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Ueber Streckproben von Eisen und Stahlröhren. Von Axel Wahlberg. Um Probestücke zur Vornahme von Festigkeits- Untersuchungen bei Röhren zu erhalten, werden diese, falls sie keine gröfseren Dimensionen haben, gespalten und dann entweder eine oder beide Hälften flach gehämmert. Bei gröfseren Röhren wird jedoch nur ein Segment herausgeschnitten. In beiden Fällen werden die Kanten der flach gehämmerten Stücke beschnitten, wodurch die Probestücke das Aussehen von gewöhnlichen Blechproben erhalten. Es ist jedoch klar, dafs man beim Flachhämmern dem Material mehr oder weniger Gewalt anthut, und dies um so mehr, je kleiner der Durchmesser ist und das ausge schnittene Segment sich einem Halbkreis nähert, dagegen um so unerheblicher, je gröfser das Rohr ist, und die Höhe des Segments deshalb geringer genommen werden kann. Am ungünstigsten wirkt das Flachhämmern, wenn dasselbe kalt geschieht; aber auch wenn es im warmen Zustand erfolgt übt es stets einen nachtheiligen Einflufs aus. Dies gilt hauptsächlich für Röhren ohne „Schweifsnaht“. Dieselben werden auf dem Sandvikener Eisenwerk und auch auf anderen Werken so hergestellt, dafs man die ursprünglich vierkantigen Gufs- blocke rund walzt, nachher locht und schliefs- lieh über einen Dorn zu den gewünschten Dimen sionen auswalzt. Die Molecüle werden auf diese Weise ganz langsam und allmählich in ihre schliefsliche Lage gebracht, welche Lage somit für sie, sozusagen, eine „natürliche“ wird. Beim Flachhämmern der aus den Röhren geschnittenen Proben, was wenigstens bei den nahtlosen immer winkelrecht gegen die Walz richtung, also äufserst ungünstig geschieht, findet ein Strecken auf der Innenseite der Röhren und ein Zusammendrücken auf deren Aufsenseite statt, und dieses wird natürlich um so bedeutender, je mehr der Ausschnitt sich dem Halbkreis nähert. Die Lage der Molecüle wird hierdurch weniger „natürlich“, und die Resultate, welche man bei der Streckprobe erhält, geben keinen richtigen Begriff über die Festigkeitseigenschaften der be treffenden Röhren. Abgesehen von der Schwäche, welche, obigen Erfahrungen gemäfs, den flachgehämmerten Proben anhaftet, hat diese Prüfungsmethode auch andere Nachtheile. Es ist nämlich beinahe ganz un möglich, solche Proben gleichmäfsig zu erhalten. Wenn das Flachhämmern unter einer Schmiede presse geschähe, wo die Gröfse des Druckes für sämmtliche Proben gleich sein könnte, und wenn man dabei die Proben entweder kaltdrücken oder immer denselben Wärmegrad beibehalten könnte, so wäre eine Gleichmäfsigkeit zu erreichen, sonst aber nicht.* Die nachfolgenden vergleichenden Festigkeits proben wurden auf dem Sandvikener Eisenwerk ausgeführt, dessen Direction die Resultate in zu vorkommendster Weise zu meiner Verfügung gestellt hat. Sämmtliche Proben wurden mit nahtlosen Röhren von 38 bis 40 mm Durchmesser und einer Wandstärke von etwa 3,5 mm ausgeführt. Die Röhren wurden gespalten und unter einem Dampfhammer bei einem Wärmegrad flach gehämmert, welcher in jedem einzelnen Falle annähernd angegeben wurde, und man hat ver sucht, die gröfstmöglichste Gleichmäfsigkeit, so wohl in Bezug auf die Erwärmung, als auf die Bearbeitung beim Flachhämmern zu erhalten, obwohl die Schwierigkeiten hierbei doch ganz bedeutend sind. Versuchsreihe I. Die Ergebnisse dieser Reihe gehen aus der Tabelle I hervor. Wie ersichtlich, umfafst die selbe 6 Proben mit einem Kohlenstoffgehalt von 0,11 bis 0,40 %. Von jedem Rohr wurden zwei Proben neben einander herausgeschnitten und von diesen wurde die eine in zwei Hälften gespalten, welche dann bei schwacher Rothwärme flachgehämmert wurden. Die so flachgehämmerten Proben wurden an den Kanten bis zu 40 mm Breite beschnitten, wo nach etwaige sich zeigende Grate sorgfältigst ent fernt wurden. Beide flachgehämmerte Proben wurden ge streckt, und die Ziffern von Tabelle I geben die Durchschnittszahlen der erhaltenen Resultate. Trotz aller Genauigkeit bei dem Flachhämmern ist diese Serie minder regelmäfsig als die, welche die Resultate für die ganzen Rohrproben enthält, von welchen nur eine für jeden Kohlenstoffgehalt * Wenn auch das Flachhämmern genau auf diese Weise und bei demselben Wärmegrad vor sich gehen könnte, würden doch, strenge genommen, nur die jenigen Probestücke miteinander vergleichbar sein, welche dieselbe chemische Zusammensetzung haben, denn Eisen und Stahl mit verschiedener chemischer Zusammensetzung wird in der Regel sowohl von Wärme, als auch von mechanischer Behandlung un gleich beeinflufst. Wenn aufserdem die Röhren bei verschiedenen Wärmegraden flachgehämmert worden sind, so können Streckproben schon allein deswegen auf flachgehämmerten Segmenten immer zu Irrthümern Anlafs geben. Kann man deshalb die Röhren nicht ganz abreifsen, so mufs man die ausgeschnittenen Segmente abreifsen, ohne sie flach zu hämmern oder auf andere Weise den Zustand ihrer Molecüle zu ver ändern.