Werkstätten täglich bitterer Ernst. Zweck und Aufgabe würden verfehlt werden, wenn die ser Ernst nicht obwaltet, und die Arbeit kann nur gedeihen, sowohl in der Stube des Hand werkers wie in unseren grofsen Hüttenwerken, wenn Jeder, vom Obersten bis zum Letzten, bis zur unbedeutendsten Stelle unentwegt seine Pflicht erfüllt. Dazu aber, meine Herren, ist Autorität, ist Zucht, ist Disciplin nöthig, denn wenn Krupp mit seinen 19 000 Arbeitern diese Disciplin nicht ebenso aufrecht erhält, wie ein General in seinem Armeecorps, geht die Arbeiterschaar auseinander und das Werk kann niemals gelingen.“ „Meine Herren, wir haben diese Gesetzent würfe neben anderen Gründen hauptsächlich des halb unterstützt, weil wir glauben, durch die Wirkung derselben das Verhältnifs zwischen Ar beiter und Arbeitgeber, welches ja in den gro fsen Industriebezirken Deutschlands auch jetzt ein sehr befriedigendes genannt werden kann, allge mein zu bessern und den socialen Frieden zu fördern. Wenn aber ein solcher Geist des Mifs- trauens, wie ich ihn hier gekennzeichnet habe, in diese Kreise getragen wird, so werden diese Gesetzentwürfe nicht dazu dienen, zu versöhnen, sondern zu verfeinden, zu trennen und die Gegen sätze zu verschärfen.“ Der Correferent, Herr Justizrath Dr. Goose, beschäftigte sich in der Hauptsache mit der Ver- theilung der Beiträge und den Kosten der Un fallversicherung im allgemeinen. An die Refe rate schlofs sich eine Debatte, in welcher von einem Redner dem Wunsche Ausdruck gegeben wnrde, dafs die Versammlung sich doch ein gehender mit den Details beschäftigen möge; die Unmöglichkeit, solches zu thun, wurde jedoch von der Versammlung anerkannt. Sie war damit einverstanden, dafs vorläufig der Zweck vollstän dig erreicht sei, wenn die allgemeinen Gesichts punkte des Verbands wiederum zum Ausdruck gelangten, und schlofs sich demgemäfs mit sehr grofser Majorität den von den Refererten vor geschlagenen Resolutionen an. Dieselben lauten: „I. Die Delegirten des Gentralverbandes deutscher Industrieller — die Vertreter des bedeutendsten Theiles der deutschen Industrie — wissen sich und ihre Auftraggeber eins mit der, in der Allerhöchsten Botschaft Sr. Majestät des Kaisers und Königs vom 17. November 1881 ausgesprochenen Ueberzeugung, „dafs die Heilung der socialen Schäden nicht ausschliefslich im Wege der Repres sion socialdemokratischer Ausschrei tungen, sondern gleichmäfsig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde“. II. Der Gentralverband hat wiederholt erklärt, die von Sr. Durchlaucht dem Fürsten Reichs kanzler aus dieser Ueberzeugung vorgeschla genen Mafsregeln unterstützen und fördern zu wollen. Die Delegirten geben nunmehr ihrem dringenden Wunsche Ausdruck, dafs insbe sondere die Kranken- und Unfall-Versicherung der Arbeiter, als Mafsregel zur Besserung der Lage der Arbeiter, bald in Wirksamkeit treten möchte. III. Mit den Schwierigkeiten der vorliegenden Projecte vertraut, für deren Durchführung Lasten zu übernehmen die Industrie bereit ist, halten sich die Delegirten, mit Rücksicht auf ihre Erfahrung im praktischen Leben und ihre Kenntnifs der concreten Verhältnisse, für verpflichtet und berufen dahin zu wirken, dafs diese Gesetzentwürfe mit den Bedingungen