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STAHL UND EISEN. Mai 1889. Nr. 5. 363 Stenographisches Protokoll der Verhandlungen über die „Vorschriften für Lieferungen von Eisen und Stahl“ auf der Hauptversammlung des »Vereins deutscher Eisenhüttenleute« vom 17. März 1889. » (Vergleiche vorige Nummer, Seite 255.) Vorsitzender Hr. Lueg-Oberhausen: M. H.! Das vor nunmehr fast 8 Jahren erschienene »Gut achten der zur Revision der Klassificationsbedingungen für Eisen und Stahl eingesetzten Commission« hat sich anerkanntermafsen als eine nicht nur für unser deutsches Eisengewerbe, sondern für die Gesammtheit der Darsteller und Verbraucher von Eisen und Stahl von unbestreitbar segensreicher Wirkung begleitete Arbeit erwiesen. Die Arbeit hat zur Verbreitung der Kenntnifs der Eigenschaften von Eisen und Stahl in weiten Kreisen beigetragen und diese namentlich darüber aufgeklärt, welche Prüfungsmethoden bei der Abnahme von Eisen und Stahl anzuwenden sind, um ein für den jeweiligen Verwendungszweck geeignetes Material zu erhalten. Mit Genugthuung kann ich in erster Linie feststellen, dafs das damalige Gutachten bahnbrechend gewesen ist, um eine Verständigung zwischen den Bahnverwaltungen und Hüttenwerken für Lie ferung und Abnahme von Eisenbahnmaterial herbeizuführen. Leicht ist es uns allerdings nicht geworden, den in dem Gutachten im Jahre 1881- von Ihnen niedergelegten Ansichten Geltung zu verschaffen, denn in der Generalversammlung vom 7. December 1884 konnte Ihnen erst die Mittheilung gemacht werden, dafs die Herbeiführung einer Einigung über die streitigen Punkte auf parlamentarischem Wege erfolglos gewesen sei, da die Ansichten über die an gutes Eisenbahnmaterial zu stellenden Anforderungen noch zu weit auseinandergingen, dafs uns daher nichts Anderes übrig geblieben sei, als der zwar langwierige, aber verlässig erscheinende Weg, durch umfangreiche Untersuchungen den Sachverhalt klarstellen zu lassen, und dafs der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten auch seine Einwilligung zu solchen Untersuchungen gegeben habe. Dieselben erstreckten sich auf eine grofse Anzahl von neuen und alten Eisenbahnmaterial stücken; die Vornahme der Proben erfolgte auf den Königlichen Versuchsanstalten in Charlottenburg unter Ueberwachung einer aus den HH. Geh. Bergrath Dr. Wedding, den Eisenbahndirectoren Wöhler und Wichert und den Hüttendirectoren Brauns und Minfsen zusammengesetzten Commission. Die nicht unbeträchtlichen Kosten sind, wie Ihnen noch erinnerlich sein dürfte, gemeinschaftlich vom Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten und dem »Vereine deutscher Eisen- und Stahlindustrieller« getragen worden. Mittlerweile sind auch diese Arbeiten zum Abschlusse gediehen, und wenn ihre Ergebnisse auch heute noch nicht veröffentlicht sind, so war ich doch schon auf der letzten Hauptversammlung in Hamburg in der Lage, Ihnen mitzutheilen, dafs die obenbezeichnete Commission sich auf dem Herrn Minister inzwischen vorgetragene Vorschläge geeinigt hat, in welchen den in unserm Gutachten aus gesprochenen Ansichten in den wesentlichen Punkten Rechnung getragen wird. Hr. Brauns wird die Güte haben, Ihnen hernach in seinem Berichte hierüber nähere Mittheilungen zu machen. Ferner ist das Gutachten von unverkennbarem Einflüsse auf die im Jahre 1886 unter Mit wirkung des Vereins vom »Verbände deutscher Architekten- und Ingenieurvereine« aufgestellten »Normalbedingungen für die Lieferung von Eisenconstructionen für Brücken und Hochbau« gewesen, ebenso auch auf die Beschlüsse der Conferenzen zu München am 22./24. September 1884 und Dresden am 20./21. September 1886 über einheitliche Untersuchungsmethoden. Angesichts der erheblichen Fortschritte und Umwälzungen, die das Eisenhüttenwesen im letzten Jahrzehnt erlebt hat, angesichts unserer wachsenden Erkenntnifs der Eigenschaften der Materialien, welche nach den verbesserten Verfahren gewonnen werden, hat der Verein indessen die Ueberzeugung gewonnen, dafs die im Jahre 1881 aufgestellte »Klassification von Eisen und Stahl« nicht mehr in allen Punkten zeitgemäfs ist, dafs die Prüfungsmethoden, welche vor 10 Jahren zweckdienlich waren, nach unseren inzwischen gesammelten Erfahrungen dies in zahlreichen Fällen heute nicht mehr sind, dafs es ferner ein verdienstvolles Werk sei, sie unseren inzwischen gewachsenen Kennt nissen anzupassen.