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gleichbedeutend mit Reichs-und Vaterlandsfeind. Merke Ich daher, dafs sich socialdemokratische Tendenzen in die Bewegung mischen und zu ungesetzlichem Widerstande anreizen, so würde Ich mit unnachsichtlicher Strenge einschreiten und die volle Gewalt, die Mir zusteht — und dieselbe ist eine grofse — zur Anwendung bringen! Fahret nun nach Hause und über legt, was Ich gesagt habe. . Suchet auf eure Kameraden einzuwirken, dafs dieselben zur Ueberlegung zurückkehren. Vor Allem aber dürft ihr unter keinen Umständen solche von euren Kameraden, welche die Arbeit wieder aufnehmen wollen, daran hindern.“ Nachdem der Kaiser den nochmaligen Dank für die gewährte Audienz entgegengenommen hatte, wurde die Deputation entlassen. Der Aufforderung Sr. Majestät gemäfs hatte sich am 15. Mai auch eine Abordnung der Bergwerksbesitzer nach Berlin begeben und fand der Empfang derselben am 16. Mai statt. Es erschienen der Reichstags- und Landtags abgeordnete Dr. Hammacher, der Geheime Commerzienrath Haniel, Bergrath von Velsen und Bergassessor Generaldirector Krabler. Bei der Audienz zugegen war der Minister des Innern, Hr. Herfurth. Hr. Dr. jur. Hammacher als Vorsitzender des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund sprach zunächst dem Kaiser ehrfurchtsvollen Dank für die Bewilligung der Audienz sowie für den Schulz aus, den die Königliche Staatsregierung dem vom Massenstreik der Bergleute erfafsten Theile des. niederrheinisch-westfälischen Industriebezirks habe zu theil werden lassen. Indem Hr. Dr. Hammacher dem sehnlichsten Wunsche der Bevölkerung Ausdruck gab, bald wieder zu geordneten Ver hältnissen in den dortigen Arbeitszuständen zu gelangen, bemerkte er: „Wir glauben, dafs die Arbeitgeber durch die öffentliche Erklärung des Vorstandes des Vereins vom 11. Mai ein weitgehendes Ent gegenkommen zum Zweck der Herstellung friedlicher Verhältnisse bethätigt haben. Nach gewissenhafter Untersuchung sind wir als ehr liche Männer zur Ueberzeugung gekommen, dafs ein wirklicher Grund zu der jetzt ein getretenen Benutzung des Coalitionsrechts seitens der Arbeiter selbst, abgesehen von der un gesetzlichen Form, in der dieselben sich dieses Rechtes bedienten, nicht vorlag. Von den Forderungen der Arbeiter halten wir die auf Erhöhung der Löhne gerichtete für eine solche, zu deren Erreichung es der Arbeitseinstellung nicht bedurfte. Sachkundige wissen, dafs die Bergarbeiter auch ohne die Arbeitseinstellung bei fortgesetzt günstiger Entwicklung der Kohlen preise in den Genufs höherer Löhne gelangen werden. Die zweite bedeutungsvolle Frage betrifft die Länge der Arbeitszeit. Nie mand wird aber sagen können, dafs die bei uns eingeführte Arbeitszeit von 8 Stunden unter Tage, welche die kürzeste in allen Bergrevieren Deutsch lands ist, für die Gesundheit und die Lebens verhältnisse des Arbeiters nachtheilig sei. Viele andere kleine Klagen hätte man zweck- mäfsig auf dem Beschwerdewege an die Berg behörden und Grubenverwaltungen zu fried lichem, glücklichem Austrage bringen können. Trotzdem beschlossen wir die Zusage der Lohnerhöhung, wenn die Arbeit wieder auf genommen werden würde, obschon der Streik wie eine Fluthwelle über das Land kam und ohne Beachtung der gesetzmäfsigen Kündigungs- zeit ausbrach. Sie wurde gegeben im Bewufst- sein der ganzen Verantwortlichkeit, die heute auf den Schultern der Arbeitgeber ruht und in der Erkenntnifs der verheerenden Folgen, welche die gewaltige Arbeitseinstellung bis in die weitesten Kreise des deutschen Vaterlandes fortgesetzt steigend ausübt. Jeder Einzelne von uns bietet den feiernden Bergleuten die Hand zum Frieden. Es giebt aber eine Grenze für die Nachgiebigkeit. Diese ist gegeben durch die Pflichten, welche die Sorge für Ord nung und Sicherheit des Betriebs auferlegt. Gebe Golt, dafs der Arbeiterausstand, der in ähnlichem Umfange Deutschlands Fluren nicht heimsuchte, bald verschwinden möge.“ Kaiser Wilhelm antwortete: „Ich habe Ihnen die Audienz gestattet, weil es selbstverständlich Sache des Monarchen ist, dafs, wenn Seine Unterthanen in Streitig keiten untereinander der Verständigung bedürfen und sie sich dann vertrauensvoll an das Staats oberhaupt wenden, dann beide Parteien gehört werden. Ich habe die Arbeiter vorgestern gehört und freue Mich, Sie heute zu sehen. Was die Ursache des Streiks anbetrifft und die Mittel zur Beseitigung desselben, so erwarte Ich ein gehende Berichte Meiner Behörden. Es kommt Mir hauptsächlich darauf an, -in anbetracht der weitreichenden Schädigung der gesammten Bevölkerung, welche der Streik zur Folge hat, und nachdem ein zweiter Streik in Schlesien, übertragen aus Westfalen, im Ausbruch be griffen ist, möglichst bald dem grofsen west fälischen Streik ein Ende zu machen. Was Ich den Arbeitern gesagt, wissen Sie. Ich habe darin Meinen Standpunkt in aller Schärfe gekennzeichnet. Die Arbeiter haben Mir übrigens einen guten Eindruck gemacht. Sie haben sich der Fühlung mit der Socialdemokratie enthalten. Dafs die Worte, die Ich zu ihnen gesprochen, in den Arbeiterkreisen Westfalens Anklang gefunden, ist Mir durch Telegramm bezeugt und habe Ich Mich gefreut, dafs die Einmischungsvei suche der Socialdemokratie von ihnen mit Energie abgewiesen worden sind. Die Verhandlungen, die Sie, Hr. Dr. Hammacher,