I. Weltlage. Socialismus. Religion und Kirche. 23 wurden nach seiner Meinung im Lause der Zeiten alle bösen Leidenschaften und Verbrechen aus der Welt verschwinden, nicht mehr die Selbstsucht und Selbst- erhaltung, sondern die Naturtriebe und die Bruderliebe die Triebfedern der Hand lungen bilden und durch die vereinten Kräfte und Neigungen alle Arbeit zu solcher Vollendung gebracht werden, daß aller Noth und allem Elend reichlich abgcholfcn würde. Denn die producircude Gesellschaft gleiche dem organischen Leben des Leibes, wo für jede Leistung ein bestimmtes Organ vorhanden sei, das die zugewieseue Arbeit mit Lust und Vortrefflichkcit vollziehe. Ein gewählter Rath der Alten steht dem Ganzen vor. Fourier war überzeugt, daß cs nur eines Beispiels bedürfe, um seinem System eine allgemeine Verwirklichung zu verschaffen. Er ließ daher eine öffentliche Aufforderung an einen Menschen freund ergehen, ihn mit einer Million zu unterstützen, und ging zwölf Jahre lang täglich zu einer bestimmten Stunde an den bezeichneten Ort, um zu scheu, ob sich der Menschenfreund mit der Million nicht cinstcllen würde. Spätere Versuche, eine Phalanstere zu errichten, wozu der Abgeordnete Baudet-Dulary seine Besitzungen hergab, scheiterten an der Unzulänglichkeit der Mittel. Fourier's talentvollster Jünger war Victor Consideraut. Dieser hat seines Meisters System von manchen Auswüchsen befreit, in Vorträgen und Schriften säestinee sooiale; die Zeitschrift ktmIsnAe) die Lehre von der socialen Wiedergeburt erläutert und gegen viele Angriffe und Vvrwürse verlhcidigt und mit Beredsam keit den Grundsatz verfochten, daß die Verbesserung des gesellschaftlichen Zu standes die wahre Aufgabe der Zeit sei. Stein faßt am Schluffe seiner Darstellung des Fourierismus die Hauptresul- tate des Systems in folgenden allgemeinen Sätzen zusammen: 1. Fourier läßt mitten in seinem Socialismus das Recht des persönlichen Eigenthums bestehen, ja er räumt bei der Verthcilung des Erwerbes dem Kapital sogar mehr Antheil ein als dem Talent. Das EigeMhum wird der Arbeit nebcngeordnct. „Die cigenthumslose Ge sellschaft kennt Fourier nicht; er wagt nicht den Gedanken der Aufhebung des Eigcn- ihums zu verfolgen, sondern er erdrückt das Eigenthum nur durch die imaginäre Uebcrfülle der Production". 2. Dagegen wird die Ehe und die Familie aufgehoben zu Gunsten einer phalanstercn Gemeinschaft mit völliger Gleichheit beider Geschlechter, also mit der Emancipation der Frauen. Da den »^.ttraotions« ihr voller Spielraum werden muß, um die »clestlnss« zu erfüllen, so folgt nothwendig die prinzipiell un gebundene Freiheit der sinnlichen Triebe und die Verwerfung des bestehenden Ehe zwanges. „Fourier ist der Ueberzeugung, daß, wo eine Gemeinschaft des engen Lebens in dem Herzen zweier Liebenden durch volle Uebereinstimmung der Neigung angedeutet ist, diese sich auch vollziehen kann und wird; daß andererseits aber da, wo diese Gemeinschaft innerlich nicht vorhanden ist, auch kein äußeres Band sic dauernd als eine blos äußerliche und deshalb unglückbringende erhalten soll. Er hat daher Recht in demselben Punkte, von dem aus unsere Zeit immer dringender die Scheidung der Ehe als eine zulässige und leichte fordert. Allein eben so entschieden hat er dem sinnlichen, ich möchte sagen thicrischen Triebe einen Platz eingeräumt, von dem aus er das tiefste Wesen auch der wahren Che bedroht. Sein Jrrthum ist genau der der St. Simonisten. Beide stellen die sinnlichen Triebe als gleichberechtigt neben das höhere