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136 Nr. 2. STAHL UND EISEN. Februar 1891. gesättigten Ofengasen bei einer, Rothgluth nicht erreichenden Temperatur, am besten bei etwa 80 bis 100°. In beiden Fällen entsteht aus dem bleisauren Kalk ein Gemisch von Bleisuper oxyd und kohlensaurem Kalk. Erhitzt man dasselbe nun zur schwachen Rothgluth, was wohl am besten durch stark überhitzten Wasserdampf geschieht, so entweicht aller Sauerstoff und es hinterbleibt ein Gemisch von Bleioxyd und kohlensaurem Kalk, welches wieder zur Regeneration des bleisauren Kalks dient. Anstatt aber die Zerlegung, wie sie durch Ofengase stattfmdet, bei welcher, wie man sieht, lediglich deren Gehalt an Kohlensäure wirksam ist, in zwei zeitlich getrennten Phasen verlaufen zu lassen, kann man die Austreibung des Sauer stoffs auch in einer einzigen Operation vor nehmen, sobald man nämlich reine Kohlensäure anwendet und diese bei schwacher Glühtemperatur auf den bleisauren Kalk wirken läfst. Hier treibt also Kohlensäure direct Sauerstoff aus. Dies ist die dritte Möglichkeit, aus den Salzen der Bleisäure Sauerstoff zu erhalten. Welches von den drei Verfahren nun in jedem einzelnen Falle am besten anzuwenden ist, hängt von den örtlichen Umständen und den Gonjuncturen ab. An Orten z. B., an welchen der Erde grofse Mengen von Kohlensäure ent strömen, wird es immer vortheilhaft sein, die dritte (directe) der hier erwähnten Methoden aus zuführen. Und dort, wo grofser Bedarf an Aetznatron- oder Aetzkali-Lauge ist, kann man zweckmäfsig deren Darstellung mit der von Sauerstoff nach Möglichkeit Nr. 1 verbinden. Auf jeden Fall aber bedeutet die Möglich keit, in verschiedener Combination Sauerstoff aus den bleisauren Salzen darzustellen, einen ganz besonderen Vorzug des Verfahrens, welchem nichts Aehnliches an die Seite gestellt werden kann. Die Form nun, in welcher der bleisaure Kalk am besten dargestellt wird oder zur An wendung gelangt, ist die von lockeren, po rösen Stücken, welche in leichtester Weise erhalten werden können und aus welchen das Präparat durch Zerreiben auch leicht in pulver förmigem Zustande zu gewinnen ist. Ich ver weise hiermit, um mich nicht zu wiederholen, auf meine umfangreichen Originalmittheilungen in Dinglers polytechnischem Journal, Band 274 Heft 3 bis 6, und Band 278 Heft 10, ferner in der »Chemischen Industrie« Nr. 6 und 7, Jahrgang 1890. — Die Regeneration des bleisauren Kalks aus dem nach dem Austreiben des Sauerstoffs ver bleibenden Gemenge von Bleioxyd und kohlen saurem Kalk (siehe oben) ist nun ebenso wie die erste Darstellung des Präparats in kürzester Frist, etwa in 5 bis 10 Minuten, ausführbar. Das Präparat läfst sich beliebig lange, ohne Er schöpfung seiner ursprünglichen Fähigkeit, zur Darstellung von Sauerstoff und darauf folgender Regeneration benutzen, ohne dafs, wie ja deut lich aus der Entstehung des Körpers hervorgeht, ein Gehalt der Luft an Kohlensäure oder Wasser seiner Wirksamkeit Eintrag thut. Es ist ferner ein sehr wichtiger Umstand, dafs man bei der Herstellung und Regeneration des bleisauren Kalks nicht an die Benutzung von Retorten gebunden ist, sondern dasselbe auch in jedem Flammofen, ja selbst in einem Schacht ofen herstellen kann, wodurch erst ein wahrhaft grofsartiger Betrieb ermöglicht wird. — Diese kurzen Mittheilungen genügen bereits, um nun die Vor- und Nachtheile beider hier ge schilderten Hauptverfahren zur Erzeugung von Sauerstoff einander gegenüber zu stellen und zu beleuchten. Fangen wir mit der materiellen Grundlage beider Processe an, so sehen wir 1. auf der einen Seite einen verhältnifsmäfsig kostspieligen Körper, das Baryumoxyd, dessen Handelspreis etwa 150 •6 für je 100 kg be trägt, während auf der andern Seile das blei saure Calcium nur etwa den dritten Theil soviel kostet; 2. ist es Thatsache, dafs das Baryumoxyd durch schon sehr geringfügige Beimengungen von Kohlensäure und Wasserdampf innerhalb der zur Absorption gelangenden Luft in seiner Wirk samkeit beeinträchtigt wird, während der blei saure Kalk durch Kohlensäure und Wasserdampf nicht im geringsten verschlechtert wird, wie ja seine Entstehung aus Carbonaten bereits er kennen läfst; 3. ist es erwiesen, dafs von dem durch Auf nahme von Sauerstoff gebildeten Baryumsuper- oxyd niemals die volle Menge Sauerstoff wieder abgegeben wird, sondern immer nur ein ziemlich kleiner Bruchtheil, welcher von dem Chemiker in Brins Oxygen Company, Hrn. Thorne, selber nur auf etwa 8 % angegeben wurde. Auf diese Weise ist bei dem Brinschen Ver fahren eine sehr grofse Masse Substanz unnöthig zu erhitzen, nämlich um jedesmal ein Atom (16) Sauerstoff zu gewinnen, etwa 2112 mal soviel an Baryumsuperoxyd. Demgegenüber giebl der in seine Componenten zerlegte blcisaure Kalk den Sauerstoff' bis aufs letzte Procent ab, so dafs 16 g Sauerstoff immer bereits schon aus 439 g des Gemisches entwickelt werden. Was nun die zum Betriebe nothwendigen Anlagen betrifft, so sehen wir 4. bei dem Brinschen Verfahren einen sehr kostspieligen Apparat, welcher aus Regenerativ- gasofen, stählernen Retorten nebst dazugehörigen Compressionspumpen und Säugpumpen besteht; ferner gehört dazu eine kräftige Dampfmaschine, sowie ein Reinigungsapparat, um die Luft von Wasserdampf, Kohlensäure und Staubtheilchen zu befreien.