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866 Nr. 12. STAHL UND EISEN.“ December 1887. das finanzpolitische Bedenken entgegen, dafs die Anlegung so beträchtlicher Summen den Kurs der Werthpapiere steigern und den Zinsfufs in bedenklicher Weise herabdrücken würde. Auch die Gefahr von Kapitalverlusten, welche dann wieder durch aufserordentliche Mittel ersetzt werden müfsten, wäre nicht ausgeschlossen. Hiernach empfiehlt es sich, den Reichsbeitrag in Form der jährlichen Umlage des Bedarfs aufzubringen. Dabei wären nach überschläglicher Berechnung im ersten Jahre etwa 800 000 •(6, nach 20 Jahren der Jahresdurchschnitt von 52 Mill. Mark, im Beharrungszustande (nach etwa 70 Jah ren) der doppelte Jahresdurchschnitt erforderlich. So belastend diese Steigerung für den Reichs haushalt sich auch erweisen mag, so dürfte sie doch gegenüber den Nachtheilen, welche mit der Ansammlung der Reichsbeiträge verknüpft sein würden, als das kleinere Uebel erscheinen. Für die Erhebung der Beiträge der Arbeit geber und Arbeiter empfiehlt sich das Marken system. Nach demselben geben die einzelnen Versicherungsanstalten Marken aus, welche sich untereinander durch die Bezeichnung und die Ordnungsnummer der einzelnen Anstalten unter scheiden. Derjenige, welcher Beiträge zu ent richten hat, kauft einen entsprechenden Betrag an Marken und klebt dieselben in ein Quittungs buch ein. Der Arbeitgeber zieht die Hälfte des entwertheten Betrages von seinen Arbeitern bei der Lohnzahlung ein. Sobald die Quittungs bücher voll sind, werden sie durch Behörden aufgerechnet und dabei wird festgestellt, wieviel Beiträge an die einzelnen Versicherungsanstalten im Laufe der einzelnen Jahre entrichtet sind. Eine Nachweisung hierüber wird dem neuen Quittungsbuch vorgetragen; die alten Quittungs bücher dagegen werden geschlossen und bis auf weiteres asservirt. Die Quittungsbücher bilden einen Nachweis über den Betrag der von dem Inhaber zu den einzelnen Versicherungsanstalten entrichteten Beiträge, beziehungsweise über die Höhe seines Anspruchs und die Belastung der Versicherungsanstalten. Der Verlust eines Quit tungsbuchs kann den verlierenden Arbeiter nur für kurze Zeit schädigen, da für die Vorjahre der Gesammtbetrag der in denselben geleisteten Beiträge und damit die Höhe des Anspruchs des Arbeiters aus den asservirten älteren Büchern sich ergiebt. Die Zahlung der Renten kann, wie bei der Unfallversicherung, die Post vermitteln; die Festsetzung der Renten dürfte vorbehaltlich der Beschwerde an das Schiedsgericht und des Recurses an das Reichs- (beziehungsweise Landes-) Versicherungsamt den Organen der Ver sicherungsanstalten obliegen. Um jedoch das Reichs- (beziehungsweise Landes-) Versicherungs amt thunlichst zu entlasten, wird es sich em pfehlen, den Recurs an dasselbe nur in solchen Fällen zuzulassen, in denen nach §§511 ff. der Civilprocefsordnung die Revision an das Reichs gericht eingelegt werden darf, d. h. bei Gesetzes verletzungen, nicht aber auch dann, wenn es sich lediglich um Thatfragen handelt. Dem Arbeiter, welcher so erhebliche Beiträge entrichtet, mufs auch eine ausgiebige Vertretung seiner Interessen ermöglicht werden. Es sind daher den für die Berufsgenossenschaft bestellten Vertretern der Arbeiter weitergehende Rechte bei der Verwaltung der Invalidenversicherungsanstalt einzuräumen, aufserdem aber noch besondere ört liche Vertrauensmänner der Arbeiter zu bestellen, wie dies in den Ziffern 23 bis 25 der Grundzüge näher ausgeführt ist. Grundzüge zur Alters- und Invaliden-Versicherung der Arbeiter. I. Umfang und Gegenstand der Versicherung. 1. Gegen die Erwerbsunfähigkeit, welche infolge von Alter, Krankheit oder von nicht durch reichsge setzliche Unfallversicherung gedeckten Unfällen eintritt, werden nach Mafsgabe der nachfolgenden Bestim mungen versichert: a) Personen, welche als Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge oder Dienstboten gegen Lohn oder Ge halt beschäftigt werden; b) Betriebsbeamten sowie Handlungsgehülfen und Lehrlinge einschliefslich der Geholfen und Lehr linge in Apotheken, deren durchschnittlicher Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt 2000 nicht übersteigt, sowie c) die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Personen der Schiffsbesatzung deutscher Seefahrzeuge. Durch Beschlufs des Bundesraths kann die Be stimmung des Absatzes 1 auch auf selbständige Ge werbetreibende der Hausindustrie erstreckt werden. Durch Beschlufs des Bundesraths kann ferner bestimmt werden, dafs und inwieweit diejenigen Gewerbetrei benden , in deren Auftrag und für deren Rechnung von Hausgewerbetreibenden gearbeitet wird , als bei tragspflichtige Arbeitgeber der letzteren und ihrer Geholfen, Gesellen und Lehrlinge gelten sollen. 2. Auf Beamte des Reichs und der Bundesstaaten, sowie auf die mit Pensionsberechtigung angestellten Beamten von Gommunalverbänden finden diese Be stimmungen keine Anwendung. Dasselbe gilt von solchen Personen, welche vom Reich, einem Bundesstaate oder einem Communal- verbande Pensionen oder Wartegelder im Betrage von jährlich 120 •K oder mehr beziehen, oder welchen auf Grund der reichsgesetzlichen Unfallversicherung der Berzug einer jährlichen Rente von mindestens dem selben Betrage zusteht. Jedoch bleiben denjenigen Beamten (Absatz 1), welche vor ihrer Anstellung nach den Vorschriften der Ziffer 1 der Versicherungspflicht unterworfen waren, die aus diesem Verhältnisse sich ergebenden Ansprüche auf Alters- und Invalidenversorgung so lange Vorbe halten, bis sie entweder einen gesetzlichen Anpruch auf Pension erlangt haben, oder bis ihnen eine Pension im Mindesbetrage der Invalidenrente von der zustän digen Dienstbehörde bewilligt ist. 3. Andere als die unter Ziffer 2 erwähnten Per sonen, welche in Betrieben des Reichs, eines Bundes-