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die Forderung stellt, am Sonntag ausruhen zu können von einer Woche angestrengter Thätigkeit. Die Gründe, welche zur Sonntagsarbeit Ver anlassung geben, werden vielfach erörtert: im Grofsbetrieb dienen die oben unter Ziffer 1 aufgeführten Arbeiten zur Ermöglichung einer un gestörten Wiederaufnahme des Betriebs am Mon tag ; die unter Ziffer 2 und 3 erwähnten sind aus technischen Gründen nothwendig, welche in- defs nur mit Beziehung auf die einzelnen Indu striezweige dargestellt werden können. Dagegen sind die Gründe für die productive Arbeit in dringenden und unvorhergesehenen Fällen mehr allgemeiner Natur. Der Centralverband deutscher Industrieller hat als dritten Punkt seiner Resolution vom 6. Octo ber 1885 den Satz aufgenommen: „Arbeit an Sonn- und Festtagen, welche lediglich dem Zweck einer Vermehrung der regelmäfsigen Production dient, ist für unzulässig zu erachten.“ In glei cher Weise äufsert sich der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen, indem er ausführt: „Zur Frage, durch welche wirthschaftlichen oder sonstigen Gründe die Sonntagsarbeit veranlafst wird, bemerken wir zunächst, dafs wir für regelmäfsige Sonntagsarbeit, welche lediglich der Production wegen unternommen wird, also ohne dafs technische Eigenthümlichkeiten als Veranlassung angesehen werden könnten, wirth- schaftliche oder sonstige Gründe im allgemeinen nicht anerkennen.“ . . . „WirSind der Ansicht, dafs, wo nicht zwingende Gründe ausnahmsweise ein Anderes bedingen, die Production am Sonn tag zu ruhen hat. Wohl aber können besondere Fälle eintreten, welche Ausnahmen von der Regel nothwendig erscheinen lassen.“ Als solche Fälle werden von diesem Verein, sowie von zahlreichen anderen Verbänden folgende aufgeführt: Die Inanspruchnahme des Sonntags kann dadurch veranlafst werden, dafs durch vor angegangene Betriebsstörungen die gesammte Production oder ein Theil derselben in Rückstand gekommen, der für einen Auftrag bestimmte Lie- ferungstermin aber unter allen Umständen einzu halten ist; besonders trifft dies in solchen Be trieben zu, welche mit Wasserkraft arbeiten und bei dem wechselnden Wasserstand gezwungen sind, den Sonntag auszunutzen. Oder es können aus einem besonderen Anlafs dringende Bestellungen einlau fen, welche bis zu einem bestimmten Termin bei Vermeidung hoher Conventionaistrafen geliefert werden müssen. , Gerade die öffentlichen Ver waltungen“, so äufsert sich die Handelskammer Hannover, , geben nicht selten durch zu kurz bemessene Lieferungsfristen die Veranlassung zur Sonntagsarbeit.“ Inbesondere kommt die Saison arbeit in Betracht; „nach lange andauernder Ruhe in irgend einer Branche entsteht plötzlich eine lebhafte Nachfrage und es gehen Ordres ein, die XII.7 eine so schnelle Effectuirung erheischen, dafs die Ueberschreitung der Lieferfrist um einen Tag die Verweigerung der Waare und damit grofse Verluste zur Folge hat“ (Handelskammer Barmen). Aehnliche Verhältnisse werden hinsichtlich des Exportgeschäfts hevorgehoben, wo die Lieferungen in häufig kurz bemessener Frist einen bestimmten Dampfer vor Abgang zu erreichen haben, wenn nicht der ganze Auftrag verloren gehen und das Absatzgebiet der ausländischen Concurrenz zu fallen soll. Die Handelskammer für den Amts bezirk Pforzheim berichtet in dieser Beziehung: „Werden an die Leistungsfähigkeit eines Betriebs ausnahmsweise höhere Anforderungen gestellt, so mufs gesucht werden, im Interesse der Aufrecht haltung der Verbindung auch diesen nachzukom men. Ein solcher Fall wird um so eher und öfter eintreten, je bedeutender ein Industriezweig ist, zumal also, wenn er mit dem ganzen Welt markt in Verbindung steht und allen Fluctuatio- nen desselben prompte Rechnung tragen mufs. Es mufs dabei hingewiesen werden auf die oft vielleicht nicht genügend berücksichtigte Thatsache, dafs das Geschäft der deutschen Industrie nach dem Auslande, insbesondere den überseeischen Ländern, sich längst nicht mehr so gemüthlich und regelmäfsig abwickelt, wie in früherer Zeit. Den politischen Verhältnissen, den Productions- aussichten, den Handelsconjuncturen und noch vielen anderen Factoren entsprechend wechselt in den Importländern der Bedarf an Waaren in kurzen Zwischenräumen und sucht sich so schnell zu decken, als nur denkbar. Waaren, die mit heutigem Steamer in irgend einem Exportplatz mit offenen Armen empfangen werden, finden für den nächsten Steamer vielleicht keinen Markt mehr. Deshalb werden von den Importeuren kürzeste Lieferungsfristen gestellt, die eingehalten werden müssen, wenn man als leistungsfähig geltend bleiben will. Mufs zu diesem Behuf auch einmal die Sonntagsarbeit zu Hülfe genommen werden, so liegt der Gedanke der Productionsvermehrung vollständig fern; es handelt sich vielmehr um die Sicherung des Absatzez für die normale Produc tion.“ Auch die Handelskammer Chemnitz be merkt: „Im ganzen ist das Princip vorherrschend, dafs Niemand seine Bestellungen früher macht, als bis effectiver Bedarf vorhanden ist; dann sol len dieselben aber schnell gedeckt werden, so dafs zur Erledigung dringender Ordres oft die Sonntage herangezogen werden müssen, um die betreffenden Kunden zu erhalten und zufrieden zu stellen. Die leider oft eintretenden ungün stigen Conjuncturen und Stockungen in der In dustrie bringen an und für sich schon genug Feiertage mit sich.“ Des weiteren wird betont, dafs es auch unmöglich sei, vorzuarbeiten oder bei Geschäftsandrang vorübergehend mehr Arbeiter einzustellen, zumal da, wo nur eingeübte Fach arbeiter beschäftigt werden könnten, welche dann 7