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1. April 1894. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 1. 301 Stahlerzeugung angewendet beobachtet. Das saure Verfahren dürfte zur Zeit in der Hauptsache nur noch zu einzelnen härteren Stahlsorten und zur Herstellung von Stahlgufswaaren in Anwendung kommen; doch werden Stahlgufswaaren auch vom basischen Ofen gegossen. Die Reinheit und die sonstigen guten Eigen schaften des basischen Martinmetalls werden hoch gepriesen; man findet aber doch, dafs reinere Materialien verhüttet werden, sobald auf feinere Qualität gearbeitet werden mufs. Niemals sah v. G. im basischen Ofen Stahl mit höherem Kohlegehalt herstellen, als zu Eisenbahnschienen und zu gewöhnlichem Gonstructionsmaterial er fordert wird. Eine Mifseigenschaft, welche dem basischen Martinmetall in höherem Grade anhaftet als dem sauren, ist seine grofse Neigung zum Blasig werden. Man ist deshalb genöthigt, steigend zu giefsen, wobei man bis 30 Blöcke gleichzeitig giefst. Auf diese Weise werden, unerachtet dieser Eigen schaft, schwache Blöcke erzeugt, welche direct zu Draht ausgewalzt werden. Man giebt jedoch Zu sätze, welche die Gasentwicklung verringern. Auch die niedrige Temperatur der bei der basischen Martinfrischerei vor sich gehenden Güsse im allgemeinen fällt in die Augen; Pfannen schalen bleiben sehr häufig nach dem Gusse und liegen gewöhnlich in grofser Menge bei den Oefen. Theils wird hierauf wohl absichtlich hingearbeitet, denn Erfahrung wie Theorie lehren, dafs die Entphosphorung im basischen Ofen wie im Con verter um so schneller vor sich geht, je niedriger die Temperatur ist, weil dabei die im Ofen zurückgebliebene Kohle weniger das Bestreben hat sich zu oxydiren und oxydirten Phosphor zurückzureduciren. Die Temperatur mufs dann doch so hoch bleiben, dafs sich die hochbasische Schlacke flüssig erhält, weil andernfalls die Ent phosphorung verlangsamt oder ganz verhindert wird. Oft ist kalter Gang jedoch unvermeidlich und die Folge davon, dafs die schlecht wärme leitende basische Schlackendecke sehr dick ist und die Wärmeüberführung an das Bad nur sehr langsam vor sich gehen läfst. In Bezug auf Martinofenbau hat v. G. wenig Neues zu berichten. Man giebt den Gas- und Lufkanälen allgemein eine stechende Richtung gegen den Herd und gewölbte Decken. In Oester reich, wo Magnesit billiger sei, stelle man daraus Herd, Wände und Feuerbrücken her. (Auch die Ofenköpfe aus Magnesit haben sich dort erfolg reich eingeführt. Dr. L.) In Deutschland ver wende man mehr Dolomit; Magnesit entweder nur als Isolirschicht zwischen basischen und sauren Ofenparthieen, aber auch zum Herdunter bau, zu Wänden und Feuerbrücken. (Also wie in Oesterreich. Dr. L.) Chromerz sah v. G. nirgends mehr in Ver wendung stehen. Bei einem schlesischen Werke sah er eine Anordnung, mittels der man nach Be lieben die Flamme in den verschiedenen Parthieen des Ofens zu reguliren vermag und dadurch die Dauer des Gewölbes vergröfsert. Das Gas tritt durch zwei Einströmungsöffnungen ein, die Ver brennungsluft ebenfalls durch zwei oberhalb den ersteren situirten. Die Gaseinströmungsöffnungen haben nahezu quadratischen Querschnitt, die Oeffnungen für die Lufteinströmungen sind lang gestreckte Schlitze. Jede dieser vier Einströmungs öffnungen steht in Verbindung mit einem Re generator ; der Ofen hat also an jedem seiner Enden vier der letzteren; zwei für Gas und zwei für die Luft. Luft- und Gaskanäle theilen sich in je zwei Leitungen, davon jede mit Ventil ver sehen ist und die von den verschiedenen Re generatoren ausgehen. Damit kann man die Flamme im vorderen oder hinteren Theile des Ofens unabhängig voneinander verstärken, je nachdem es der Bedarf erfordert. Liegt zum Beispiel eine Menge ungeschmolzenes Gut auf der einen Seite des Ofens, so kann man da die Hitze vergröfsern, ohne dies im ganzen Ofen nöthig zu haben. Durch diese Anordnung soll man Kosten ersparen und die Haltbarkeit des Gewölbes verlängern können. Vor Annahme der selben hielt das Gewölbe 180 bis 200 Chargen, nach ihr wurde bei Anwesenheit v. G.s die 546. unter ein und demselben Gewölbe abgeführt und man glaubte dasselbe noch eine weitere Zeit in Benutzung halten zu können.* In Witkowitz combinirt man Bessemer- und Martinarbeit im grofsen Stile, d. h. man ent- phosphort in der sauren Birne vorgeblasenes Rohmaterial im basischen Martinofen. Früher thomasirte man dort; da es jedoch an für diesen Zweck genügend phosphorhaltigem Eisen man gelte, gab man den Birnen saures Futter und bläst nun das im Ofen zu entphosphorende Roheisen darin vor. Das Werk besitzt in der betreffenden Hüttenabtheilung 5 Martinöfen zu 20 t und 3 Birnen, alle in einer Reihe. Das Roheisen wird direct von den Hochöfen in die Birnen genommen. Beim Besuche v. G.s blies nur ein Hochofen für den combinirten Betrieb; oftmals arbeiten jedoch zwei dafür. Man sticht ein- bis zwei stündlich dafür jedesmal 5 bis 10 t ab und bläst dieselben in den Birnen gewöhnlich in zwei Hitzen vor. Abstichzeit, Abstichgröfse und Blasezeit werden einigermafsen dem Erfordern der Martin öfen angepafst bezw. danach geregelt. • Das Roheisen soll halten: Si 1,00, Mn 1,5 bis 2,0, P 0,5, S 0,02 % ; abgesehen vom Phosphorgehalt, stimmt diese Zusammensetzung ungefähr mit der gewöhnlichen schwedischen Bessemerroheisens überein. Nicht immer mag der Schwefelgehalt so minimal sein, sonst aber erklärt er sich theils als Folge der sehr basischen * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1894, Nr. 1, S. 48. VII.14 3