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April 1888. STAHL UND EISEN.® Nr. 4. 261 übersehbaren Zufallsbedürfnisse“ gegenüber be findet und nun „ganz natürlich“ den Consumenten „blechen“ läfst, indem er mit Art und Preis seiner Waare dem Rechnung trägt. Man hat zwar auch Fälle erlebt, in denen freieste Concurrenz die Preise herabgedrückt hat. Aber war diese Wirkung eine dauernde? Das eclatanteste Beispiel eines dem Consumenten zu Gute gekommenen Preisdruckes sind jene Tarif kriege gewesen, welche in England und in den Vereinigten Staaten die Eisenbahn-Compagnieen gegeneinander geführt haben. Aber endigten diese Fälle nicht stets mit dem Frieden zwischen den Concurrenten in Gestalt einer Preis- oder Tarif- coalition, welche dem Consumenten nicht nur die zeitweise genossenen Vortheile entzog, son dern auch noch recht artige Kriegskosten ihm aufzuerlegen pflegte? Jenes „nicht übersehbare Zufallsbedürfnifs“ aber, vor welches sich der Producent gestellt sieht und welches ihn zwingt, alle die Vortheile wieder einzuziehen, welche das Walten der „freien“ Concurrenz hätte dem Consumenten ge währen können, wobei dann gewöhnlich noch ein Kleines draufgeschlagen wird, dieses „nicht übersehbare Zufallsbedürfnifs“ ist aber gerade derjenige Feind, welcher am Mark unserer grofs- industriellen Entwicklung nagt. Unter Allem, was wir industrielle Krise und Handelsstockung nennen, steckt schliefslich jenes „unübersehbare Zufallsbedürfnifs“, mit dem uns die „freieste“ Concurrenz beglückt hat. Wenn nun also der Consument von den Concurrenzpreisen keinen Vortheil hat und der Natur der Sache nach dauernd auch nicht haben kann; wenn der Vermittler zwischen dem Con sumenten und Producenten, der Handel, derjenige Factor des Wirthschaftslebens, welcher so recht eigentlich der Träger der „freiesten“ Concurrenz ist und sein mufs, unter ihren „Segnungen“ zu Grunde geht; und wenn endlich die Production sich vor „unübersehbare Zufallsbedürfnisse“ ge stellt sieht, welchen Nutzen hat dann das Walten des Princips „freiester“ Concurrenz allen Factoren des Wirthschaftslebens gebracht? Und wenn nun die Grofsindustrie angefangen hat, Preiscoalitionen zu schliefsen; wenn man daran denkt, sich der „unübersehbaren Zufalls bedürfnisse“ zu entledigen und eine Regelung der Production im Wege der Selbstbestimmung an ihre Stelle zu setzen; und wenn dem gegen über von der Gefahr ge—schwatzt wird, die im Streben nach Monopolpreisen liegen soll, für den Consumenten liegen soll, dem doch die Con- currenzpreise schliefslioh keinen Vortheil gebracht haben, der aber als Producent unter ihnen leidet, wenn also diese Gefahr ein Schatten ist, dann wird freilich klar, dafs, so viele Zöpfe auch abge schnitten werden mögen, doch immer noch einige der dicksten sitzen bleiben. E. Die Lage der englischen Eisen- und Stahl industrie. Der Londoner »Economist« vom 10. März d. J. berichtet hierüber wie folgt: Seit Neujahr ist eine ungünstige Wendung auf dem englischen Eisen- und Stahlmarkt ein getreten; die Besserung, welche am Schlufs des Jahrs 1887 eintrat, hat nicht Stand gehalten. Am 24. Dec. v. J. wurde im »Economist« dar gelegt, dafs „der plötzliche Preisaufschlag bei anderen Metallen, wie z. B. bei Kupfer, Zinn und Zink, die Aufmerksamkeit des Publikums erregte; da Eisen sehr billig war, wurden auf dem Glasgower Markt Warrants in sehr bedeu tenden Posten' gekauft“. Der Preis-Aufschlag, welcher aus diesen Operationen sich ergab, zog die Aufmerksamkeit der Schiffseigenthümer auf sich, welche sich beeilten, für Verschiffungen Aufträge zu ertheilen; abgesehen von dieser Ausnahme halte der Aufschlag nur wenig neue Geschäftsabschlüsse zur Folge. Amerika trat nicht als Käufer auf; selbst für Stahlschienen, deren Preis ungewöhnlich niedrig war (4, —), zeigte sich keine gröfsere Nachfrage. Hätte da mals wirklich ein Aufschwung stattgefunden, so wären höchst wahrscheinlich auf Schienen be ¬ deutende Aufträge ertheilt worden, denn die nie drigen Preise für alle Eisenbahnmaterialien bil deten einen sehr geeigneten Anlafs für solche Operationen. Weil keine neue Nachfrage zur Befestigung der Preiserhöhung sich einstellte, und weil die Speculanten es unterliefsen, dem Markt das Eisen, welches sie gekauft hatten, zu ent ziehen , so gingen die Preise rasch zurück; schottische Roheisen-Warrants fielen von 44 sh. 11 d. im December auf 38 sh. 11 d. im Fe bruar. Es scheint demnach, als ob die Bewe gung, welche durch Speculanten Ende des v. J. in Gang gebracht war, mit einer Enttäuschung endigen werde. Dieses Resultat mufs auf den Geschäftsgang ebenso schlimm einwirken, wie es denen, welche die Hauptrolle bei jener Bewegung gespielt haben, Schaden gebracht hat. Dadurch werden Alle, welche wegen der aufserordentlich niedrigen Eisen-Preise zu kaufen geneigt waren, aus Misftrauen zurückhaltend, da sie annehmen, dafs die Preise noch billiger werden könnten. Wenn man die aufserordentlich grofsen Vor- räthe in Betracht zieht, welche gegenwärtig vor handen sind, sowie die Thatsache, dafs die Pro- IV.S 6