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April 1888. ,STAHL UND EISEN.* Nr. 4. 251 wilz) bestehen die Koksgase der oberschlesischen Hochöfen im Mittel aus: 60 % Stickstoff 9 „ Kohlensäure 8 » Wasserdampf 23 » Kohlenoxyd dem Gewichte nach. Die Hochöfen der Friedenshütte blasen graues Bessemer-Roheisen, die Gase (Gichtgase) sind nach uns gewordenen Mittheilungen besonders reich an Kohlenoxyd und arm an Kohlensäure. In dem Journal „Gewerbehygieine" spricht Dr. Eulenburg Seite 352 und 354 unbedenklich die Explo- sibilität der Hochofengase aus. Die Explosibililät der Gase leugnet niemand und stützen wir uns auf die Thatsache, dafs an allen Orten, wo Hochöfen betrieben und Gase zum Heizen der Dampfkessel benutzt werden, in den eisernen Gasleitungen stets eine grofse Zahl von Sicherheits klappen angebracht sind. Diese sind deshalb einge setzt, weil die Erfahrung gelehrt hat, dafs die Gas explosionen in den Leitungen nichts Seltenes sind. Die Klappen fliegen auf und machen die Wirkung unschädlich. Nur in seltenen Fällen bei schlechten Anlagen führen solche Explosionen in den Gasleitungen zu Zerstörungen derselben. Auch in den Gasleitungen auf der Friedenshütte waren eine grofse Zahl solcher Sicherheitsklappen angebracht, aber nur bis zu den Dampfkesseln hin, wie es überall Gebrauch ist. Wenn unzweifelhaft in den Gasleitungen die Mischung von Gichtgasen mit Luft und infolgedessen deren Explosion wiederholt seit Jahren constatirt ist, so ist die Möglichkeit vorhanden, dafs eine gleiche explosible Mischung sich auch bilden kann, wenn Gichtgase unverbrannt in die Kesselzüge treten, in welche Luft mit eingesogen ist, und dafs sie dort explodiren. Es sind auch in der Praxis heftige Explosionen in den Kesselzügen (ähnlich wie bei Stubenöfen) vor gekommen , aber nur mit verhältnifsmäfsig geringem Effect. In der Nähe von Siegen ist bei einer gröfseren Kesselanlage vor einigen Jahren durch Explosion der Gase das ganze vordere Mauerwerk zertrümmert. Die Gase sind eben vorn am Kessel explodirt und ihre Quantität war gering. Wenn durch irgend einen Umstand, z. B. bei Stillständen, beim gleichzeitigen Abstellen der Gebläse maschinen , beim Abstiche der Hochöfen, durch Verstopfungen, durch gleichzeitiges Ziehen der Gicht glocken, durch Gasexplosionen im Zuleitungsrohre u. s. w. der Strom der Gichtgase abgerissen und die Flamme infolge des ausgebrannten Rostfeuers aus gegangen ist, so tritt unverbranntes Gas in die Kesselzüge. Durch den Rost, durch alle Fugen und Ritzen des Mauerwerks wird Luft eingesogen, sie mischt sich an zahllosen Stellen mit der äufsern Schicht der Gase, an den Ecken und Biegungen erfolgt ihre innige Mischung. Wenn alle Bedingungen günstig Zusammentreffen, so kann aus der Entzündung des Gemisches eine Explosion entstehen. Die Entzündung kann eben sowohl aus dem Aufgeben frischer glühender Kohlen, als auch durch die glühenden Mauersteine erfolgen. Die Entzündungstemperatur der Gase kann man im gewöhnlichen Zustande zu 6 bis 700° G. annehmen. Diese Temperatur ist sicherlich im Mauerwerke vor handen gewesen, denn die umhergeschleuderten Ziegelsteine haben die benachbarten Gebäude sogar in Brand gesteckt. Da dies erwiesen ist, so müssen sie eine hohe Temperatur gehabt haben, welche sicherlich zur