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Von den Wirkungen der Concurrenz. In unserer Jugend haben wir nicht anders gelernt, als dafs für das wirthschaftliche Leben freieste Concurrenz das Alleinige und nimmer Versagende wäre, welches ohne weiteres Zuthun, und namentlich ohne Eingriffe von oben herab, jede Abweichung vom juste-milieu ins Gleiche bringe. Als das „laissez aller“ die Köpfe der Politiker ebenso vollständig beherrschte wie diejenigen der Geschäftsmänner, war es ganz natürlich, wenn im volkswirthschaftlichen Katechismus als erstes und vornehmstes Gebot die freieste Concurrenz gesetzt war und wenn ganze Geschlechter mit Eifer und Ernst — aber auch ohne jeden Arg daran arbeiteten, Alles hinwegzuräumen, was dieser, im Wirthschaftsleben vermeintlich Alles regulirenden Potenz im Wege stand oder doch hätte stehen können. Nicht bestritten soll werden, dafs bei diesem Thun mancher Zopf abgeschnitten wurde, dessen Beseitigung wohlthätig wirkte. Aber wenn hierin die vollkommenste Rechtfertigung des Princips der freiesten Concurrenz von dessen Vertretern gefunden wird, so beweist das wohl nur, dafs, mögen so viel Zöpfe immer abgeschnitten werden, immer noch einige und darunter oft recht dicke sitzen bleiben. Hauptsächlich für die Consumenten sollten sich die segensreichen Wirkungen der freiesten Con- currenz ergeben, denn wenn die Producenten im Wettbewerb Aller gegen Alle um die Gunst der Consumenten rangen, dann mufste — so wollte es die Doctrin — für die glücklichen Consumenten das goldene Zeitalter billigster Preise bei höchsten Leistungen anbrechen. Damals, als die wirthschaftliche Fürsorge allein für den Consumenten eingesetzt wurde, dachte kaum Jemand daran, dafs zwar ohne Zweifel Jeder Consument ist, dafs aber auch ebenso zweifellos Jeder Producent, entweder selbst oder mit seinen Interessen in die Schicksale der Producenten verflochten ist. Freilich einige Querköpfe wollten auch da mals immer noch bezweifeln, dafs es in der Wirklichkeit auch immer so zugehe, wie es nach den vermeintlichen „Gesetzen“ des Wirth- schaftslebens hätte der Fall sein müssen, aber was hätte es verlohnt, sich mit solchen in der Erkenntnifs Zurückgebliebenen zu befassen. Einige und noch dazu unbestreitbare That- sachen existirten zwar, welche gegen die Seg nungen der freien Concurrenz zeugten, aber warum sich angesichts eines Princips mit Einzelheiten aufhalten? —- Eine solche Thatsache nun fanden wir kürzlich etwa wie folgt erzählt: Vor 15 Jahren gab es auf dem Rigi noch keine Concurrenz; damals bestand dort nur das Gasthaus Rigi-Kulm und in diesem war man trotz des Mangels an Concurrenz bei nach Schweizer Begriffen mäfsigen Preisen gut aufgehoben. Ein paar Jahre später aber hatte sich dort eine blühende Concurrenz entwickelt, die höchst ener gisch betrieben wurde, also cum lege auf Preise und Leistungen zu Gunsten der Consumenten hätte wirken müssen. Aber das Gegentheil trat ein, Alles wurde theurer und schlechter, und Jemand, dem diese Art von Wirkung der freiesten Concurrenz auffiel, dürfte nicht wenig erstaunt gewesen sein über die Auskunft, welche ihm der Director des alten Gasthauses über die Gründe dieser, der „Wissenschaft“ Hohn sprechenden Erscheinung ertheilte. Vollkommen richtig sei, so erklärte der Director, dafs weder hinsichtlich der Preise noch der Leistungen dasselbe geleistet werde, wie früher vor Eintritt der Concurrenz, dieses sei aber auch ganz natürlich. Dafs dieser Director von volkswirthschaftlicher „Wissen schaftlichkeit“ nicht viel mitbekommen hatte, ist klar. Aber weshalb in seinem Falle die freieste Concurrenz ihre Wirkungen gegen den Gonsumen ten richte, begründete er damit: Vor Eintritt der Concurrenz hätte er, „wenn auch keine genau zu treffenden, so doch starke Anhaltepunkte dafür gehabt, wie viel Fremde eintreffen würden“ — volkswirthschaftlich ausgedrückt also, wie stark Consum und Nachfrage sein würden. Jetzt aber mit der Concurrenz stehe man „einem im Voraus nicht zu übersehenden Zufallsbedürfnisse gegen über und müsse sich mit der Art der Vorräthe und den Preisen darauf einrichten“; volkswirth schaftlich ausgedrückt befand sich also beim Walten der Concurrenz der Producent einer un bekannten Gröfse des Consumbedarfs gegenüber und die Consumenten mufsten daher „blechen“. In dieser Geschichte vom Rigi steckt ein gut Stück volkswirthschaftliche Wissenschaft. Aber man könnte einwenden, was beweist denn eigent lich dieser eine Fall, der noch dazu von den höchsten Bergen hergeholt ist. Im Gegentheil — so werden die Propheten der „freiesten“ Concurrenz behaupten — dieser Fall beweist für uns, denn die Regel wird durch die Ausnahme bestätigt. Also es wäre eine Ausnahme, dafs die Gon- currenz sich in ihren Wirkungen gegen den Consumenten wendet? Wo aber wäre wohl die Concurrenz freier und ausgiebiger entwickelt, als in unserer Reichshauptstadt, in Berlin? Es gab nun eine Zeit, Berlin war damals auch schon „Grofs- und Weltstadt“, in welcher man für jedes Bedürfnifs auf einen kleinen Kreis