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Die Eisenindustrie in Italien. (Hierzu Blatt XXXIII.) Schon früher haben wir in dieser Zeitschrift der Bestrebungen gedacht, welche sich bei der italienischen Nation geltend machen, um sich in ihrem Bedarfe an den Erzeugnissen des Eisen- und Stahlgewerbes vom Auslande unabhängig zu machen. Gerade in jüngster Zeit ist daselbst in dieser Richtung viel geschehen und sind es namentlich zwei Werke, welche unsere Aufmerk samkeit auf sich ziehen, nämlich das vielgenannte Stahlwerk von Terni und das Puddel- und Walzwerk von Tardy & Benech in Savona. Eine Beschreibung beider Werke wird daher unseren Lesern nicht unwillkommen sein. Wir beginnen mit dem Eisenwerke Tardy & Benech in Savona, als Quelle unserer Mittheilung die »Revue Universelle des Mines u. s. w.,« Bd. XXII, No. 1 benutzend. Die genannte Firma hatte schon im Jahre 1861 auf der kleinen Halbinsel, welche den Hafen der alten Stadt Savona bildet, ein Schweifs- und Walzwerk errichtet. Durch Veränderungen in der Hafenanlage wurde eine Verlegung bezw. ein Neubau des Werkes nothwendig, zu welchem die Ausarbeitung der Pläne im Jahre 1880 dem belgischen Ingenieur Gyriaque Helson übertragen wurden. Die neue Hütte sollte eine Giefserei, Schweifsöfen und Walzwerke erhalten, um L- Träger. U-Eisen, Rund- und Quadrateisen und Bleche herzustellen; gleichzeitig wurde auch die Errichtung eines Puddelwerkes in Aussicht genommen, weil die Schwierigkeit, sich genügende Mengen alter Eisenschienen zu verschaffen, täglich wuchs. Eine eingehende Beschreibung der gesammten Anlage, bei welcher ein deutsches Werk interessirt sein wird, dürfte um so willkommener sein, als sie uns über die Gesichtspunkte, welche der belgische Hütteningenieur bei einer derartigen Neuanlage heute einnimmt, unterrichtet. Die Hütte liegt an der Küste des mittel ländischen Meeres in einer Entfernung von etwa 40 km von Genua, sie ist durch einen,Arm mit dem neuen Hafen von Savona, der sich zu einem der wichtigsten italienischen Häfen für englische Kohle emporgeschwungen hat, verbunden und hat Anschlufs an die oberitalienische Eisen bahn. Die ligurischen Hüttenwerke liegen alle längs der Küste von Genua bis Savona; sie arbeiten unter besonderen Umständen, indem sie fast aus- schliefslich altes Eisen, namentlich alte Eisenbahn schienen, verarbeiten, das nicht nur von Italien, sondern auch vom Auslande und namentlich von der Levante herkommt. Als Brennmaterial wird englische Kohle be nutzt, die man infolge des fast ausschliefslichen Seetransports billig erhält. Die dortige Eisen industrie hat ihre Production, welche im Jahre 1874 nicht mehr als 15 000 t Eisen betrug, auf jährlich 80 000 t Eisen und 20 000 I Siemens- Martinstahl gesteigert; die Qualität ist im allge meinen eine ordinäre und jedenfalls derjenigen der in den italienischen Alpenländern gefertigten Producte unterlegen. Der Hafen von Savona ist mit hydraulischen Krahnen eingerichtet, welche zur Ausladung der Kohlen und des alten Eisens dienen. Von letzterem gebraucht die Hütte jährlich ungefähr 50 000 t, da sie bei einer Production von 40 000 t mit dem beträchtlichen Abbrande von 15 bis 20 % rechnen mufs. Das alte Eisen wird bereits vom Verkäufer bis zu einem gewissen Grad sortirt, weil gewisse Arten, z. B. Abfälle von dünnem Blech, Draht u. s. w. nicht angenommen werden. Die Schrott haufen für die gewöhnliche Schweifseisen-Qualität werden in 2 Hauptabtheilungen eingetheilt, von denen die eine alte eiserne Schienen, alte Eisen- constructionen u. s. w. und die andere Qualitäts eisenabfälle enthält. Namentlich gesucht ist solcher Schrott, welcher von der Marine, der Artillerie und den Eisenbahngesellschaften kommt. Letzterer bildet die Blume der Abfallhaufen und werden die Stücke meist zur Bildung der Decken lage der Pakete verwendet. Während die Kohle in der Abtheilung L (vergl. Blatt XXXIII) abgeladen wird, ist J der Hof für das Schrotteisen. Derselbe ist thatsächlich ein Kirchhof der gesammten europäischen Eisen industrie. Man sieht dort Trümmer von Dampf kesseln, alte Eisenbahnschienen aus Belgien, England und Spanien, ägyptische Kanonen, Kanonenkugeln, Querschwellen, Reste von Schiffs wracken u. s. w. u. s. w. Die grofsen Stücke werden theils mit Dynamit zersprengt, theils unter dem grofsen Fallhammer G zerschlagen. Namentlich seit den Jahren 1883 bis 1884 hat das Hüttenwerk eine bedeutende Entwicklung zu verzeichnen gehabt, so dafs es dort gegenwärtig den ersten Rang in bezug auf die Fabrication von Handelseisen und Blechen einnimmt. Das der Hütte gehörige Terrain umfafst 32 700 qm, von denen 20 000 qm überdacht sind, während die Belegschaft 1200 Köpfe und die Anzahl der zur Verfügung stehenden HP 1200 beträgt. Die jährliche Production an Gufseisen zweiter Schmel zung beträgt 1200 t, an Schmiedestücken 200 t, an Walzeisen 40 000 t und an Stahl 20 000 t.