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Mai 1889. STAHL UND EISEN. Nr. 5, 457 A vi gust IM i u fs e ii f (1828 — 1889). Am 20. März verstarb zu Essen a. d. R. ein ver dientes und angesehenes Mitglied des Vorstandes unseres »Vereins deutscher Eisenhüttenleutea, Herr August Minfsen. Geboren am 17. November 1828, war er bis vor kurzem eine fast jugendlich frische Er scheinung mit ungebleichtem vollem Haar, strammer Haltung und elastischem Gang, wenngleich er schon seit Jahren an Gichtanfällen litt, die er mit grofser Geduld trug und anscheinend leicht überwand. In letzter Zeit wiederholten dieselben sich indefs häufiger und heftiger. Am 10. Februar legte er sich, um nicht wieder aufzustehen. — Nachdem er das Gymnasium in Jever im Herzogthum Oldenburg, wo sein Vater Director der städtischen Töchterschule war, und dar auf das Polytechnikum in Hannover durchgemacht hatte, trat er im Jahre 1850 in die Praxis, zunächst in Magdeburg als Maschinenschlosser lehrling, und fand seinen Weg ohne Verbindungen und Empfeh lungen lediglich durch grofse Tüchtigkeit. Nach wenigen Jahren wurde er bei einer in Deutschland Berg bau treibenden französischen Ge sellschaft in Ruhrort angestellt, von wo ihn indefs der Vorsitzende des Verwaltungsraths, der seinen Werth erkannte, bald als Ver trauensmann in sein Bankgeschäft nach Paris zog. Hier fand Minfsen Gelegenheit, seine Ausbildung nach der kaufmännischen Seite zu er gänzen und durch Reisen in Frank reich, wie früher schon in England, später in Italien, Rufsland und Skandinavien, zu bereichern. — Im Jahre 1859 trat er in die Egell- sehe Maschinenfabrik in Berlin, wo er nach wenigen Jahren Ober ingenieur und die Seele des Geschäfts wurde, so dafs man ihn, nachdem er kurze Zeit als Director der Nering - Bögelschen Werke in Ysselburg thätig gewesen war, im Jahre 1871 an die Spitze der aus den Egellschen Werken inzwischen gegründeten Actien- gesellschaft berief. Im Laufe der Zeit ergaben sich indefs Meinungsverschiedenheiten über die Geschäfts führung, und Minfsen, der ein sehr bestimmtes Ge fühl für die eigene Verantwortlichkeit hatte, stand nicht an, seine gut dolirte Stellung 1874 aufzugeben, obwohl er Haupt einer zahlreichen Familie und durch Vermögen keineswegs unabhängig war. — Indefs nicht lange sollte er feiern. Der Geheime Commerzienrath Alfred Krupp war auf ihn aufmerksam geworden und berief ihn in seine Essener Werke auf einen ebenso hervorragenden wie schwierigen technisch- kaufmännischen Vertrauensposten, den er bis zu seinem Tode fast fünfzehn Jahre hindurch innehatte. Was er hier geleistet, entzieht sich der Oeffentlichkeit. Aber Alle, die innerhalb seiner Zuständigkeit mit der Firma Krupp zu thun hatten, wissen, dafs Minfsen seine Stellung mit Erfolg und stets wachsendem Ein- flufs verwaltete. Aeufserlich zeigte sich das auch darin, dafs ihm vor reichlich Jahresfrist Procura ertheilt wurde. Dem Vorstande des »Vereins deutscher Eisen hüttenleute«, dem er seit der Gründung des Vereins angehörte, war er ein stets rath- und thatbereites Mitglied; der »Verein deutscher Eisen- und Stahl- Industrieller« erwählte ihn zum Delegirten für den »Centralverband deutscher Industrieller« und entsandte ihn in die wichtige, vom Eisenbahnminister berufene »Commission für Ueberwachung der Versuche mit Eisen bahnmaterialien«, sowie in die nicht minder wichtige »Ständige Commission zur Ver einbarung einheitlicher Unter suchungsmethoden bei der Prü fung von Bau- und Constructions- materialien auf ihre mechanischen Eigenschaften«. Im Jahre 1856 führte Minfsen die längst erkorene Braut als Gattin in sein Heim zu Versailles ein. Der überaus glücklichen Ehe ent sprangen acht Kinder. Aber auch harte Prüfungen blieben nicht aus. Zwei Kinder starben im zarten Alter. Einen erwachsenen be gabten Sohn und eine zur Jung frau lieblich erblühende Tochter mufsten die Eltern, tief gebeugt, ‘ ins Grab senken. Innere Fröm migkeit und die heilende Macht eines glücklichen Familienlebens erleichterte den Hinterbliebenen, dies Schwere zu tragen. Möge denselben dadurch im Sinne des so plötzlich Dahingeschiedenen auch der jetzige herbe Trennungsschmerz verklärt werden. August Minfsen war von grofser, schöner Gestalt, ausgestattet mit reichen Gaben des Geistes und Ge müths, von selbständiger Meinung und consequenter Energie, ein Mann aus einem Gufs, treu seiner Pflicht, treu vor Allem sich selbst, ein liebevoller Gatte und Vater, ein wahrer Freund seinen Freunden. Von grofser technischer, geschäftlicher und allgemeiner Bildung, mit offenem Sinn für Alles, gewann seine selbstlose und sachliche, lebens- und schaffensfreudige Persönlichkeit bei grofser Geradheit durch eine aus dem Herzen entspringende Liebenswürdigkeit, durch Humor und Lauterkeit des Charakters Alle, die mit ihm — sei es geschäftlich, sei es gesellig — in nähere Berührung traten. — So wird sein Bild unter uns fortleben. Sanft ruhe seine Asche! S. G.