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dafs der Beschlufs einen sehr klaren Hinweis auf eine Revision des Bergwerksgesetzes in dem Sinne der Wünsche der Grubenarbeiter enthielte. Andererseits betonten die Gonservativen und die gemäfsigten Republikaner, dafs die Socialisten dasjenige, worauf sie ihr Hauptbestreben gerichtet hatten, nämlich die Auflösung der Bergwerks gesellschaft von Decazeville, nicht erreicht hätten. Die Theorie der .Arbeitergewerkschaft“ (mine aux mineurs) hätte, sagten sie aufserdem, eine erhebliche Schlappe erlitten. Gelegentlich der Erwähnung dieser Theorie, die unaufhörlich den Grubenarbeitern gepredigt wird, dürfte die Mittheilung angebracht sein, dafs in Frankreich schon seit längerer Zeit ein, allerdings sehr wenig bekanntes, Unternehmen dieser Art besteht. In dem Departement des Ariege liegen im Thale des Dessos an den Ab hängen eines Vorgebirges der Pyrenäen die Gruben von Rancie. Ihre Inangriffnahme reicht bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zurück, so dafs sie die ältesten Bergwerksunternehmen von Frankreich sind. Die Gruben von Ranci för dern jährlich 25000 t eines Erzes, welches sich in bezug auf Qualität mit den besten spani schen oder afrikanischen vergleichen läfst. Es enthält ungefähr 45 % metallisches Eisen und ist zur Stahlfabrication aufserordentlich gesucht. Das älteste Schriftstück, welches man über die Gruben von Rancie besitzt, datirt aus dem Jahre 1293. Damals übergab der Graf Roger de Foix aus freiem Antrieb allen Einwohnern des Tha les des Dessos die Gruben eigenthümlich und ertheilte ihnen gleichzeitig die Erlaubnifs, die in dem Thale vorhandenen Eisenhämmer für sich zu benutzen. Die dortigen Bergleute, in der Zahl von ungefähr 400, betreiben den Abbau der Gruben seit jener Zeit beständig für eigene Rech nung. Dasselbe kann daher thatsächlich als eine „Arbeitergewerkschaft“ bezeichnet werden. Der Stand der dortigen Löhne ist gegenwärtig: 2 fr. 20 c. per Tag. Andererseits ist die Zahl der Arbeitstage im allgemeinen nur 21 per Monat; denn die Ausbesserung und Unterhaltung der Stollen erfordert 4 Tage und die Sonn- und Feiertage 5 im Monat. Das Jahr zählt also 250 Arbeitstage, welche auf Grund eines täglichen Lohnsatzes von 2 fr. 20 c. einen jährlichen Ertrag von 550 fr. ergeben. Da die Bergleute von Rancie, welche zugleich Besitzer und Ar beiter der Grube sind, nicht über genügende Geldmittel verfügen, so können sie sich weder vervollkommnete maschinelle Einrichtungen noch geeignetes Gezähe anschaffen, infolgedessen sich die Art des Betriebes in den beklagenswerthesten Verhältnissen befindet. Die Kohle mufs z. B. auf den Rücken von Menschen oder Maulthieren herbeigeschleppt werden. Ueberhaupt ist das Elend der Bergleute von Rancie so grofs, dafs die meisten derselben aus ihrem Heim auswandern. Im Jahre 1843 zählte ihr Dorf 1 389, 1876 1 139 und heute 1089 Einwohner, die Bevölkerung hat sich also in 43 Jahren um 300 Einwohner vermindert. Hier durch ist die wirthschaftliche Lage von Rancie gekennzeichnet und doch haben wir es hier mit einem Bergwerksunternehmen zu thun, bei welchem das Ideal der Socialisten sich ver wirklicht hat. In Decazeville wurde den Arbeitern vor dem Ausstande von der Bergwerksgesellschaft 120 fr. Monatslohn oder 1440 fr. im Jahr ausbezahlt. In Rancie erhalten die Grubenarbeiter jährlich nur 554 fr., was aber für die rothe Presse durchaus kein Hinderungsgrund zur Ausstreuung der Behauptung ist, dafs die Grubenarbeiter in Decazeville in niederträchtiger Weise von den Kapitalisten ausgebeutet werden. Die weni gen Zahlenangaben dürften genügen, um zu er messen, wie weit man den Versicherungen der französischen Socialisten Glauben schenken darf. In Frankreich und in Belgien ist allgemein die Meinung verbreitet, dafs die Kohlenbergwerke den Besitzern grofse Erträgnisse abwerfen und dafs dieselben sich auf Kosten der Arbeiter be reichern. Wenn man die Verhältnisse näher prüft, so wird man zu einem gegentheiligen Schlüsse gelangen. Aus einer Berechnung, welche Benaert für Belgien für das Jahr 1884 aufgestellt hat, geht hervor, dafs der Werth des Rohproductes sich in der Weise verlheilt hat, dafs davon den Arbeitern 56 % und dem Kapital 1,2 % zugefallen sind und der Rest für General unkosten und Neuanschaffungen der Geräthschaf- ten draufgegangen ist. Wenn man, hat jener Statistiker weiter ausgerechnet, das gesammte Erträgnifs des Kapitals auf die Belegschaft ver theilen wollte, so würde jeder Kopf derselben nur sieben Centimes per Arbeitstag mehr als jetzt erhalten. Die wirthschaftliche Lage der Bergwerksunternehmungen ist in Frankreich ebenso schlecht wie in Belgien. und viele der selben sind nicht in der Lage, ihren Actionären irgend welche Dividende auszuzahlen. Als ganz besonders bedeutungsvolle Um stände sind bei den Vorgängen von Decazeville weder die Arbeitseinstellung an und für sich, noch die Interpellationen und Reden der Depu- tirten Basly, Gamelinat und Anderer zu betrachten. In dem Bergwerksbetriebe werden stets Arbeits einstellungen vorkommen, ebenso wie in dem Parlamente ehrgeizige Köpfe voller Hirngespinste. Der Schwerpunkt liegt vielmehr in dem gemein samen Schritt, den eine Anzahl Deputirter der äufsersten Linken mit Glömenceau an der Spitze bei dem Minister der öffentlichen Arbeiten gethan hat. Hierbei handelt es sich nicht um einige socialistische Deputirten, vielleicht Persönlich keiten, welche soeben frisch im Palais Bourbon angekommen sind, sondern um eine Gruppe, an