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862 Stahl und Eisen. Eisenhüttenwesen auf der allrussischen Gewerbe-u. Kunstausstellung. 1. November 1896. Der Privatpavillon der Malzewschen Hütten* zeigt neben den Hüttenerzeugnissen auch die auf dem eigenen Werke liergestellten landwirthschaft- liehen Maschinen, vom einfachen Pfluge bis zu den complicirtesten Locomobilen. In letzter Zeit hat sich diese Gesellschaft besonders auf den Maschinenbau, Locomotiv- und Waggonbau ver legt , und sieht man ihre Erzeugnisse nicht nur im Pavillon, sondern auch in der Maschinenhalle, in welcher 2 Dampfmaschinen sowie Einrichtungen für Säge-, Mahl- und Oelmühlen ausgestellt sind. Auch in der Eisenbahnhalle hat sie Pferdebahnwagen, vierachsige Personen- und Güterwagen, sowie eine Locomotive ausgestellt. Zu erwähnen ist endlich die in gröfserem Mafsstabe betriebene Herstellung von Geschirrgufs, welcher anderwärts schon längst von emaillirtem Blechgeschirr verdrängt wurde. Auch die übrigen Firmen des Moskauer Be zirks scheinen ihr Hauptaugenmerk der Weiter verarbeitung ihrer Hüttenerzeugnisse zugewendet zu haben. So gehört zu den Haupterzeugnissen der Moskauer Metallfabrik Eisenbahnmaterial, mit Ausnahme von Schienen- und Brückenbau material. Daneben besitzt jenes Werk eine grofse Drahtzieherei, welche u. a. auch Drahtseile von 150 bis 180 kg Tragfähigkeit a. d. qmm aus gestellt hat. Zu erwähnen ist ferner die Er zeugung von Drahtfedern, Nieten, Stiften, Schrauben, Ketten, Muttern, Bolzen und Telegraphenhaken. Endlich müssen wir noch der in Bufsland rühm lichst bekannten Werke der Gesellschaft Kolomna gedenken, zu welchen auch die be kannte Kulebakihütte gehört. Dieses von dem bekannten Ingenieur Struve begründete Werk stellt einige Locomotiven und Eisenbahn wagen eigener Bauart aus, welche nicht nur ein vollendetes Aeufseres aufweisen, sondern auch in Bezug auf Leistungsfähigkeit die Aufmerksamkeit vieler Fachleute auf sich zogen. Besonders fällt eine fünfachsige Locomotive nebst Tender für Schnellzüge auf. Eine besondere Specialität bilden die Wagen für Schmalspurbahnen. Diese Ge sellschaft hat auch den Anstofs gegeben zur Gründung der „ ersten Gesellschaft schmalspuriger Bahnen“, die in den letzten zwei Jahren einige Hundert Kilometer solcher Bahnen gebaut hat; sämmtliche Betriebsmittel sind Erzeugnisse des Kolomnawerkes. Was das Eisenmaterial, als solches, betrifft, so macht sich auch hier die allgemeine Ver * Es macht einen etwas sonderbaren Eindruck, dafs in diesem Pavillon auch viele Glasgegenstände zur Schau gestellt sind. Da das Werk aber die besten Rohmaterialien für diese Fabrication besitzt, wie Quarz sand, Kalk u. s. w., so hat die Verwaltung längst grofse Glashütten hierselbst angelegt; das Malzewsche Krystallglas, vom einfachsten Glas bis zum theuersten Service ist in Rufsland weit verbreitet, und bestätigt auch die Ausstellung sowohl die vorzügliche Be schaffenheit des Materials, als auch die kunstvolle Ausführung der Arbeiten. — drängung des Schweifseisens durch das Flufseisen bemerkbar; besonders beweisend dafür sind die folgenden Zahlen. Während die jährliche Pro duction an Schweifseisen von 4 auf 3 und 21/2 Millionen Pud fiel, ist die Flufseisenerzeugung von 2 auf 3, 4 und 5 Millionen Pud gestiegen. Im ganzen Bezirk sind 60 Puddelöfen und 50 Schweifs öfen vorhanden. Die Anzahl der Martinöfen beträgt einige zwanzig; aufserdem besitzt die Brjansk hütte 2 Bessemerbirnen. Hinsichtlich der Be schaffenheit des Materials entsprechen diese An lagen allen Anforderungen der modernen Technik. Schwarzbleche sind liier fast gar nicht zu sehen, dagegen sind Materialien für den Dampf kessel- und Brückenbau stärker vertreten. Die Gesammterzeugung besteht etwa aus: 30 % Form- und Flacheisen, 22% Radreifen, 12% Kessel bleche und 10 % Schienen. III. Südrufsland. Ural und Südrufsland, das sind die beiden Goncurrenten auf dem Gebiete der Eisenindustrie. Weder die Ausstellung, noch die Statistik kann entscheiden, wer die Oberhand gewinnen wird. Zwar ist der Ural der dem Zukunftsplatz der Eisenverwendung zunächst gelegene Punkt, seine Reichthümer an Erz und Brennstoff sind gewaltig, seine Erzfördernng ist heute noch 11/2 mal so grofs, als die Südrufslands, er besitzt einen Stamm geschulter Hüttenarbeiter und die Regierung ist eifrig benüht, ihn nach Westen und Osten mit Verkehrsmitteln zu versehen — und doch bedroht diesen lebenszähen, rüstigen, uralischen Hütten greis der immer kräftiger sich entwickelnde süd russische Hüttenjüngling, welcher, mit seltener Kraft, Energie und Hülfsmitteln ausgerüstet, durch die Erfahrung Anderer belehrt, berufen erscheint, dereinst der an die Spitze des Eisenwesens tretende Hüttenmann zu werden. Die Technik des südrussischen Gebietes ist die jüngste, aber ohne Zweifel die beste, was damit zu erklären sein mag, dafs die Unternehmer, ehe sie in die dortigen günstigen hüttenmännischen Verhältnisse kamen, in anderen Ländern fachmännische Er fahrung gesammelt hatten. Die hiesigen Erze sind lauter hochprocentige Roth- und Brauneisenerze, sowie Magneteisensteine. Hier liegt das bekannte „Krivoi-Rog-Erz", von dem die Krivoi - Rog - Actiengesellschaft 180000 t, die südrussische Dnjepr-Gesell- schäft 140000 t, Brjansk 60000 t u. s. w. fördern, so dafs in 15 Gruben etwa 600 000 t Erz gewonnen werden. Viele Firmen haben ihre Erze nebst Analysen ausgestellt; der Eisengehalt desselben beträgt 40 bis 70%, ja das 40% enthaltende Mineral trägt nicht mehr den Namen Erz, sondern „Quarzit“. In engem Zusammenhang in Bezug auf die Ablagerungsstelle stehen die reichen Manganerze, welche von der Brjansker Gesellschaft gewonnen werden.