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15. Januar 1896. Verhalten von Flufseisen. Stahl und Eisen. 67 Am Werke wurden Kaltbiegeproben nicht aus geführt, dagegen in der Brückenbauanstalt, und wurde hier constatirt, dafs das Material, ent nommen dem Steg, längs und quer, sowie dem Plantsch eines der gesprungenen Träger, die Kaltbiegeprobe gut bestanden hat; dasselbe wurde um 180° „kalt anstandslos zusammen geschlagen“. Der vorliegende Fall ist namentlich durch den Umstand von besonderem Interesse, weil er zeigt, wie auch qualitativ hochwerthiges Flufseisen durch fehlerhafte Bearbeitung seine technisch werthvollen Eigenschaften verlieren und den Charakter der Unzuverlässigkeit annehmen kann. Vor Allem ist die Erstellung einspringender Ecken zu rügen. Einspringende Ecken sind auch im Schweifseisen „Rifsanfänge" ; im Flufseisen, namentlich wenn die Ecken scharf, durch Meifselhiebe entstanden sind, wie im vorliegenden Falle, unbedingt ge fährlich! Mufs man absolut „einspringende I Ecken“ erstellen, so sollte die Eckstelle voran- I gehend angebohrt, die Ecke also ausgerundet, das Material an der Eckstelle unbeschädigt bleiben, und hätte die Entfernung des Eckstückes mittels Fräse, Bandsäge oder Kaltsäge zu erfolgen. Die Anwendung des Kreuzmeifsels und des Vorschlag hammers zur Abtrennung des Eckstückes darf als ein geradezu „vorsündfluthliches Ver fahren“ der Anarbeitung des Eisens überhaupt, für das Flufseisen insbesondere als ein durchaus unzulässiges bezeichnet werden. Es mufs natur- gemäfs Brüchigkeitserscheinungen erzeugen, die mit dem Werthe des Flufseisens als Bau- und Gonstructionsmaterial nichts gemein haben. Es würde zu weit führen, an das Vorstehende die Ergebnisse der Untersuchungen der zahlreichen Brüchigkeitserscheinungen anzugliedern, die an Eisenbahnmaterialien ausgeführt wurden. Wir müssen es uns versagen, auf dieselben einzugehen, weil dadurch der Rahmen unserer Arbeit weit überschritten, andererseits durch Anführung der bisher gepflogenen Untersuchungen wenig neues Licht in die Sachlage gebracht würde.“ — Nachdem Prof. v. T e t m a j e r noch Mittheilungen über einige auswärts aufgetretene Brüchigkeits vorkommnisse gemacht hat, sagt er: „Am Schlüsse der Zusammenstellung meiner Erfahrungen bezügich der Brüchigkeitserschei nungen gestatte ich mir nun, auf die Beantwortung der gestellten und eingangs angeführten sechs Fragen einzutreten: Zu 1. Vorstehende Zusammenstellungen ent halten eine Reihe von Fällen anormalen Verhaltens des Flufseisens Sie sind theils durch das Auftreten plötzlicher, unerwarteter Brüche fertiger Gonstructionen, theils durch das Auftreten von Unzuverlässigkeitserscheinungen während der Be arbeitung des Materials gekennzeichnet Von sämmtlichen in den Bereich meiner Erfahrung fallenden Fällen liegt indessen keiner vor, der völlig unaufgeklärt geblieben wäre. Zu 2. Da die mir bekannt gewordenen Brüchigkeits- und Unzuverlässigkeitserscheinungen des Flufseisens bald auf Fabricationsmängel, bald auf fehlerhafte Bearbeitung oder dem Materiale nicht angemessene Formgebung und Behandlung einzelner Organe* von Bauwerken und Construc- tionen aller Art** zurückzuführen sind, ist der constatirte Rückgang der Unzuverlässigkeits erscheinungen des Flufseisens keineswegs aus- schliefslich Folge der fortschrittlichen Entwicklung der metallurgischen Processe der neuesten Zeit. Indessen unterliegt es keinem Zweifel, dafs an dem beobachteten Rückgänge die Fortschritte der Metallurgie, der Formgebung und namentlich auch die Behandlung der Fertigproducte nach der Formgebung einen nennenswerthen Antheil besitzen. Zu 3. Frage 3 fällt durch die Art der Beant wortung der Frage 1 für mich dahin. Zu 4. Frage 4 ist mit 3 beantwortet. Zu 5. Mir scheint es im höchsten Grade wünschenswerth, dafs die Commission bestehen bleibt und sich weiter verstärkt und ausdehnt. Ihre Aufgabe wäre indessen, analog der Com mission 20, eine von der ursprünglichen Fassung etwas verschiedene. Nach meiner Auffassung wäre die Commission die mafsgebende Sammel stelle aller Erfahrungen, die in Hinsicht auf die so- j genannten Unzuverlässigkeitserscheinungen gemacht । werden. Hierbei sollte die Commission sich nicht allein auf das Sammeln und Sichten von ange meldeten Brüchigkeitserscheinungen beschränken, sondern deren nähere Untersuchung veranlassen, j bezw. solche selbst vornehmen. Durch die zeit weise Veröffentlichung des eingesammelten Materials und der untersuchten Unzuverlässigkeitsfälle wird die Commission und durch sie unsere internationale Vereinigung der Oeffentlichkeit unzweifelhaft hervor ragende Dienste erweisen. Zu 6. Der durch den Herrn Vorsitzenden der Untercommission Nr. 19 in Aussicht genommene Weg scheint mir der richtige; derselbe wäre den Umständen und vielleicht neuartigen Gesichts punkten angemessen zu modificiren. Bezüglich der aufzubringenden Geldmittel der Gesammtarbeit wird die nächste Conferenz zu berathen und zu entscheiden haben.“ Das Gesammtergebnifs seiner Umfrage hat Oberingenieur Eckermann in einem Rund schreiben den Mitgliedern der Untercommission 19 bekannt gegeben. Es waren von 23 Commissionsmitgliedern Rückäufserungen eingetroffen, während von 11 Mitgliedern die Antworten noch ausstehen. * Vergl. z. B. die Bildung einspringender Ecken in den behandelten gesprungenen 55 cm-Trägern. ** Die Wahl falscher Constructionsformen war früher vielfach Ursache von vorzeitigen Bandagen- Sprüngen von Locomotivrädern und Bahnfahrzeugen.