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40 X. Zwischen zwei Revolutionen. Dies waren die Bedingungen, unter welchen die Jesuiten in die Ernte der thörichlen, aber edclu Begeisterung cintraten, womit die Schule Lamcnnais ihnen vorgearbcitct hatte. Die Niederlage des alte», gcmäßigten Glaubens konnte überhaupt nur dazu führen, den französischen KatholicismuS dein Jcsui- tismus in die Arme zu treiben. Schon unter Karl X. ausgewiesen, kehrten die Väter jetzt in aller Stille und unter mancherlei Verkappungen nach Frankreich zurück. Aus den zwölf Anstalten, welche die Jesuiten zur Zeit ihrer Auswei weisung 1828 besessen hatten, waren 1843 ihrer sicbcnundvierzig geworden, wie denn auch saust die Zahl der Klöster sich während der Julircgicrung verdoppelt, die der Nonnen insonderheit sogar verdreifacht hat. Jetzt erst kam eine feste Taktik in die ultramontane Bewegung, und enthüllte sich als das bewußt nnge- strcbte Ziel derselben, die Herstellung der von der Charte verheißenen „Unter- richtsfrciheit". Das war ein wohllautend in die Ohren des Volkes klingender Name, welchen diejenigen, die den Ruf erhoben, freilich nur in dem Sinne ge werblicher Freiheit verstanden. Was sie erstrebten, war die Beherrschung des Jugcndunterrichtes, die Beseitigung des in dieser Beziehung unter dem Namen „Universität von Frankreich" bestehenden Staatsmonopols, die Unabhängigkeit erstlich der Volksschule, zweitens des Gymnasiums, drittens der Universität vom Staate. In der ersten Beziehung war das Ziel bereits thatsüchtich erreicht; in der zweiten wurde es 1850, in der dritten 1873 erreicht, so daß allein die Rich tung der ultramontanen Erfolge es ist, in welcher die Geschichte des modernen Frankreichs eine geradlinige Entwickelung dnrstellt. Schon während der dreißiger Jahre thaten die Uuterrichtsminister Guizot und Cousin diesen Bestrebungen, in welchen sie Verbündete der konservativen Interessen zu sehen glaubten, mancherlei Vorschub. Weiter gingen auf derselben i84t. Bahn Villemniu, der durch Vorlage seines Unterrichtsgesctzcs Gelcgcnheits- ursache zum Ausbruch des Streites wurde, und Salvnndy, der den Frieden durch Zugeständnisse an die Kirche zu erkaufen suchte. Je huldvoller sich aber die Regierung dem Klerus gegenüber erwies, desto höher stiegen die Ansprüche des letzteren. Der im Beichtstuhl und auf der Kanzel begonnene Kampf für Untcrrichtsfrcihcit ward in zahllosen Vereinen, Flugschriften, Journalen fort gesetzt und füllte die letzten zehn Jahre dieses Regiments fast völlig aus. Daß M->rzl844. die Bischöfe, nachdem sie einen maßlosen Brief an den König erlassen, vor den Staatsrath citirt und wegen Amtsmißbrauches getadelt wurden, erwies sich sofort als eine inhaltlose Form, deren die Bestraften öffentlich spotten durften. Schon damals durfte sich die Kirche rühmen, von der Julirevolution nur Vortheil ge zogen zu haben. Die Zahl der Geistlichen hatte zugenommen. Kirchgang, Beichte, Communion waren wieder zur allgemeinen Sitte geworden, welcher sich mit der Zeit selbst der König anschloß. Der Einfluß der Geistlichen war in hohen und in bürgerlichen Kreisen im Wachsthum, die gemischten Ehen in der Abnahme begriffen. Eine katholische Presse und eine fromme Unterhaltungslectüre