Entzündung eines explosiblen Gemisches ausreichte, wenn es auch nur etwa 25 % Kohlenoxyd enthielt. Da das Gas oft an verschiedenen Stellen brennt, und bei seiner Verbrennung, zuzüglich der Temperatur aus der Steinkohlen-Rostfeuerung, in normalem Be triebe sicher 800 bis 1000° Temperatur erzeugt, und zwar bei etwa 11/2 facher Luftzufuhr, so kann und wird zu Zeiten das Mauerwerk selbst in den Zügen der Unterkessel sicher etwa 700“ Temperatur annehmen. Der Wassergehalt der Gichtgase kann bei der grofsen Länge der Leitungen nur sehr gering gewesen sein, ebenso wird die Temperatur der Gase beim Eintritte unter die Kessel nicht mehr hoch gewesen sein. Die Luftzufuhr zu den Gasen nehmen wir als die gewöhnliche an und dann ergiebt die Rechnung, dafs eine Ausdehnung der Gase leicht entstehen konnte, welche 1 Atm. Druck gleich kam. Dies würde einer mittleren Temperaturerhöhung von etwa 400° entsprechen. Der Druck würde wesentlich höher sein, wenn die Entzündung des Gas- und Luftgemisches an mehreren Stellen zugleich erfolgt sein würde. Wir nehmen auf Grund des früher Gesagten letzteres an, wollen aber nur die Entstehung eines Druckes von 1 Atm. zugeben, welche reichlich genügt, um durch die Stofswirkung die Kessel gewaltsam zu erschüttern und hierdurch Brüche in Nähten und Blechen hervorzurufen. Wir wollen nur durch eine oberflächliche Betrachtung erläutern, wie grofs die Kraftäufserung sein müfste. Das Eisengewicht jedes Kessels be rechnet sich zu etwa 13 537 kg Die Wasserfüllung des Oberkessels » 22 600 » Dieselbe der 2 Unterkessel ... »12 500 » Das auf dem Kessel ruhende Mauer ¬ werk 9 000 » Sonstige Widerstände . . ■ ■ ■ „ 8 363 , Summa 66 000 kg Der Oberkessel erhielt den Druck von unten auf eine Fläche von etwa 19 qm = 190 000 qem. — Um der angegebenen Last von 66 000 kg das Gleichgewicht zu halten, genügte also ein Druck von 100 = ’/ 3 Atm. 1 Jv UUV Selbst wenn wir den Widerstand zu 1/2 Atm. annehmen, so genügt also ein Gegendruck bis zu 1 Atm. voll ständig, um das ganze System zu verschieben und zum Bruche zu bringen. Es handelt sich bei diesen und später erörterten Gasexplosionen natürlich nicht um statischen Druck, sondern um die Stofswirkung, welche diejenige plötz liche Ausdehnung hervorrief, welche dem berechneten Drucke gleichkommt. Wir kommen nun zur Erörterung der Explosion eines Gemisches von Hochofen-Gichtgasen und Gasen der Steinkohlenfeuerungen, welche den Vorfall am leichtesten erklärt. Unter den mehrfach erwähnten Kesseln der Mittelpartie ist durch irgend eine Ungehörigkeit oder Nachlässigkeit in der Bedienung der Feuer die Gas explosion verursacht worden, so dafs es nicht einmal der Annahme bedarf, dafs bei allen Kesseln gleich zeitig die Explosion der Gase eingetreten ist, weil die Wirkung der Explosion eines solchen Gasgemisches unzweifelhaft bedeutend gröfser ist, als bei Vor handensein reiner Hochofengichtgase. In der Stunde von 12 bis 1 Uhr ist es bei Nachtschicht ebenso wie bei Tagschicht allgemein üblich, dafs die Arbeiter ihr Essen einnehmen, so dafs eine äufsere Veranlassung zu einer sehr starken Beschickung der Feuer und damit der Grund zu einem Erlöschen der Hochofengase bei einem oder mehreren Feuern gegeben war. Die zur Verwendung gekommene Kohle war nur Staubkohle, weiche jedenfalls auch