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zweites beigesellen konnte: Es hat also der »Con- tractbruchs, obwohl er zweifellos gegen die ein gegangenen Verpflichtungen verstiefs, doch auch seine guten Seiten gehabt, zumal in Güte nichts zu erreichen war.“ Dafs diese Darlegung den Thatsachen durch aus widerspricht, schon deshalb, weil sie die bereits vor dem Ausbruche des Arbeiterausstandes eingetretene successive Lohnerhöhung gänzlich aufser Betracht läfst, bedarf nicht erst des Nach weises. Um eigentliches Beweismaterial aber ist Herr Eschenbach im grofsen und ganzen nicht ver legen; so zieht er auch die »öffentliche Meinung des Landes« als einen Beweis dafür heran, dafs diese »elementare Bewegung« auf dem »vollsten Rechte« beruhte, indem er schreibt: „Das charakteristischste Zeichen aber der Be wegung ist die durch keine Mittel zu vertuschende Thatsache, dafs — wohl in diesem Umfange zum erstenmal seit Menschengedenken, — die ge- sammte öffentliche Meinung des Landes und ihre Organe, — sowie selbst die Regierung und sogar die Krone in ihrem Träger sieh mit ihren Sym- pathieen zum weitaus überwiegenden Theile auf Seiten der Arbeiter befunden hat. Hier könnte man wirklich den böswilligen Besitzenden zurufen: Wer Augen hat zu sehen, der sehe, und Ohren hat zu hören, der höre! — Noch nie mals sind so ermuthigende Aeufserungen in der gesammten Presse zu gunsten der Motive ähn licher Bewegungen und ihrer Zwecke kundgegeben worden, wie in diesem Falle, und noch nie ist einer Bewegung des vierten Standes eine so elemen tare Unterstützung der öffentlichen Meinung ent gegengebracht, als dieser. Zum erstenmal sah das öffentliche Urtheil völlig klar und ungetrübt in dem Anspruch auf Lohn erhöhung und bessere Existenzbedin gungen nicht mehr oder minder einen Umsturzversuch dergegenwärtigen Ge sellschaftsordnung, sondern bethätigte viel mehr die, — freilich erst spät gekommene — Er- kenntnifs, dafs solche Lohnbewegungen eher das directe Gegentheil zur Folge haben, nämlich eine Befestigung des Besitzes, soweit er gerechtfertigt ist, und eine Stärkung des gesun den, christlichen und menschlichen Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. — Denn nicht nur war und ist die gesammte Presse von der äufsersten Rechten bis zur äufsersten Linken, je dem Parteipunkte entsprechend, für die Arbeiter mit dem ungeheuren Gewicht ihrer moralischen Unterstützung und der Stimme der öffentlichen Meinung eingetreten, sondern—es haben sogar an vielen Orten in der besitzenden Klasse selbst Sammlungen stattgefun den zu gunsten und zur Unterstützung der Streikenden. — Man glaubte nicht mehr durch Discreditirung der Bewegung und ihrer Gründe »die gesellschaf tliche Ordnung retten helfen« zu müssen, sondern ging in durchaus sachgemäfser und gerechter Weise daran, beide auf ihre Be rechtigung hin zu prüfen und zwar zu prüfen unter dem Gesichtspunkt der Humanität; und nachdem man dann ihre Berechtigung und sogar theilweise Nothwendigkeit festgestellt hatte, blieb es, wie gesagt, selbst in fernerstehenden Kreisen nicht blofs bei der Unterstützung mit schönen Worten, sondern man half auch direct und mit Thaten. — Dieses Zeichen der Zeit mifsverstehen wollen, hiefse sich selbst mit Blindheit schlagen; — und bei jeder in sich gerechten Bewegung der Arbeiter wird sich dasselbe von jetzt an in steigen der Progression kundgeben; — die Forderungen z. B. der Angestellten des öffentlichen Fuhrwesens in Wien und Berlin werden in gar nicht langer Zeit dieselbe unwiderstehliche Unterstützung er halten und die betreffenden Personen früher oder später alsdann zu ihrem — mit Fug beanspruch ten — Rechte kommen. — Um so bedauerlicher und kurzsichtiger ist es daher, dafs einige Prefs- organe in der letzten Zeit sich ungleich mehr auf Seiten der Arbeitgeber gestellt haben und zwar selbst nachdem festgestellt worden ist, dafs einige derselben ihre Versprechungen auf das Gröbste gebrochen haben;* — wir glauben, dafs diese Blätter ihrem Leserkreise, der meist in den Krei sen der Grofsindustriellen zu suchen ist, mit dieser Parteilichkeit einen sehr zweifelhaften Dienst erweisen, — ganz abgesehen davon, dafs es Pflicht gegen die Gerechtigkeit und gegen die Erhaltung der Gesellschaft ist, objectiv zu urtheilen und nicht mit Absicht falsche Vorstellungen in ferner stehenden Kreisen zu erregen.“ Herr Eschenbach scheint in Wiesbaden keine Kenntnifs davon bekommen zu haben, dafs sich ein grofser Theil der Presse — von den Mei- nungsäufserungen der hetzenden Freisinns- und Gentrums-Presse sehen wir hier überhaupt ab — bei der Beurtheilung des Bergarbeiterausstandes im Irrthume befunden, später eingelenkt und zum gröfsten Theil den Arbeitgebern Recht gegeben hat, wenngleich in etwas gewundener Weise, was sich aus der bei fast jedem Menschen, also auch bei den Prefsleuten , vorhandenen Neigung erklärt, einen begangenen Irrthum nur allmählich einzugestehen. Wie wenig orientirt ein grofser Theil der Presse und mit ihr das Publikum beim Beginn des Arbeiterausstandes war, mag daraus hervorgehen, dafs vielfach die achtstündige Schicht nach Analogie der Schicht der Schiffskesselheizer so aufgefafst wurde, dafs der Arbeiter 8 Stunden Arbeit, dann 8 Stunden Ruhe, dann wieder 8 Stunden Arbeit habe, dafs von vielen Seiten angenommen wurde, die Ueberschichten seien eine von den Arbeitern auf Befehl ihrer Arbeit geber geleistete Mehrarbeit, für die ein Entgelt nicht geboten werde, und was dergleichen wun derliche Dinge mehr sind. Auch von »Hunger löhnen«, ein Kapitel, auf das wir weiter unten zurückkommen werden, hat diese wohlorientirte Presse, auf die sich Herr Eschenbach mit so viel Emphase beruft, gesprochen, und es ist möglich, dafs sich ein oder der andere Angehörige der besitzenden Klasse in dem Wahne, die Presse theile Wahres mit, dazu veranlafst gesehen hat, zur Unterstützung der streikenden Bergleute einen Beitrag zu geben. Im Uebrigen sind die »be sitzenden Klassen«, in denen . »Sammlungen zu * Von den Widerlegungen, welche die Zechen verwaltungen derartigen Gerüchten, die von einer dienstbaren Hetzpresse colportirt wurden, entgegen setzten, Akt zu nehmen, hat Herr Eschenbach natür lich nicht für seine Pflicht gehalten. D. Ref.