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kann, dasselbe aber beim Einathmen das Gehirn rasch lähmt und das Blut'zersetzt. Hat man solche Unglücksfälle bei anderen Men schen beobachtet oder am eigenen Körper durch die unerträglichen Nachwehen selbst empfunden, dann kann man sich des Gedankens nicht mehr erwehren: Giebt es denn kein Vorbeugungs- oder wenigstens kein Heilmittel, um diesem Feinde des kostbaren Menschenlebens entgegenzutreten und zu helfen, das eigene wie das fremde Leben zu erhalten? — Die ersten derartigen Unfälle lernte Schreiber dieser Zeilen 1854 auf der Niederrheinischen Hütte kennen, als Versuche gemacht wurden, einerseits die Gichtflamme zum Heizen von Wasseralfinger-Apparaten zu benutzen und andererseits auch aus tieferen Zonen der Gicht noch Gase abzuziehen, um durch deren Ver brennen den Gebläsewind stärker zu erwärmen. Die Versuche musten aus anderen Ursachen ab gebrochen werden, * wurden aber nicht wieder auf- genommen wegen der chronisch giftigen Wirkung des I Kohlenoxyds der Hochofengase auf alle dabei be schäftigt gewesenen Menschen. Erst nach Einführung der geschlossenen Langen- sehen Trichter mit Gasfang wurden auf allen gröfseren Hochofenwerken des rheinisch-westfälischen Reviers erneute Versuche gemacht, die Hochofengase abzu ziehen und in Röhrenapparaten zu benutzen. Gleich zeitig traten aber auch auf allen diesen Werken, nach den mir vorliegenden Berichten, die Fälle von Kohlenoxydvergiftungen häutiger auf. Die vorge schlagene Benutzung von Respiratoren, deren Watte füllung mit Lösung von Palladiumchlorür getränkt war, brachte keine Abhülfe, trotzdem bekannt war, dafs dieses Salz das Kohlenoxyd absorbirt. Man schenkte zu jener Zeit den gleichen Krank heitserscheinungen im tagtäglichen Leben mehr Auf merksamkeit, insbesondere fand man in den gewöhn lichen Zimmeröfen, wenn dieselben Risse und Sprünge hatten, besonders veranlafst durch die seitdem ver rufene, aber leider noch nicht überall verbotene Ofen klappe, eine wesentliche Ursache von solchen Ver giftungen. Der Geh. Med.-Rath Dr. Eulenburg in Köln trat in seinem „Lehrbuch von den schädlichen und giftigen Gasen“ 1865 (Braunschweig, bei Vieweg & Sohn) dagegen auf. Ebenso Dr. HermannFriedberg, Berlin 1866, in seinem Werke: „Die Vergiftung durch Kohlen oxyd“. Professor Dr. Klebs in Bern berichtete in Virchows Archiv Bd. 32, S. 471: „Ueber die giftigen Wirkungen des Kohlenoxyds auf den thierischen Organismus“. In Wittsteins Schrift für praktische Pharmacie, Bd. 5, S. 379, wurde berichtet über Versuche, welche mehrere Mediciner in einem Laboratorium in Dublin mit Kohlenoxyd an sich selbst ausführten. Mit einer besonderen Broschüre trat ein Arzt in Linnich (vermuthlich Dr. H. Oidtmann), im Verlage von C. Quos daselbst, im Juni 1868 in den Kampf ein. Auch Familienblätter und Tageszeitungen brachten diesbezügliche Aufsätze. In der vorgenannten Bro schüre aus Linnich ist die bis dahin erschienene Lite ratur umfassend mitgetheilt. Auf Seite 30 findet sich zuerst erwähnt, dafs schon 1814 bei den Wieder belebungsversuchen, nach Erschöpfung aller anderen Mittel, Sauerstoff künstlich in die Lungen geleitet wurde. Das erloschene Leben kehrte nun langsam zurück, aber auch die Genesung erfolgte langsam. Später wurde durch die Spectralanalyse des Blutes nachgewiesen, wenn in diesem Kohlenoxyd vorhanden ist bezw. darauf eingewirkt hat und hierdurch aus dem Hämoglobin des Blutes das charakteristisch hellroth gefärbte Kohlenoxydhämoglobin entsteht. * Siehe „Glasers Annalen“ 1879 Nr. 47. G. Hüfner in Tübingen berichtet im „Journal für prak tische Chemie“ 1884 S. 68 bis 84, dafs die Affinität von Kohlenoxyd zum Hämoglobin 200 mal stärker ist, als diejenige des Sauerstoffs zu demselben, und dafs bei einem Kohlenoxydgehalt der Luft von nur 0,14 Vol.