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92 Nr. 2. «STAHL UND EISEN.“ Februar 1887. Aetzfigur war fast genau dieselbe geblieben auf diesem Querschnitt wie auf demjenigen in Fig. 4, hier und da etwas verschoben durch das gleichzeitige Recken auf dem verminderten Durchmesser. Sämmtliche Stücke und Ausschnitte waren vor dem Durchhobeln auf der oberen Seite in einer Längslinie durch Körner gezeichnet worden, um deren gegenseitige Lage, nach der Bearbeitung in allen Stadien, wieder feststellen zu können. Wurde nun aus dem rundgeschmiedeten Theil des Bohrmeifsel-Stabes ein Stück zu einem Meifsel ausgereckt und dessen Schneide nach der Linie G 1 D 1 Fig. 5 gelegt; so kamen in die Ecken des Schneidenrandes die dichteren Theile bei C 1 und D 1 , dagegen in die Mitte des Schnei denrandes der innere weichere Theil, der Kern des Stabes zu liegen, wie Fig. 6 andeutet. Sobald dieser Meifsel gehärtet und angelassen war, um damit zu arbeiten, zeigte sich die Erscheinung, worüber am Gotthard wie auf dem Stahlwerk in Westfalen geklagt worden war. Zeigte sich die Mitte der Meifselschneide hart, so waren die Ecken zu hart und sprangen aus. Waren jedoch die Ecken richtig hart und hielten Stand, so ging die Mitte der Schneide bald oder gleich sofort um, weil da der Stahl weicher geblieben war. Die ungleiche Dichtigkeit im Stahl, durch unrichtige Schmiedeweise hervorgerufen, zeigte sich als die Ursache der mangelhaften Eigenschaften dieses Stahles, wenn die Meifselschneide nach dieser Richtung G 1 D 1 oder um 90° verdreht lag, überhaupt die Schneidenecken in den Zonen der dichteren Stellen sich befanden. Wurde dagegen ein Stück aus dem rund geschmiedeten Theil des Stahlstabes zu einem Meifsel ausgereckt und die Schneide nach der Linie A 1 B 1 Fig. 5 oder um 90° verdreht gelegt, so dafs in dem Rande der Schneide sowohl an den beiden Ecken wie in der Mitte ein gleichmäfsig dichtes Material lag; so erschien auch bei dem darauf folgenden Härten und Anlassen des Meifsels die Schneide überall gleich hart. Die diesfallsigen Versuche zeigten die ganze Folgerichtigkeit aus diesen Beobachtungen der Politurschliffe und Aetzfiguren. War der Meifsel zu weich geworden beim Anlassen, so stand die Schneide nicht, sondern ging gleichmäfsig überall um bei der Benutzung. War dagegen der Meifsel beim Anlassen zu hart gemacht, so dafs die Ecken aussprangen beim Gebrauch, so sprang auch die Mitte der Schneide gleichzeitig aus oder umgekehrt. War die Härtung, der Stahlqualität entsprechend, richtig ausgefallen, dann stand die Schneide überall, sowohl in der Mitte wie an den Ecken gleichmäfsig gut bei der Bohrarbeit. Die mir gestellte Aufgabe war somit gelöst unter Zuhülfenahme dieses Verfahrens. Es wurde nun Ordre gegeben, dafs die Stahlblöcke für diesen Zweck nicht mehr viereckig hergestellt, sondern in Goquillen mit innerem kreisförmigen Querschnitt, also cylindrisch rund ge gossen wurden, und aus diesen wurden direct die runden Stäbe, ohne Aenderung des Querschnitts während des Schmiedens und Reckens, für die Bohrmeifsel hergestellt. Man konnte an diesen Stäben die Schneiden legen nach allen Richtungen, wie der Meifsel dem Schmied gerade in die Hand kam. Immer zeigte sich die Schneide bei richtiger Härtung in allen Theilen an allen Stellen gleich hart. .Es lag auf der Hand, für Vierkantstahl die viereckigen Goquillen beizubehalten; da gegen erscheint es geboten, für Sechskant- und Achtkant-Stahl auch entsprechend geformte Goquillen zu benutzen. Jedoch mufs beim Schmieden der Blöcke zu Stäben die primitive Form bis zur voll ständigen Ausreckung derselben möglichst genau und ohne Verdrehung beibehalten werden. Hier mit war von mir der erste Anfang gemacht (1874/75) zu diesen Arbeiten, deren Fortsetzung Sie heute in den vergröfserten mikroskopischen Bildern gesehen haben. Ich meine, ich sähe Hrn. Geheimrath Wedding in seiner Wohnung in Berlin noch vor mir stehen, als ich ihm im Winter 1875/76 die betreffenden Stücke aus dem bezeichneten und beschriebenen Probeblock, von welchem ich die Stücke auch hier bei mir habe, vorlegte, und er klärte ihm dann unter der Lupe die Aetzfiguren und die davon gemachten Naturselbstdrucke, ebenso von Puddelstahl und Schweifseisen. Da sprach Hr. Wedding es aus: Es sei dies das erste Mal, dafs er solche Arbeiten sehe, und freue er sich über die Richtigkeit der daraus ge zogenen Schlüsse. Auf diesem Wege würde über die Constitution von Eisen und von Stahl noch mancher Aufschlufs zu gewinnen sein. Ich möge nur ja weiter arbeiten.* Die heute gesehenen wunderschönen Bilder, welche Hr. Geheimrath Wedding uns zeigte, haben in mir die Lust zu weiteren Forschungen nur noch vermehrt. (Beifall.) * Jene Untersuchungen habe ich damals und bis in die neueste Zeit fortgesetzt und noch viel wichtigere Aufschlüsse erhalten, z. B. derzeit über die Herstellung von Rund- und Flachstahl für Draht zu den Spiral federn für unsere Zündnadelgewehre und für Eisenbahn-Bufferfedern; neuerdings über die Ursachen der Verminderung der Festigkeit verschiedener Sorten von Schweifseisen und von Stahl beim Erhitzen derselben auf verschiedene höhere Temperaturen. Damals machte ich wirkliche Dünnschliffe bezw. mikroskopische Untersuchungen ähnlich wie bei Mineralien, über die Zusammensetzung gebrauchter haltbarer und nicht haltbarer Gufsstahltiegel, deren Bestandtheile gleiche chemische Zusammensetzung hatten. Dabin gehört auch meine umfangreiche Arbeit, welche unter der Rubrik: Kleinere Mittheilungen S. 530 der Verhandlungen