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December 1887. Nr. 12. 867 STAHL UND EISEN. staates oder eines Communalverbandes beschäftigt werden, sind von der Versicherungspflicht befreit, sofern denselben durch besondere für diese Betriebe errichtete Einrichtungen für den Fall des Alters oder der Erwerbsunfähigkeit eine den nachstehenden Vor schriften mindestens gleichkommende Fürsorge gesichert ist und bei diesen Einrichtungen folgende Voraus setzungen zutreffen : a) Die Beiträge der Versicherten dürfen, soweit sie für die Alters- und Invalidenversicherung entrichtet werden, den dritten Theil des für dieselbe rech- nungsmäfsig erforderlichen Gesammtbedarfs, sowie die Hälfte der Verwaltungskosten und der Rück lagen zum Reservefonds nicht übersteigen. b) Diejenige Zeit, während welcher die bei solchen Einrichtungen betheiligten Personen vor dem Eintritt ihrer Betheiligung eine nach Ziffer 1 die Versicherungspflicht begründende anderweite Beschäftigung ausgeübt haben, ist denselben bei Berechnung der Rente in Anrechnung zu bringen, sofern die Höhe der Rente von der Zeitdauer der Beschäftigung abhängig ist. c) Ueber den Anspruch der einzelnen Betheiligten auf Gewährung von Alters- und Invalidenver sorgung mufs ein schiedsgerichtliches Verfahren unter Mitwirkung von Vertretern der Versicherten zugelassen sein. Durch Beschlufs des Bundesraths ist festzusetzen, welche Einrichtungen (Pensions-, Alters-, Invaliden kassen) den vorstehenden Anforderungen entsprechen. Den vom Bundesrath anerkannten Einrichtungen dieser Art wird ein Drittheil der von ihnen zu gewährenden Alters- und Invalidenrenten, soweit sie den Betrag der reichsgesetzlich zu zahlenden Renten nicht über steigen, aus Reichsmitteln vergütet (Ziffer 10). Denjenigen Personen, welche aus der die Bethei ligung bei solchen Einrichtungen begründenden Be schäftigung ausscheiden und in eine andere die Ver sicherungspflicht nach Ziffer 1 bedingende Beschäftigung übertreten, ist bei Berechnung der reichsgesetzlichen Alters- und Invalidenrente die Dauer ihrer Betheiligung bei solchen Einrichtungen unter Belastung der letzteren mit der antheiligen Rente in Anrechnung zu bringen. 4. Durch Beschlufs des Bundesraths kann bestimmt werden, dafs und inwieweit die Bestimmungen der Ziffer 2 Absatz 1 auf Beamte, welche von anderen öffentlichen Verbänden mit Pensionsberechtigung an gestellt sind, sowie die Bestimmungen der Ziffer 3 auf Mitglieder anderer Kasseneinrichtungen, welche die Alters- und Invalidenversorgung zum Gegenstand haben, Anwendung finden sollen. 5. Die Alters- sowie die Invalidenversorgung besteht in der Gewährung jährlicher Renten. Altersversorgung erhält ohne Rücksicht auf seine Erwerbsfähigkeit derjenige, welcher das 70. Lebensjahr vollendet hat. Invalidenversorgung erhält ohne Rücksicht auf das Lebensalter derjenige, welcher nachweislich dauernd völlig erwerbsunfähig ist. Völlig erwerbsunfähig ist derjenige, welcher in folge seines körperlichen oder geistigen Zustandes weder imstande ist, die gewöhnlichen Arbeiten, welche seine bisherige Berufsthätigkeit mit sich bringt, regel- mäfsig zu verrichten, noch durch andere, seinen Kräften, Fähigkeiten und der vorhandenen Arbeitsgelegenheit entsprechende Arbeiten den Mindestbetrag der Inva lidenrente zu erwerben. 6. Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde für ihren Bezirk oder eines weiteren Communalver bandes für seinen Bezirk oder Theile desselben kann, sofern daselbst nach Herkommen der Lohn ganz oder zum Theile in Form von Naturalleistungen gewährt wird, bestimmt werden, dafs die Rente der in diesem XII.7 Bezirk wohnenden Rentenempfänger bis zu drei Viertheilen ihres Betrages ebenfalls in Form von Naturalleistungen gewährt werde. Der Werth der letzteren ist nach Durchschnittspreisen in Ansats zu bringen. Die statutarische Bestimmung bedarf der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. Sofern eine solche Bestimmung getroffen wird, geht der Anspruch auf die Rente zu demjenigen Be trage, in welchem Naturalleistungen zu gewähren sind, auf den Communalverband über, wogegen diesem die Leistung der Naturalien obliegt. Streitigkeiten, welche hieraus entstehen, werden von der Gommunalaufsichts- behörde entschieden; gegen den Bescheid derselben findet binnen zwei Wochen nach der Zustellung das Verwaltungsstreitverfahren, oder wo ein solches nicht besteht, der Rechtsweg mittelst Erhebung der Klage statt. Von dem Uebergang des Anspruchs auf die Rente ist die mit der Auszahlung beauftragte Postanstalt durch Vermittelung der unteren Verwaltungsbehörde rechtzeitig in Kenntnifs zu setzen. 7. Versicherten, welche erweislich sich die Arbeits unfähigkeit vorsätzlich oder durch schuldhafte Betheili gung bei Schlägereien oder Raufhändeln oder durch geschlechtliche Ausschweifungen zugezogen haben, steht ein Anspruch auf Invalidenrente nicht zu. Es kann ihnen jedoch, sofern sie mindestens zehn Bei- trazsjahre hindurch Beiträge entrichtet haben, aus Billigkeitsgründen ein Theil der Rente vorübergehend oder dauernd bewilligt werden. Im Übrigen ist zur Erlangung eines Anspruchs auf Alters- und Invalidenversorgung, abgesehen von dem nach Ziffer 6 beizubringenden Nachweise des gesetzlich vorgesehenen Alters oder der Erwerbsun fähigkeit, erforderlich : a) die Zurücklegung der vorgeschriebenen Wartezeit (Ziffer 8 und 9), b) die Leistung von Beiträgen (Ziffer 10 bis 12). 8. Die Wartezeit (Ziffer 7) beträgt: 1) bei der Altersrente 30 Beitragsjahre (Ziffer 9); 2) bei der Invalidenrente 5 Beitragsjahre. Der Zurücklegung einer Wartezeit bedarf es nicht, wenn die Erwerbsunfähigkeit erweislich Folge einer Krankheit ist, welche der Versicherte bei der Arbeit oder aus Veranlassung derselben sich zugezogen hat. Solchen Personen, welche vor Ablauf der Warte zeit aus einer andern als der vorstehend angegebenen Ursache erwerbsunfähig werden, kann auf ihren An trag aus Billigkeitsgründen eine Rente bis zur Hälfte des Mindestbetrages der Invalidenrente gewährt werden, sofern sie die gesetzlichen Beiträge während mindestens eines Beitragsjahres geleistet haben. Eine solche Be willigung ist jedoch unstatthaft, insofern der Erwerbs unfähige erst zu einer Zeit, in welcher seine Erwerbs unfähigkeit bereits beschränkt war, in eine die Ver sicherungspflicht begründende Beschäftigung eingetreten ist, und Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dafs dies in der Absicht geschehen sei, um den Anspruch auf' Rente zu erwerben. 9. Als Beitragsjahr (Ziffer 8) gilt ein Zeitraum von 300 Arbeitstagen. Die innerhalb eines Kalenderjahres mehr geleisteten Arbeitstage werden bei Berechnung der Wartezeit auf das nächstfolgende Beitragsjahr in Anrechnung gebracht. Solchen Personen, welche, nachdem sie in eine die Versicherungspflicht begründende regelmäfsige Beschäftigung eingetreten waren, wegen bescheinigter Krankheit verhindert gewesen sind, diese Beschäftigung auszuüben, oder welche behufs Erfüllung der Militär pflicht in Friedens-, Mobilmachungs- oder Kriegszeiten zum Heere oder zur Flotte eingezogen gewesen sind, oder in Mobilmachungs- oder Kriegszeiten freiwillig militärische Dienstleistungen verrichtet haben, werden 6