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Io Nr. 1. „STAHL UND EISEN/ Januar 1882. aus Thomasstahl auf der Nordwestbahn gemacht hat, und halten die Ingenieure der Bahn ein stimmig die Thomasschienen für ebenso gut wie die Bessemerschienen. Obwohl nun die Zeit, seit welcher der Thomasprocefs auf dem Werke meiner Gesellschaft in Dortmund ausgeführt worden ist, noch zu kurz ist, um ein auf gleichen Erfahrungen basirendes Urtheil abgeben zu können, wie Hörde und die Rheinischen Stahlwerke, so bestätigen doch die von mir während des letzten halben Jahres angestellten Untersuchungen auf diesem Gebiet vollkommen das oben Gesagte. Seit dem 16. Mai d. J. wird der basische Betrieb auf unserm Werke durchgeführt, und zwar bis zum 1. October nur auf der Tagschicht, von da auf Doppelschicht. Von jeder erblasenen Charge ist das Material sowohl durch Zerreifs- wie durch Schlagproben untersucht, und ist durch diese lange Reihe von Versuchen constatirt worden, dafs bei richtiger Behandlung der Thomasstahl in derselben Güte herzustellen ist wie der Bessemerstahl. Dieselben Resultate sind durch eine Reihe von Versuchen erzielt, welche von Eisenbahntechnikern angestellt worden sind. Nach den Erfahrungen, welche wohl nicht allein bei uns gemacht sein dürften, bietet der Thomasprocefs, wo es sich um Herstellung eines besonders weichen Materials bandelt, sogar ganz wesentliche Vortheile. Für die Fabrication von Eisenbahnschwellen, Blechen, sehr weichem Draht u. s. w. wird daher das Entphosphorungsverfahren demnächst selbst da von Bedeutung sein, wo die localen Verhält nisse es zulassen, dafs der Bessemerstahl ebenso billig hergestellt wird wie der Thomasstahl. Die weitere Folge wird sein, dafs für eine Reibe von Verwendungszwecken der Stahl resp. das Flufseisen an Stelle des bisher gebrauchten Schweifseisens tritt, und dafs eine Menge von Material, welches z. Z. besonders im Norden Deutschlands noch für Schiffsbauzwecke etc. aus England bezogen wird, im Inlande billiger und besser fabricirt wird, als es im Auslande zu haben ist. Ehe ich zur Erörterung der 2. Frage, betreffend die Grundlage, welche Deutschland in dem Besitz von für die Entphosphorung geeigneten Eisenerzen hat, übergehe, erlauben Sie mir kurz zu recapituliren, welche Eigenschaften nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen das Roheisen haben mufs, welches für den Entphosphorungsproces verwandt werden soll. Im allgemeinen glaube ich constatiren zu können, dafs man die Schwierigkeiten, welche die Herstellung eines geeigneten Roheisens verursachen würde, von vornherein ganz erheblich über schätzt hat. Wahrscheinlich veranlafst durch Mifserfolge, welche bei näherer Untersuchung auf ganz andere Ursachen zurückzuführen sind, glaubte man, dafs das Gelingen des Processes abhängig sei von dem Gehalt des zu verwendenden Roheisens an diversen Körpern in ganz bestimmten Maximal- und Minimalgrenzen. Die Resultate, welche innerhalb der letzten beiden Jahre speciell auf einigen rheinisch-west fälischen Werken, sowie in Oestreich erzielt sind, geben den Nachweis, dafs die Darstellung des Roheisens für den Entphosphorungsprocefs entschieden weniger Schwierigkeiten macht als die des Bessemereisens. Ihnen allen ist bekannt, mit welchen Schwierigkeiten der deutsche Hochofentechniker zu thun hat, wenn er aus einheimischen Kohlen und Erzen ein brauchbares Bessemereisen herstellen soll. Abgesehen von der Schwierigkeit, welche die Beschaffung genügend reinen Rohmaterials bietet, leiden die Hochofenschächte bei der Fabrication des grauen hochsilicirten Eisens derart, dafs selbst bei Anwendung des besten feuerfesten Materials die Campagnen der Bessemeröfen kaum halb so lange andauern wie bei den Oefen, welche auf weifses Eisen betrieben werden. Jeder Wechsel in der Qualität des verbrauchten Koks, sowie jede Schwankung der Windtemperatur äufsern sofort ihren Einflufs auf den Siliciumgehalt des Roheisens, und dieser wieder macht sich oft in der störendsten Weise bei Verarbeitung des Eisens in der Bessemerhütte fühlbar. Ein grofser Theil dieser Schwierigkeiten fällt weg bei der Fabrication des Thomaseisens. Die Verwendung von ausschliefslich weifsem Eisen für die Entphosphorung ist nicht allein möglich, sondern sie bietet sogar nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen wesentliche Vortheile, weil der Siliciumgehalt in dieser Qualität leichter auf der erforderlichen niedrigen Stufe gehalten werden kann als bei grauem Eisen. Die Fabrication von Thomaseisen bietet also für den Hochofenbetrieb die wesentlichen Vor theile, dafs man einestheils in der Auswahl der Rohmaterialien weit weniger rigoros verfahren kann als bei Bessemereisen, anderntheils ist es möglich, die Leistungen der Hochöfen dabei um mindestens 25 bis 30% zu steigern, und schliefslich glaube ich nicht zu weit zu gehen, wenn ich annehme, dafs die Campagnen der Hochöfen, welche auf Thomaseisen betrieben werden, durchschnittlich doppelt so lange dauern wie die der Bessemeröfen.