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2 Stahl und Eisen. Ueber Darstellung von in dem Betriebe und in den wirthschaftlichen Verhältnissen aller Eisenwerke brachte das neun zehnte Jahrhundert; auch auf den alpinen Werken machte die neue Zeit ihren Einflufs geltend. Der Eisenverbrauch war mächtig gestiegen ; nicht in dem gleichen Mafse liefs sich die Holzkohlen erzeugung steigern, die Holzkohlen wurden kost spieliger, und mit der Erleichterung des Verkehrs infolge der Ausdehnung des Eisenbahnnetzes wuchs der Wettbewerb fremder Werke. Mine ralische Brennstoffe, welche zur Verhüttung der Erze im Hochofen geeignet wären, fehlen aber bekanntlich den Alpenländern gänzlich. Noch bildete die gröfsere Vorzüglichkeit des aus den phosphorarmen Erzen mit Holzkohlen erzeugten Eisens und Stahls ein wirksames Gegengewicht zur Ausgleichung der immer gröfser werdenden Schwierigkeiten; da kam das Jahr 1878 und brachte die Erfindung der Entphosphorungsver fahren mit basischer Schlacke. Aus Roheisen mit mehr als 2 % Phosphor konnte man jetzt schmiedbares Eisen erzeugen, dessen Phosphor gehalt weniger als 0,1 % betrug und demnach nicht erheblich höher war als in dem Eisen, zu dessen Darstellung das vorzüglichste steirische Spatheisenerz als Rohmaterial Verwendung fand. Schwieriger ist dadurch unleugbar den steirischen Eisenhüttenleuten der Kampf gegen fremden Wettbewerb, zumal bei Darstellung der weicheren Eisensorten, geworden, und doppelte Anerkennung verdienen deshalb die Erfolge, welche Steiermarks Eisenhüttenbetrieb trotzdem noch immer erringt. Es ist bekannt, dafs man, veranlafst durch die vorzüglichen Eigenschaften des auf basischem Herde erzeugten weichen Flufseisens, selbst in Steiermark bereits zum basischen Martinverfahren übergegangen ist. Dafs auch hierbei die vortreff liche Beschaffenheit der steirischen Erze die Güte des Enderzeugnisses noch vortheilhaft beeinflufst, ist nicht in Abrede zu stellen; zu gröfserer Be deutung gelangt indefs die Reinheit der Erzberger Erze und ihre Verhüttung mit Holzkohlen bei der Darstellung des kohlenstoffreicheren Eisens, des Stahls im engeren Sinne, insbesondere des Werkzeugstahls. Ein Phosphorgehalt, der im weichen, für gewöhnlichere Zwecke bestimmten Eisen als belanglos betrachtet wird, kann das Verhalten harten Stahls empfindlich schädigen; es ist aber auch eine vielfach gemachte Beob achtung, dafs ein mit Holzkohlen aus reinen Erzen dargestelltes Roheisen zur Gewinnung eines durch hohe Vorzüglichkeit ausgezeichneten End erzeugnisses sich im allgemeinen besser eignet, als ein mit mineralischen Brennstoffen gewonnenes, wenn auch die chemische Untersuchung uns noch nicht immer klaren Aufschlufs über die Ursachen dieses Unterschiedes gegeben hat. An dererseits fallen Unterschiede in dem Preise der Rohstoffe um so weniger ins Gewicht, je beträcht licher die Verarbeitungskosten sind, je höher Werkzeug stahl u. s. w. 1. Januar 1895. also der Preis einer Waare ist, und je gröfsere Bedeutung ihre Güte für die Verwendung besitzt. Ganz besonders kommt auch diese Thatsache bei Darstellung des Werkzeugstahls in Betracht, und sie bildet die Begründung dafür, dafs die alpinen, in erster Reihe die steirischen Werke sorgsam bemüht sind, den hohen Ruf ihres Werkzeugstahls zu wahren, indem sie nach wie vor sich des Holzkohlenroheisens als Material für seine Darstellung bedienen und auch bei dem Betriebe der Hochöfen, welche für diesen Zweck arbeiten, jede Aenderung zu vermeiden suchen, welche Aenderungen in der Beschaffenheit des erfolgenden Roheisens nach sich ziehen könnte. Neben der Beschaffenheit des Materials bedingt aber, wie bekannt, auch die Sorgsamkeit, welche auf das Arbeitsverfahren verwendet wird, in er heblichem Mafse die Güte eines Erzeugnisses. Im Laufe vieler Jahrhunderte ist die Erzeugung von Werkzeugstahl — ursprünglich alsGärbstahl — in den österreichischen Alpen ausgebildet worden, der Vater hat seine Erfahrungen auf den Sohn vererbt, und ein Arbeiterstamm ist entstanden, welcher mit dem Verhalten des gegen jede un richtige Behandlung so empfindlichen Materials aufs genaueste vertraut ist. Diese Verhältnisse ertheilen der alpinen Werk- zeugstahldarstellung ihr eigenartiges Gepräge. Bei einer Reise durch Steiermark und Nieder österreich hatte ich kürzlich Gelegenheit, in den Betrieb einiger der betreffenden Stahlwerke Ein blicke zu werfen, welche in mehrfacher Hinsicht für mich lehrreich gewesen sind. In der Literatur ist bisher dieser Zweig des Eisenhüttenwesens ziemlich dürftig behandelt worden; ich glaube deshalb in der Annahme nicht fehlzugehen, dafs einige Mittheilungen hierüber die Antheil- nähme einer gröfseren Zahl von Lesern zu er wecken befähigt sein dürften. An der Südbahn, eine halbe Stunde diesseits Bruck an der Mur, liegt der Ort Kapfenberg mit der gleichnamigen Stahlhütte (Abbild. 1). Das Werk, jetzt das bedeutendste und noch in rascher Aus dehnung begriffene Tiegelstahlwerk der Alpen, wurde 1854 durch den Baron Franz Mayer von Meinhof gegründet und besafs ursprünglich nur einen einzigen Tiegelschachtofen für sieben Tiegel, welcher mit Holzkohlen gefeuert wurde. Drei ähnliche Oefen wurden im Jahre 1858 erbaut. Bald nachher, und zwar im Jahre 1860, kurz nachdem die Siemensfeuerungen ihre ersten Er folge errungen hatten, ging man zu dieser Ofen form über, und 1868 baute man auch einen Martinofen, den ersten Ofen dieser Art in Oester reich und Deutschland. Bekanntlich hat die an fänglich gehegte Erwartung, dafs das Martin schmelzenimstandesein werde, das Tiegelschmelzen entbehrlich zu machen, sich nicht erfüllt; als man diese Thatsache erkannt hatte, wurde der Ofen wieder beseitigt. 1872 erwarb die Inner-