Volltext Seite (XML)
Die vorstehenden Ausführungen hatten wir am 22. d. M. unmittelbar vor Schlufs der Re daction dieses Heftes niedergeschrieben, als uns die Zeitungen die Nachricht brachten, die Ar beiter beständen »wegen Wortbrüchigkeit der Zechenverwaltungen« auf neuen Verhandlungen, die zu führen Herr Dr. Hammacher ins Kohlen revier herübergekommen sei. Zur Vervollständigung des actenmäfsigen Mate rials tragen wir daher hier nach, dafs diese erneuten Verhandlungen seitens des »Vereins für die bergbaulichen Interessen« nachfolgende Er klärung veranlafsten: „Es ist den Feinden des Friedens zwischen Arbeitern und Arbeitgebern leider gelungen, be sonders im Gelsenkirchener und Dortmunder Revier, die mühsam erreichte und von allen Seiten freudig begrüfste Verständigung in Frage zu stellen. Den Zechenverwaltungen wird Wortbrüchig keit vorgeworfen, ohne dafs, abgesehen von ganz vereinzelten, der Aufklärung noch bedürftigen oder bereits widerlegten Fällen, angegeben wäre, auf welchen Zechen und in welchen Punkten der Essener Erklärung vom 18. d. M. nicht ent sprochen sei. Dagegen haben Bergleute mehrerer Gruben die Arbeit mit dem Verlangen wieder verlassen, dafs die achtstündige Schicht auch die Zeit der Ein- und Ausfahrt in sich schliefsen müsse. Sie setzen sich durch diese ganz un erfüllbare Forderung in Widerspruch mit der klaren Bestimmung der Essener Erklärung vom 18. d. M., welche in der Versammlung der Ver treter der Bergleute zu Bochum am 19. d. M. rückhaltlos anerkannt wurde. Trotzdem erklärt sich der unterzeichnete Vorstand bereit, jede Beschwerde, welche bei ihm wegen Nichtinne haltens der Essener Erklärung vom 18. d. M. eingehen sollte, einer gewissenhaften Prüfung zu unterziehen und bietet erforderlichenfalls seine Vermittlung zur ungesäumten Abhülfe an. Der selbe steht nach wie vor unentwegt auf dem Boden seiner Erklärung vom 18. d. M. und wird alle darin gegebenen Zusagen getreulich erfüllen, wird sich indessen in keinem Punkte zu weiter gehenden Zugeständnissen bestimmen lassen. Im Interesse des Friedens und des Wohl ergehens Aller und eingedenk der Ermahnungen unseres erhabenen Kaiserlichen Herrn, fordern wir die noch ausstehenden Bergleute dringend auf, die Arbeit wieder aufzunehmen. Zu den zur Arbeit zurückgekehrten Bergleuten haben wir das feste Vertrauen, dafs sie sich durch nichts von dem Wege des Friedens und treuer Pflicht erfüllung werden drängen lassen. Dortmund, den 23. Mai 1889. Der Vorstand des Vereins für die berg baulichen Interessen im Oberbergamts bezirk Dortmund.“ Die Vertreter der Ausständigen erklärten sich darauf bereit, in einer am 24. Mai nach Bochum zu berufenden Versammlung auf den Boden des Essener Protokolls sich stellen und zur Wieder aufnahme der Arbeit mahnen zu wollen; dies geschah aber nicht, im Gegentheil sprachen sie meist gegen den Friedensschlufs und für die Wiederaufnahme des Striks. Das Ergebnifs der aufserordentlich stürmischen, in den gehaltenen Reden durchaus den Charakter einer socialdemo kratischen tragenden Versammlung war der aller dings mit geringer Mehrheit gefafste Beschlufs, von Montag, den 27. d. M., ab die Arbeit überall niederzulegen. Erfreulicherweise sind aber die Bergleute in ihrer Mehrzahl diesem Beschlufs nicht nach- gekommen, und so kann, während wir dies schreiben (28. Mai), der Arbeiterausstand als ge brochen angesehen werden. Auch auf denjenigen Zechen, auf welchen die Belegschaften zur Zeit noch nicht wieder angefahren sind, dürfte dies in Kürze der Fall sein, um so mehr, als durch die inzwischen erfolgte Verhaftung des gesammten Strike-Comites eine Beeinflussung der sich in ihrer überwiegenden Mehrheit längst nach der Wieder aufnahme der Arbeit sehnenden Bergleute durch die Agitatoren unmöglich gemacht worden ist. Das Actenmaterial des Strike-Comites, welches bei der Verhaftung des letzteren mit Beschlag belegt worden ist, wird für die Entstehungs ursachen dieses Arbeiterausstandes interessante Beiträge liefern und, wie uns nicht zweifelhaft ist, den Beweis erbringen, dafs von vornherein socialdemokratische Elemente ihre Hand im Spiele hatten. Das wird nachher auch derjenige Theil unserer deutschen Presse, welcher die Social demokratie zu bekämpfen vorgiebt, in den jüngst vergangenen Tagen aber nicht genug gegen die »Kohlenjunker« und »Zechenbarone« zu hetzen wufste, beschämt eingestehen müssen. Voraus gesetzt, dafs diesem Theil der Presse nicht schon heute das Gefühl für Scham und offenes Ein- geständnifs eines Irrthums abhanden gekommen ist. Dr. W. Beumer.