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648 Nr. 8. „STAHL UND EISEN.“ August 1891. besonders auffällt, dürfte das Nebengebäude (Nr. 4 unseres Planes), welches in der von der Eisen bahn gebildeten Schlinge liegt, durch seine eigen- thümliche ringförmige Gestalt die Beachtung der Besucher erregen. Das Ring-Gebäude erhält einen äufseren Durchmesser von ungefähr 180 m und einen inneren von ungefähr 120 m. Den inneren Kreis werden Parkanlagen ausfüllen. Die ring förmige Gestalt wurde für dieses Gebäude haupt sächlich deshalb gewählt, weil eine elektrische Rundbahn aufgestellt werden soll, die es dem Besucher ermöglicht, die ganzen Ausstellungs gegenstände zu sehen, ohne den Wagen zu ver lassen. — Es ist hier nicht der Platz, auf alle Einzel heiten der Ausstellung einzugehen; wir wollen nur noch einige Mittheilungen über verschiedene geplante besondere Sehenswürdigkeiten anfügen. Neben dem bereits beschriebenen 1492 Fufs hohen Proctor-Thurm* soll ein künstlich’ an gelegtes Bergwerk, in welchem der Mineralreich thum des Landes veranschaulicht werden soll, ein Hotel auf dem See, eine californische Wein quelle, ein Kohlenpalast, ein Kornpalast, ein Wasserpalast, indianische Dörfer und Nachbil dungen von ägyptischen, japanesischen, chine sischen, persischen Strafsen und Bazaren die Aufmerksamkeit der Besucher ganz besonders fesseln. Ferner soll nach einer Nachricht der Köln. Zeitung gelegentlich der Ausstellung in Chicago ein Project zur Ausführung gelangen, welches nicht nur zeitgemäfs ist, sondern unserer Zeit um 50 Jahre vorauseilt. Es gilt dem Bau einer elektrischen Bahn, auf welcher man in acht Stunden die 1600 Kilometer zwischen New-York und Chicago durchrasen würde. Die Züge be stehen aus einem mächtigen Elektromotor, der vorn zugespitzt ist, um den Luftwiderstand zu vermindern, und aus Stahlwagen, die ebenfalls so gebaut sind, dafs der Wind sich nirgend ver fangen kann. Ueber den Wagen läuft eine Leit schiene, in welche auf dem Verdeck der Wagen angeordnete Leitrollen eingreifen, eine Vorrich tung, die eine Entgleisung verhüten soll. Das Geleise selber bietet nichts Neues. Um eine Ge schwindigkeit von 240 km in der Stunde mit einem Zuge aus drei Wagen zu erzielen, wäre ein Elektromotor von 660 Pferdestärken erforderlich. Die Züge würden sich in Abständen von 40 km folgen und wären mit elektrischen Bremsen zu versehen, welche sie in 100 Secunden auf eine Entfernung von 2300 m zum Stehen bringen. Wir erwähnen des Projects, weil es für die Bahn züge der Zukunft vorbildlich sein dürfte. Beim Eisenbahnwesen einmal angelangt, wollen wir auch noch der Stadtbahn gedenken, welche * Vergl. Seite 473- den Ausstellungsplatz mit der Stadt verbinden soll. Die 30 km lange Bahn, weifs ebenfalls die Köln. Zeitung zu berichten, wird angeblich nach dem System von Boynton gebaut, welches soeben auf Coney Island im kleinen erprobt wurde. Der Genannte hat eine einschienige Bahn ersonnen, bei welcher Leitrollen in eine obere Schiene ein greifen und damit die Wagen im Gleichgewicht erhalten. Die Züge rollen auf einer unteren Schiene und es sind die Räder natürlich mit doppelten Flanschen versehen. Der Oberbau, welcher der oberen Schiene zur Stütze dient, dürfte allerdings nicht billig sein; dafür vermindern sich die Grund erwerbs- und Unterbaukosten um die Hälfte. Das System eignet sich anscheinend für städtische Hochbahnen sehr gut, weil die Bahn nur eine geringe Breite hat. Freilich sind die Wagen sehr schmal und bieten auf jeder Sitzbank nur zwei oder drei Plätze. Anläfslich der Weltausstellung soll in Chicago eine endlose Reihe von internationalen Versamm lungen sich drängen, welche in echt amerika nischer Weise alles bisher Dagewesene dieser Art zu übertreffen bestimmt sind. Es haben sich bis her 17 Comits gebildet, um die Vorarbeiten zu besorgen. Da es gar nicht möglich wäre, alle Versammlungen auf einmal abzuhalten, so wurde vorläufig folgende Reihenfolge festgestellt: Mai: Musik, Kunst und Literatur. (Versamm lungen der Verfasser, Verleger, Philologen, Bi bliothekare, Componisten, Sänger, Schauspieler, Maler, Bildhauer u. dergl.) Hieran schliefst sich Heilkunde einschliefsl. öffentlicher Gesundheit, privater Krankenpflege, Regierungs-Verordnungen, Gefängnifs-Reform u. dergl. Juni: Religion, Moral, Mäfsigkeit einschliefsl. Kirchen- und Missionär Versammlungen, Sonntags schulen, öffentlicher Sittlichkeit, Sittenlehre, Moral u. s. w. Juli: Wissenschaft, Philosophie, Erfindun gen und Erziehung; mit Einschlufs der Ver sammlungen der Lehrer, Schulleiter, Astronomen. Archäologen, Botaniker, Chemiker, Elektrotech niker, Ethnologen, Geologen, Geographen, Minera logen, Metallurgen und Zoologen. August: Gesetzgebung und Verwaltung ein- schliefslich städtische, allgemeine und internatio nale Gesetzgebung, Gerichtsverwaltung, Stadtver waltung, Auswanderung, Naturalisation und Aus lieferung, internationale Sicherstellung und Bür gerrecht, Patentwesen und Verlagsrecht, Schieds gericht und Frieden. September: Arbeit, Social-Wissenschaften, Bauwesen, Woh 11hatigkeit, Handel und Gewerbe. October: Ackerbau und Finanzwesen einschl Versammlungen der Milchhändler, Pferde-, Schaf- und Rinderzüchter, der Gärtner und Obstzüchter Hieran schliefsen sich Verhandlungen über Han delsgerichte, Bankgesellschaften und Einrichtungen, die sich auf Erzeugung, Transport und Börsen angelegenheiten beziehen.