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tung) häufiger. Das Schlimmste aber ist, dafs diese Defecte infolge der vorhin genannten wechselnden Hauptverbrennungsorte rasch und unbemerkt entstehen, sich als Risse im Betriebe entwickeln und plötzlich zu Tage treten können. Im kalten Zustande sind sie in der Regel sichtbar, sofern die Risse vom Nietloche zur Blechkante gehen, aber nur in den seltensten Fällen, wenn sie sich von Nietloch zu Nietloch erstrecken. Ist das Blech an sich von geringer Güte, also spröde wie bei den Kesseln der Friedenshütte, so wird die Möglichkeit der Bildung solcher Risse leichter zur Thatsache. Wir wollen das Bild solcher Ausdehnungen des Systems nicht weiter ausmalen. Jeder Sachverständige kann sich bei einigem Nachdenken ein Bild davon machen und wird uns Recht, geben. Aus der deutschen Explosionsstatistik ist der Einflufs des geringwerthigen Materials bemerkbar. Von den 155 in den Jahren 1877 bis 1886 explodirten Kesseln sind 30 Fälle nachgewiesen, bei welchen das Blech aus den Jahren 1871/74 stammt. Nimmt man nach der Zusammenstellung der Dampfkessel und Dampfmaschinen vom Geheimrath Dr. Engel die Zahl der in den Jahren 1871—74 beschafften Kessel zu 9263 an, so kommt hier im Gegensatz zu der Durch schnittszahl von 3900 Kesseln auf 3120 Kessel eine Explosion. Diese Differenz ist jedoch nicht so bedeutend, dafs allgemeine Vorsichtsmafsregeln gegen Kessel aus solchem Materiale gerechtfertigt wären, weil über die Structurveränderungen des Eisens durch den Betrieb positive Beweise noch nicht vorliegen und namentlich auch deshalb, weil die Betriebsweise der Kessel hierbei die gröfste Rolle spielt. Wir verweisen auf die englische und deutsche Statistik der Explosionen, woraus sich deutlich er- giebt, dafs Explosionen von Kesseln ähnlicher Con- strution in der Regel auch grofse Zertrümmerung der Kesselkörper und sehr weite Flugbahnen der einzelnen Theile hervorrufen. Die Schwäche der Gonstruction der Friedenshütter Kessel findet auch einen Beleg durch die deutsche Explosionsstatistik. Wir erwähnten schon vorhin, dafs von 155 Explosionen in den Jahren 1877 bis 1886 57 an Kesseln ähnlicher und nahezu gleicher Construction vorgekommen sind, während das Verhältnifs (nach der amtlichen Statistik von 1877) der Gesammtzahl der Kessel zu der vor liegenden Construction wie 49511 zu 15500 ist. Be- merkenswerth ist nach unseren Erfahrungen, dafs die Anwendung des genannten Systems thatsächlich in Abnahme begriffen ist. Die fächerförmige Flugbahn der Kesseltheile, welche in ihrer ganz eigenartigen Form den sichersten Anhalt für die Einleitung der ganzen Katastrophe giebt, bezieht sich ausschliefslich auf die Oberkessel, während der gröfste Theil der Unterkessel in grofser Anzahl in den Rundnähten gebrochen und wiederum in eigen- thümlicher Art nur nach vorn geschoben und sonst alle im Kesselhause liegen geblieben sind. Nur ein zelne Ringe (6 Stück mit ca. 10 Trommeln) sind in entgegengesetzter Richtung fortgeschleudert worden. Die Tragestühle dieser Unterkessel — mit Ausnahme der Kessel 22 und 23, — welche noch unversehrt und theils noch aufrecht standen, waren unter dem Schutte begraben. Das Mauerwerk der Kessel ist bis auf die Sohle der Unterzüge, wie Figur 2 zeigt, zertrümmert und der Fuchs zwischen beiden Schornsteinen mit grofser Gewalt eingedrückt, während