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»STAHL UND EISEN.* Februar 1892. Hr. Klönne-Dortmund : Bei der Amerikareise habe ich eine hydraulische Pressenanlage gesehen, die wesentlich anders als eine der hier beschriebenen arbeitete. Auf den Edge Moor Bridge Works in Edge Moor (in Delaware, zwischen Philadelphia und Wilmington) stand eine Schmiedepresse, welche die Gelenkbolzenaugen (eye-bars) für die Ge lenkbrücken amerikanischen Systems an die gewalzten Flachstäbe prefste. Eine schnelllaufende Dampfmaschine von 300 Pferdekräften, System Westinghouse, trieb eine Transmissionswelle und an dieser hingen 5 doppelt wirkende Zwillingspumpen mit je 2 sehr grofsen Schwungrädern. Diese drückten das Wasser ohne Accumulator direct in eine Rohrleitung zu den Pressen. Die Pumpen arbeiteten continuirlich und waren automatisch so gesteuert, dafs sie unbeansprucht im „Leeren“ arbeiteten. Beansprucht übten sie zunächst einen vorher bezeichneten geringeren Druck von etwa 35 Atmosphären aus, und nachdem dieser gewirkt hatte, setzte plötzlich die ganze Gentri fugalkraft der an den Pumpen angebrachten schweren Schwungräder ein und gaben dann einen Druck von etwa 300 Atmosphären. Die hydraulische Presse besteht aus 4 Cylindern, von denen ein verticaler etwa 860 mm (34") Durchmesser hat. Aufserdem sind horizontal links und rechts 2 Cylinder von 275 mm (11") angebracht und vorne zum Stauchen des Flacheisens ein solcher von 609 mm (24"). Der grofse Gylinder giebt bei 300 Atmosphären einen Druck von 1750 t und die 2 kleineren von je 185 1, der vordere 24"- Cylinder 875 t. Die Gesammtpresse übt also in einem Moment einen Druck auf das zu bearbeitende Schmiedestück aus von 3000 t. Diese Prefsanlage ist schon zu den gröfseren zu rechnen, weil sie aufserordentlich schnell arbeitet. Auf derselben werden in 9stündiger Schicht bei 13 Mann Bedienung 40 000 kg »eye-bars« fix und fertig hergestellt. Die Arbeitsmanipulation ist folgende: Zum Wärmen der auf Mafs gewalzten Flacheisen sind gröfsere mit Wind betriebene Wärmöfen angebracht. Der Flacheisenstab wird zunächst in eine unter dem grofsen verticalen Cylinder stehende Form gelegt und mit dem grofsen Cylinder festge halten. Dann prefst der vor dem Stab stehende 609 mm- (24"-) Cylinder den Kopf an den Stab. Dieser wird natürlich eine wellenförmige und formlose Masse. Darauf drücken die beiden seitlich horizontal angebrachten Cylinder die Seitenfagon und darauf dann sämmtliche Pressen, unter vollem Druck einsetzend, das Auge momentan und eiglatt fertig. Die Fabrication ist mit grofser Sachkenntnifs und Sorgfalt durchgeführt. Neben der Presse steht ein Hartgufswalzenpaar, dessen Zapfen mit Zähnen versehen sind; diese werden durch eine Zahnstange, welche ebenfalls durch Hydraulik bewegt wird, gedreht und ziehen das Flacheisen mit dem fertigen Auge, also dem eye-bar, zwischen ihren polirten Kaltwalzen durch. Diese Walzen werden durch Hydraulik auf einem bestimmten Abstand gehalten und deshalb mufs das Auge genau die Stärke des Flacheisens haben und wird das Auge so glatt, als wenn es auf der Fraismaschine bearbeitet wäre. Es können 20 und 30 Augen nebeneinander auf einen Bolzen geschnürt werden, ohne dafs auch nur ein Papierstreifen zwischen die durch sie gebildeten Charniere geschoben werden könnte. Schweifseiserne Augen macht man am Auge 50 % stärker als im Flacheisen-Querschnitt, flufseiserne 40 %, und es darf auch niemals ein Bruch im Auge erfolgen, vielmehr stets im vollen Querschnitt. Die Maschine ist durch den alten Hrn. Seilers von der weltbekannten Werkzeugmaschinen fabrik und Transmissionenfirma Seilers & Go. in Philadelphia construirt, der auch Präsident des Aufsichtsraths der Edge Moor Bridge Works ist. Hr. Seilers und der sehr liebenswürdige Director der Brückenbauanstalt, Hr. Morse, theilten mir mit, dafs man die halbe Zugkraft von Eisen und Stahl als erforderliche Stauchkraft rechne. Nach den Angaben, die ich dort erhielt, rechnete ich indefs einen Stauchdruck von 8,4 kg und von 16,80 kg zum Festhalten a. d. qmm aus. Als ich dort war, prefste man gerade an Flacheisen von 8“ X 21/2" = 200 X 62,5 mm Augen von 500 mm Durchmesser. Die Manipulation pro »eye-bar« dauerte 3 Minuten. Man rechnete durch schnittlich 200 »eye-bars« pro Tag. Die Rohrverbindungen, Krümmer u. s. w. bestehen aus viereckig geschmiedeten Blöcken, in welchen die Durchlässe gebohrt sind. Obgleich man aufser mit dem Leergang mit Drücken von 35 und 300 Atm. arbeitet und dieser hohe Druck plötzlich einsetzt, waren die relativ grofsen Rohrleitungen im grofsen und ganzen doch gut dicht. Die nicht unbedeutenden Stöfse (durch das plötzliche Einsetzen der grofsen Kraft) waren durch besonders starke Ausführungen unschädlich gemacht. Ich halte diese hydraulische Gelenkbolzen-Augen-Prefsanlage für die allerbeste von den vielen verschiedenen Systemen, die uns gezeigt wurden und welche ich ausfindig machen konnte. Keine andere hat auch nur annähernd die quantitative und qualitative Leistung. Vorsitzender: Da sich Niemand weiter zum Worte gemeldet hat, so schliefse ich die Dis- cussion und ertheile das Wort Hrn. Generaldirector Haarmann zu seinem Vortrage.