-Proc. etwa die Hälfte, aber schon bei 0,07 Vol.-Proc. bereits ein Drittel des sämmtlichen Blutfarbstoffes in die Kohlenoxydverbindung umgewandelt ist. Man hat beobachtet, dafs das Athmen in einer Luft, deren Kohlenoxydgehalt nicht weniger als 0,08 Vol.-Proc. beträgt, schon unbehaglich und nicht mehr ohne Bedenken ist. Bei 17,33 Vol.-Proc. an Kohlenoxyd in der Athmungsluft ist nahezu sämmt- liches Hämoglobin, nämlich 99,4 % desselben, von dem gefährlichen Gase mit Beschlag belegt. In einer solchen Atmosphäre tritt bereits der Tod ein.* Ich will nicht verfehlen an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dafs die Gefahr der Kohlenoxydgasver giftung in hohem Grade durch die neuerdings so viel benutzten zierlichen, mit sog. Anthracit - Nufskohlen geheizten Regulir-Füllöfen herbeigeführt wird, d. h. nur dann, wenn diese an sich trefflichen Oefen falsch behandelt werden. Dieselben sind in ihrer Einrichtung den Gasgeneratoren mit Fülltrichtern aus dem Grofs- betrieb sehr ähnlich. Ihre Deckel liegen meist nur lose auf, sie haben keinen Gasverschluls mit Wasserring. Rund um den Ofenkörper befinden sich in demselben so viele Spalten, als Glimmerblättchen in .den ebenfalls nur lose anliegenden vielen Thüren eingesetzt sind. Aus allen diesen Fugen entweicht ohne Zweifel Kohlen oxyd aus dem brennenden Ofen in die Wohnräume, wenn die Regulirklappe dieser Oefen um gelegt ist, d. h. wenn der kürzere Weg zum Schorn stein geschlossen, der Zug im Ofen gehemmt ist. Aber wie oft hört man auch von den Bewohnern derart geheizter Zimmer dieselbe Klage: „Ich leide diesen Winter fast stets an Kopfschmerzen, die ich früher nicht kannte.“ Warum lassen diese Menschen in solchen Fällen nicht durch ihren Hausarzt ihr Blut chemisch und spektroskopisch auf Kohlenoxyd-Hämoglobin unter suchen? Es genügt dazu nur eine geringe Kleinigkeit ihres Blutes. Ich schreibe diese Zeilen absichtlich hier nieder, um die Eisenschmelzer, welche derartige Oefen im Guls herstellen, auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. Gift ist Gift, und die Lieferung solcher Oefen mit einer Regulirklappe sollte unter allen Umständen unterbleiben. Daher fort mit derselben. An Stelle der jetzt üblichen Thüren wären aufgeschliffene Schraubenverschlüsse von aufsen anzubringen, aufser- dem ist Beseitigung der Glimmerplatten und dichter Verschlufs geboten, wiedies jetzt bereits häufig geschieht. Im Grofsbetriebe sind in der letzten Zeit schon vereinzelte Versuche gemacht worden, bei Vergiftungen durch Kohlenoxyd die künstliche Einathmung von Sauerstoffgas bei den Verletzten zur An wendung zu bringen. Während früher die Beschaffung von reinem Sauerstoff in gröfseren Mengen Umständ lich und theuer war, wird jetzt reines Sauerstoff gas comprimirt in jeder verlangten Menge, in hand licher, gefahrloser Form, zum sofortigen Gebrauch geeignet, dabei zu billigem Preise, in den Handel gebracht. Dr. Th. Elkan in Berlin N., Tegelerstralse Nr. 15, liefert Sauerstoff zum Versand in leichten, sicheren, nahtlos gezogenen Stahleylindern mit vorzüglichem Ventilverschlufs, und zwar: * Im hiesigen pharmakologischen Institut wird jetzt von Hrn. Geheimrath Professor Dr. med. Binz den Studirenden die Nützlichkeit der Sauerstoff-Ein athmung an Thieren gezeigt, welche durch Kohlen oxyd vorher vergiftet wurden.