links und rechts die Verlängerung mehr oder weniger unverletzt geblieben ist. Die Decke des Fuchses war hier abgehoben und die Vorderwand an die Hinterwand gedrückt. Alle diese eigenartigen Erscheinungen sind nur zu erklären, wenn man annimmt, dafs eine von aufsen wirkende Kraft, deren Ausgangspunkt bei den Kesseln zwischen den Schornsteinen liegt, am hinteren Ende der Kessel wirkend, die Katastrophe eingeleitet hat. Diese Kraft ist nur in den Stofswirkungen der plötzlich sich ent zündenden Gase zu finden, welche sich dort in explo siblem Gemisch angesammelt hatten. Es kann sich dabei nur um Gase der Steinkohlenfeuerung und um Gichtgase handeln. Bestand das Gemisch, wie wohl anzunehmen ist, aus Gichtgasen und Steinkohlengasen, so ist die Intensität der Wirkung, welche zum Bruch der Kessel führte, unzweifelhaft. Hierfür bedarf es keiner weiteren Beweise. Wir wollen aber auch im Nachstehenden nachzuweisen versuchen, dafs Hoch ofengichtgase unter Zusammenwirkung aller wichtigen Umstände schon allein die gleiche Wirkung ausüben können. Es handelt sich im vorliegenden Falle um „Hoch- ofen-Koks-Gase“ (Gichtgase). Die Zusammensetzung solcher Gase ist bekanntlich sehr schwankend, sie hängt vom Orte der Entnahme aus den Hochöfen und vom Gange des Ofens selbst ab. Wir kennen die zufällige Beschaffenheit der Gase vor der Explosionszeit nicht, nehmen also an, dafs sie dem Gewichte nach bestehen aus: 64,8 % Stickstoff = 63,7 Vol. % 33,8 » Kohlenoxyd = 34,3 » » 1,3 » Kohlensäure = 0,6 » » 0,1 " Wasserstoff = 1,4 » » wie sie in Knapps chemischer Technologie als durch schnittliche Ergebnisse der Untersuchungen von Hochofengasen durch Bunsen, Ebelmen, Scheerer u. s. w. angegeben sind. Wir fügen hinzu, dafs Knapp besonders dabei betont, dafs der Hauptbestandtheil der Brenngase Kohlenoxyd ist, dafs Kohlenwasserstoffe spärlich sind, aber wohl allen gemein wären, und dafs es mehr an der Analyse als an der Wirklichkeit läge, wenn sie nicht gefunden wären. Bei obigen Analysen sind die Gase in 2/3 der Höhe des Hochofens entnommen. Je höher die Entnahme erfolgt, desto unreiner und von geringerer Heizkraft sind sie. In der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1884, Seite 970, sagt Jung von „Burbacher-Hütte", die Hochofengase seien folgendermafsen zusammen gesetzt: im Mittel 50 bis 60 % Stickstoff und wechselnde Mengen Wasserdampf, 24 % Kohlenoxyd, 12 » Kohlensäure, 4 » Kohlenwasserstoff. „Je mehr Kohlenoxyd die Gase enthalten, um so gröfser ihr Brennwerth." „Je kälter die Gase entweichen, um so mehr wird ihr Feuchtigkeitsgehalt durch Gondensation ab nehmen, um so vorzüglicher müssen sie werden.“ „Die Gase entweichen mit einer Temperatur von 40 bis 400°.“ Hr. W. Lürmann in Osnabrück nennt Seite 526 der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1886 die Hochofengase „schwer brennbare Gase“ und sagt Seite 527, dafs es niemals räthlich sei, Kohlen undGase unter einemKessel zu verbrennen. Beide, Jung und Lürmann, geben zu, dafs bei unregelmäfsigem Gange der Hochöfen die Zusammen setzung der Gase eine wesentlich andere werden könne. Nach Aeufserung vieler Hochofentechniker wechselt dieselbe fortwährend in kurzen Zeil abschnitten. Nach Bremme in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure (Vortrag in der Versammlung des Ingenieur-Vereins am 19. October 1887 zu Katto-