Volltext Seite (XML)
Die Dampfkessel waren zum gröfsten Theile, nämlich 20 Stück, im Jahre 1872 gefertigt und das Material war Schweifseisen. Es ist bekannt, dafs den Blechen aus jenen Jahren gerade die Ausdehnungsfähigkeit (Elasticität) mangelte, auf welche bei Dampfkesseln der gröfste Werth zu legen ist. Das Blech war spröde. Die mit den unteren Blechen der Oberkessel nach der Explosion ange stellten Proben beweisen, dafs zur Zeit die Qualität eine aufserordentlich geringe war, doch geht aus denselben nicht hervor, wieviel die Structur der Bleche durch den Betrieb gelitten hat. Wir halten es jedoch für vollständig erwiesen, dafs der Umfang der Explosion und die Art der Zertrümmerung der Kessel ihren wesentlichen Grund in dem sehr gering- werthigen Material hat. Auffallende Vorkommnisse sind mit Ausnahme des im März 1886 erfolgten Bundnahtbruches nicht vorgekommen. Infolge desselben wurden auf Ver anlassung des Schlesischen Vereins alle zweifelhaft erscheinenden Bleche entfernt und durch Bleche bester Qualität ersetzt. Nachdem der Betrieb der Anlage, abgesehen von Störungen durch Reparaturen, 15 Jahre lang (allerdings bei Tag- und Nachtbetrieb) gedauert hatte, ereignete sich in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1887 zwischen 12 und 1 Uhr das Unglück und zwar ohne dafs den Aufsichtsbeamten weder vorher, noch am selben Tage, von irgend einer Schwierigkeit im Betriebe oder von irgend einem besonderen Vorkommnisse etwas bekannt geworden ist. Der Werkmeister fand am Nachmittage 41/2 Uhr bei seiner Gontrole des Kesselhauses Alles in Ordnung. Sämmtliche 22 Kessel, sowohl die 18 im Betriebe befindlichen als die 4 leer stehenden, waren durch die Explosion zerrissen und fortgeschleudert. Das Kesselhaus und die Um gebung war in einen Trümmerhaufen verwandelt. Einzelne Häuser gingen, infolge der Entzündung der Dächer durch glühende Ziegel, in Flammen auf. Die 3 Heizer waren todt. Das Trümmerfeld war so grofs, das Chaos von Steinen, Eisenstücken und Holz und Schutt war so gewaltig, dafs die anstrengendste, genaueste Unter suchung keine unbestrittenen Anhaltepunkte für die Erklärung des Unglücks zu Tage fördern konnte. Tagelang wurde angestrengt gearbeitet; wochen lang dauerten die Aufräumungsarbeiten und es ist nicht gelungen, aus den Trümmern irgendwie speci- fische Kennzeichen für besondere Ursachen oder Er scheinungen zu ermitteln. Wir gehen nun zur Erforschung derjenigen Um stände über, welche zur Explosion geführt haben kön nen, und müssen dieselben in gemeinschaftlichen Ein richtungen der Kesselanlage suchen. Wassermangel ist gleichzeitig bei einer Kessel anlage von 18 Dampfkesseln gar nicht denkbar. Die Gefährlichkeit aus Wassermangel erfordert zur Ent stehung eine längere Zeit. Es ist geradezu unfafslich, dafs das Versagen der Speisepumpen, oder das Unterblei ben der Speisung, oder der Wasserverlust durch Undich tigkeiten und die Verdampfung des Wassers bei einer grofsen Anzahl von Kesseln in einer Anlage, nahezu in gleicher Zeit hätte Zusammentreffen können. Die blaue Anlauffarbe, welche bei den Kesseln 6, 7 und 12 constatirt ist, ist nur stellenweise an den Unterplatten der Oberkessel gefunden und erstreckte sich in keinem Falle über den Umfang einer ganzen Platte. Um die blaue Anlauffarbe auf der Aufsenseite zu finden, mufste der auf den Platten sitzende Zink staub entfernt werden, während die Innenseite ebenso wie die Bruchflächen nichts an blauer Anlauffarbe erkennen liefsen. Nicht unwahrscheinlich ist es, dafs durch die vorhin erwähnte Bildung von Kesselslein kuchen locale Ueberhitzungen und dadurch blau ange laufene Stellen entstanden sind. Uebrigens zeigt Kessel Nr. 7, welcher gerade die intensivste blaue Anlauffarbe hatte, aus den Flugbahnen seiner Theile, dafs bei ihm eine selbständige Explosion ausgeschlossen ist, so dafs selbst bei diesem Wassermangel oder locale Ueberhitzung der Bleche als Ursache der Explosion nicht angesehen werden darf. Zu hohe Dampfspannung konnte bezw. mufste bei allen Kesseln entstehen, wenn die Dampfentnahme durch die Dampfmaschinen einige Zeit aufhörte, wäh rend die Heizung fortdauerte und die 36 Sicherheits ventile gänzlich versagten. Die Wirkung der Heizung durch Steinkohlenfeuer war nach Mafsgabe der angegebenen regelmäfsigen Verbrauchsquanten von höchstens 400 Ctr. per 24 Stunden aber nur sehr schwach. Das Brennmaterial war geringwerthige Steinkohle und es hätte ein ge fährlich hoher Druck nur durch mehrstündiges Heizen erzielt werden können, wenn die Dampfentnahme wesentlich gegen diejenige des regelmäfsigen Betriebes verringert war. Mit dem gänzlichen oder theilweisen Stillstände der Gebläsemaschinen, welche die Haupt- consumenten des Dampfes waren, war auch zugleich die Verkleinerung der Gasproduction verbunden und die Quantität der Heizung durch Gichtgase propor tional vermindert. Die Entstehung eines gefährlich hohen Dampf druckes ist also in kurzer Zeit nicht zu erklären, und um lange Zeit gänzlichen Mangels an Beaufsichtigung bei forcirter Heizung kann es sich hier gar nicht handeln. Wenn aber die Dampfmaschinen im Gange waren, dann war die Entstehung einer gefährlich hohen Dampfspannung erst recht nicht möglich, da sie den producirten Dampf vollständig consumirten und die Sicherheitsventile ebenfalls ihre Schuldigkeit thun mufsten. Uebrigens wollen wir nicht unerwähnt lassen, dafs es sich um nicht unerheblichen Dampfdruck handeln müfste, welcher sicherlich weit höher als der bei periodischen Revisionen und gröfseren Reparaturen gesetzlich vorgeschriebene Probedruck von 10 Atm. zu schätzen ist, wenn er die Kessel hätte zersprengen sollen. Nach Mafsgabe des Berichtes des Schlesischen Vereins haben im Laufe der Jahre 1886 und 1887 21 Kessel den Probedruck anstandslos ausgehalten. Ein erheblich höherer Dampfdruck als 5 Atm. hätte sich durch brausendes Ausströmen aus den Sicherheitsventilen und aller Wahrscheinlichkeit nach durch Herausplatzen von Verdichtungsmaterial aus den Flantschverschraubungen u. s. w. deutlich be merkbar gemacht, und hiervon ist nichts gehört und beobachtet. Aus diesen beiden genannten Umständen, welche alle Kessel gemeinschaftlich in Mitleidenschaft ziehen mufsten, kann das Unglück nicht entstanden sein. Es ist aber dabei noch die Frage zu erörtern, ob die Zerstörung nicht hätte erfolgen können oder müssen, wenn durch irgend eine Ursache 1 oder 2 Kessel explodirt wären. Durch die Explosion von 1 oder 2 Kesseln wäre unzweifelhaft ein heftiger Stofs und eine Zertrümmerung des gemeinschaftlichen weiten Dampf rohres erfolgt und es liegt nahe, zu glauben, dafs dadurch eine plötzliche Druckentlastung in den übrigen Kesseln und eineLockerung etwaiger schwacher Theile der Blechverbindungen des einen oder andern Kessels entstehen konnte, welche eine Explosion der übrigen Kessel zur Folge hatte. Dern ist aber nicht so. Jeder Kessel stand nämlich mit diesem gemein schaftlichen zweiten Dampfrohre nur durch ein enges Rohr von 156 mm Weite in Verbindung, in welches ein gleich grofses Durchgangsventil eingeschaltet war. Gegen die Explosion der Kessel infolge der Zerstörung