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Beethoven II. An die Hoffnung (Aus Tiedges Urania) Ob ein Gott sei? Ob er einst erfülle, was die Sehnsucht weinend sich verspricht? Ob, vor irgend einem Weltgericht, sich dies rätselhafte Sein enthülle? Hoffen soll der Mensch! Er frage nicht. Oie du so gern in heil’gen Nächten feierst Und sanft und weich den Gram verschleierst, Der eine zarte Seele quält. 0 Hoffnung! Laß, durch dich emporgehoben, Den Dulder ahnen, daß dort oben Ein Engel seine Tränen zählt! Wenn, längst verhallt, geliebte Stimmen schweigen, Wenn unter ausgestorb’nen Zweigen Verödet die Erinnerung sitzt, Dann nahe dich, wo dein Verlass’ner trauert, Und, von der Mitternacht umschauert, Sich auf versunk’ne Urnen stützt. Und blickt er auf, das Schicksal anzuklagen, Wenn scheidend über seinen Tagen Die letzten Strahlen untergeh’n: — Dann laß ihn, um den Rand des Erdentraumes, Das Leuchten eines Wolkensaumes Von einer nahen Sonne seh’n! III. Schlußchor aus Schillers Ode An die Freude 0 Freunde, nicht diese Töne! Sondern laßt uns angenehmere anstimmen und freudenvollere! Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum. Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt. Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt. Wem der große Wurf gelungen, Eines Freundes Freund zu sein, Wer ein holdes Weib errungen, Mische seinen Jubel ein! Ja — wer auch nur eine Seele Sein nennt auf dem Erdenrund! Und wer’s nie gekonnt, der stehle Weinend sich aus diesem Bund! Freude trinken alle Wesen An den Brüsten der Natur; Alle Guten, alle Bösen Folgen ihrer Rosenspur! Küsse gab sie uns und Reben, Einen Freund, geprüft im Tod! Wollust ward dem Wurm gegeben, Und der Cherub steht vor Gott! Froh, wie seine Sonnen fliegen Durch des Himmels prächt’gen Plan, Laufet, Brüder, eure Bahn, Freudig, wie ein Held zum Siegen. Seid umschlungen, Millionen! Diesen Kuß der ganzen Welt! Brüder, über’m Sternenzelt Muß ein lieber Vater wohnen! Ihr stürzt nieder, Millionen? Ahnest du den Schöpfer, Welt? Such’ ihn über’m Sternenzelt! Über Sternen muß er wohnen! Freude, Tochter aus Elysium, Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt, Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt.