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236 Nr. 4. April 1888. STAHL UND EISEN. Reichsamt des Innern die Mittheilung erhalten, dafs eine Abänderung des § 146 der Gewerbe ordnung im Sinne des gestellten Antrages bereits der Erwägung unterliege. Die Enquete der Reichsregierung über die Sonntagsarbeit ist im Druck erschienen und gewinnt man daraus den Gesammteindruck, dafs mit sehr vereinzelten Ausnahmen die industrielle Tbätigkeit an Sonn- und Festtagen sich nur auf solche Arbeiten zu erstrecken pflegt, bei denen die Natur des Gewerbebetriebs einen Aufschub oder eine Unterbrechung aus technischen Gründen nicht gestattet. Dem Vernehmen nach wird eine Vorlage der Reichsregierung über eine Abände rung der bestehenden Vorschriften nicht zu er warten sein. In bezug auf die Arbeiterschutzgesetz gebung hat der Verein darzulegen Veranlassung gehabt, dafs die zu weit gehenden Anforderungen, wie solche im Reichstage namentlich von Mit gliedern des Gentrums aufgestellt worden sind, nicht blofs die Industrie, sondern auch — und zwar in noch weit höherem Grade — das Ein kommen der Arbeiter schädigen müfsten. Die Eisenindustrie hat gegen diese Anträge um so eher Stellung nehmen zu dürfen geglaubt, als notorisch feststeht, dafs in der Vorsorge für das materielle Wohlbefinden der Arbeiter in keinem andern Industriezweige mehr geleistet und gröfsere Geldopfer aufgewendet werden, als gerade in den Branchen, die sich in unserm Verein zur Wahrung ihrer vollberechtigten Interessen verbunden haben. Die hohe Reichsregierung hat die Anschauungen des Reichstags nach dieser Richtung hin nicht getheilt und den gefafsten Beschlüssen ihre Ge nehmigung versagt. In betreff der wichtigen und inhaltsreichen Frage der A rbe i t er-Al ter s u n t e r s t ü t z u n g (Invaliden-Versicherung) hat der Verein rechtzeitig durch die Zusammenstellung des statistischen Materials über die in der Eisen industrie und den Maschinenbau vorhandenen Pensions- und Invalidenkassen die Unter lagen für die Beantwortung der auftauchenden Specialfragen zu beschaffen versucht. Als so dann im November v. J. die »Grundzüge für die Invalidenversicherung“ erschienen, sind in der Vorstandssitzung vom 22. November 1887 auf Grund eines sehr eingehend gehaltenen Re ferats die wichtigsten Punkte durchberathen wor den. Als Gesammtresultat ergab sich, dafs Eisenindustrie und Maschinenbau voll be reit waren, die wohlwollenden Absichten der Reichsregierung soweit nur irgend möglich zu unterstützen. Bei aller Sympathie für die gesetzlich zu regelnde Altersunterstützung der Arbeiter fehlte es aber doch nicht an schwer wiegenden Bedenken gegen die eine oder andere Art der in den Grundzügen vorgeschlagenen Aus führungen, und da es sich hier um eine Frage handelte, welche nicht die Eisenindustrie allein, sondern alle anderen Industriebranchen mitbetraf, beschlofs man, die weitere Berathung in Gemein schaft mit dem Central verband deutscher Industrieller durchzuführen. Ueber die Ver handlungen der betreffenden Ausschufssitzungen vom 23. Novbr. und der Commissionssitzungen des Centralverbandes vom 2. und 3. December v. J., an denen sich 12 Delegirte unseres Ver eins betheiligten, haben die geehrten Mitglieder durch Nr. 38 der Berichte des Centralverbandes deutscher Industrieller ausführliche Mittheilung erhalten, so dafs es einer Wiederholung der ge- äufserten Bedenken und beschlossenen Gegen anträge in diesem Berichte nicht bedarf. Sobald der längst erwartete Gesetzentwurf erschienen sein wird, soll die Commission des Centralver bandes sofort berufen werden und wird auch seitens unseres Vereins eine ähnliche und hoffent lich gleich erfolgreiche Thätigkeit zu entfalten sein, wie solche seinerzeit in betreff des Un fallversicherungsgesetzes stattgefunden hat. Mit Rücksicht auf die neuerdings zu Tage getretenen Bestrebungen, die Aufgaben der Un fall-Berufsgenossenschaften zu erweitern, wurde in der Vorstandssitzung vom 22. Novbr. v. ,1. einstimmig die nachstehende Erklärung be schlossen : „Der Vorstand des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller ist der Ueberzeugung, dafs die Thätigkeit der durch das Gesetz vom 6. Juli 1884 ins Leben gerufenen Berufsge nossenschaften auf die Erfüllung der durch dieses Gesetz ihnen überwiesenen Aufgaben be schränkt bleiben müsse und dafs jeder Versuch einer Einbeziehung technischer, wirth- schaftlicher, socialer und politischer Fragen in die Zuständigkeit der Berufsge nossenschaften mit Entschiedenheit abzulehnen ist. Lediglich die Frage, ob und inwieweit die Berufsgenossenschaften zu Trägern der Alters- und Invalidenversicherung zu machen seien, ist zur Zeit noch als eine offene zu betrachten.“ Hierbei wurde darauf verwiesen, dafs jeder Inanspruchnahme der Berufsgenossenschaften nach diesen Richtungen hin zur Zeit der gesetzliche Boden fehle. Einer entsprechenden Erweiterung der Gesetzgebung ständen aber schwere Bedenken entgegen, da der neutrale Boden der rein ver sicherungstechnischen — financiellen Praxis, auf welchem die Genossenschaftsvorstände zur Zeit arbeiten, verlassen und politische und wirthschafts- politische Gegensätze, damit aber Unfrieden in die Genossenschaften hereingetragen würden. Da durch würde die Lösung der den Genossen schaften an erster Stelle obliegenden Aufgaben auf das Ernstlichste gefährdet. Jede Erweiterung der Aufgaben der Genossenschaften stelle ferner die Möglichkeit einer Fortdauer der ehrenamt-