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488 Nr. 6. Juni 1890. STAHL UND EISEN? gestellt. Ein Bedürfnifs zu solcher Ausnahme stellung der Bergwerks- u. s. w. Betriebe kann nicht anerkannt werden, da Fälle processualer Streitigkeiten der in § 3 bezeichneten Art bisher zu den Seltenheiten gehörten. Aufserdem er scheint er aus Gründen allgemeiner socialpoli tischer Natur nicht angezeigt, die Verhältnisse der Bergleute in der in Rede stehenden Beziehung anders zu regeln, als die der übrigen Arbeiterkreise. II. Die im Entwürfe vorgesehene Zusammen setzung der Gewerbegerichte unterliegt keinem Bedenken. Wenn jedoch, was die Wahl der Beisitzer betrifft, nach § 12, letztes Alinea, auch der Fall directer Wahlen ins Auge zu fassen ist, so wird solchem Wahlmodus, mit Rücksicht auf die mit der directen Wahl unvermeidlich verbundenen Unzuträglichkeiten, entschieden wider sprochen. Die Wahl der Beisitzer des Gewerbe gerichts hat durch die Vorstände der Kranken- und Knappschaftskassen in der durch das Statut oder die Anordnung der Landes-Centralbehörden näher zu bestimmenden Weise zu erfolgen. Es sollte durch das Gesetz nicht ausgeschlossen sein (wie es § 10 des Entwurfs bestimmt), den Vor sitzenden aus der Mitte der Arbeitgebermitglieder der Gewerbegerichte bestellen zu können. III. Die Bestimmungen des Entwurfs über das Verfahren geben zu Bemerkungen insofern Anlafs, als nach § 48, Absatz 1, im ersten auf die Klage angesetzten Termin die Zuziehung der Beisitzer unterbleiben kann. Die letztere ist vielmehr aus nahmslos in jedem Termin zu fordern. Zu § 49 wird beantragt, die Kammern für Handelssachen überall da, wo solche bei den Landgerichten bestehen, als Berufungs- und Be schwerdegerichte einzusetzen. IV. Es soll nicht verkannt werden, dafs die Ge werbegerichte als Einigungsämter unter besonders günstigen Umständen in einzelnen Industrieen in der Lage sein werden, auf der Grundlage des durch den Entwurf vorgeschriebenen Verfahrens Interessenstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern im Wege der Vereinbarung oder des Schiedsspruches beizulegen. Für die meisten In dustrieen, wie insbesondere auch für den Berg bau, ist jedoch im Falle eines Massenstreiks eine gedeihliche Wirksamkeit des Einigungsamtes mangels einer geschlossenen, die Mitglieder in rechtsverbindlicher Weise verpflichtenden Organi sation beider Theile kaum zu gewärtigen. Wenn dem ungeachtet der Einrichtung selbst, da sie nur auf Anrufen beider Theile ins Leben tritt, nicht widersprochen wird, so ist doch auf Grund der während der vergangenen Streikbewegungen mit den Wahlen der sogenannten Delegirten ge machten Erfahrungen nachdrücklichst diejenige Bestimmung des Entwurfs zu verwerfen, welche die Frage, ob die Vertreter der Arbeiter vor dem Einigungsamt genügend legitimirt zu erachten seien, dem freien Ermessen des letzteren überläfst. An Stelle des freien Ermessens des Einigungsamtes hat das Anerkenntnifs durch die andere Partei zu treten und steht der Aufnahme einer Be stimmung in das Gesetz des Inhalts, dafs die Legitimation der Vertreter beider Parteien durch das gegenseitige Anerkenntnifs bewirkt werde, ein Bedenken nicht entgegen. V. Die für eine Reihe von Staatsbetrieben vor gesehene Exemtion von den Bestimmungen des Gesetzes erscheint ungerechtfertigt.“ Ganz besonderes Gewicht legen wir auf die Resolution V; denn wir vermögen nicht ein zusehen, weshalb der Staat eine Reihe seiner Betriebe von den »Wohlthaten« eines Gesetzes ausnehmen soll, das er doch als segensreich für die gesammte Arbeiterschaft erachtet. Sind es aber Gründe der »Disciplin«, welche den Staat veranlassen, für seine Arbeitsstätten von der Ein führung des Gesetzes abzusehen, so würden diese Gründe für die Privatindustrie doppelt schwer ins Gewicht fallen und das Gesetz unannehmbar machen, da einerseits die Disciplin in den privat industriellen Werken ebenso nothwendig zur Auf rechterhaltung eines geordneten Betriebes erscheint, wie in den Staatswerkstätten, und andererseits dem Staate hinsichtlich der Disciplinirung seiner Arbeiter gröfsere Machtmittel zur Verfügung stehen, als die Privatindustrie sie besitzt. Ebenso wissen wir uns völlig einig mit dem »Centralverbande deutscher Industrieller« in Bezug auf die Novelle zur Gewerbeordnung, indem wir folgenden, von der genannten Körperschaft gefafsten Resolutionen zustimmen: I. Allgemeine Verhältnisse. (Arbeit an Sonn- und Festtagen.) §§ 105a—105h. a) Der Centralverband hat sich in seiner Delegirtenversammlung vom 5. und 6. October 1885 mit den Bestrebungen einverstanden erklärt, die Arbeit an Sonn- und Festtagen auf ein möglichst geringes Mafs zu beschränken. b) Demgemäfs erklärte er, dafs die Arbeit an Sonn- und Festtagen, welche lediglich dem Zwecke einer Vermehrung der regelmäfsigen Production dient, als unzulässig zu erachten sei. c) Der Centralverband erkannte jedoch die Arbeit an Sonn- und Festtagen für unvermeidlich, soweit die Natur des Gewerbebetriebes einen Aufschub oder eine Unterbrechung aus technischen Gründen nicht gestattet; zum Zwecke der Aus führung von Reparaturen, durch welche die Wiederaufnahme des eigenen oder eines fremden Betriebes am folgenden Werktage sicher gestellt werden soll; zum Zwecke der Revision, Reinigung