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514 Stahl und Eisen. lierichte üher Versammlungen aus Fachvereinen. 15. Juni 1897. zweifellos. Danach haben unsere Staatsbahnen im Jahre 1895/96 einen Gesammtüberschufs von 467 Millionen Mark erbracht, oder 52 Millionen Mark mehr, als ver anschlagt worden war. Für das Haushaltsjahr 1896/97 wird sich der Gewinnertrag noch um etliche Millionen erhöhen. Da kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dafs es eine gesunde wirthschaftliche Auffassung ist, dahin zu streben, den Bedürfnissen der Erwerbszweige durch angemessene Gestaltung der Gütertarife ent gegenzukommen, anstatt das ganze Augenmerk auf die Erzielung hoher Ueberschüsse zu richten. Noch weniger Günstiges kann von dem Ausbau eines leistungsfähigen deutschen Wasserstrafsennetzes gemeldet werden. Im Gegensatz zu Frankreich, wo seit 16 Jahren die künstlichen und natürlichen Wasser- strafsen als „nationale Strafsen" den Interessenten abgabenfrei zur Verfügung stehen, hat sich bei uns aus engherzigster und kurzsichtigster Fiscalität einer seits und aus übertriebener Rücksicht auf agrarische Wünsche andererseits eine Abneigung gegen den Wasser- strafsenverkehr herausgebildet, die man geradezu als Wasserfeindschaft bezeichnen kann. Trägt man sich doch mit dem Gedanken, Schiffahrtsabgaben auf natür lichen Wasserstrafsen wieder einzuführen. Ganz ab gesehen davon, dafs einem solchen Versuch zunächst Artikel 54 unserer Reichsverfassung und unsere inter nationalen Verträge mit Holland und Oesterreich- Ungarn entgegenstehen, kommen die gröfseren oder geringeren Aufwendungen für die Correctionsbauten unserer Ströme der Allgemeinheit und dem Lande in so hohem Grade zu gute, dafs sie durchaus nicht lediglich im Interesse der Schiffahrt gemacht werden. Die Tarife der Wasserwege aber um deswillen zu vertheuern, weil man nur auf diese Weise eine dauernde Rentabilität der Staatseisenbahnen erzielen könne, ist denn doch eine so ungeheuerliche Verkehrspolitik, dafs man dieselbe im 19. Jahrhundert für unmöglich halten sollte. Zudem erscheint uns die Annahme, dafs der billige Wassertransport die Eisenbahnen schädige, nicht richtig; denn die Statistik lehrt, dafs ein lebhafter Wasserverkehr stets auch einen leb haften Eisenbahnverkehr im Gefolge hat. Demgegenüber schildert Redner die wasserfeind liche Haltung der Ostelbier, wie sie neuerdings nament lich gelegentlich der Debatte über die Tarifbildung für den Dortmund-Emskanal hervorgetreten sei. Natür lich seien unter solchen Umständen die Aussichten für das Zustandekommen des Dortmund-Rbeinkanals recht trübe. Zum Bedauern der Industrie ruhe auch das Vorhaben der Moselkanalisirung, die vor wie nach für die billigen Transporte der lothringischen Minette zum Kohlenrevier und der Kohlen und Koks zum Minetterevier für durchaus nothwendig ist, vergraben in den Acten. Der Ausbau eines leistungsfähigen Wasserstrafsennetzes bildet für die weitere Entwicklung unseres wirthschaftlichen Lebens eine Nothwendigkeit, zumal im Hinblick auf den Wettbewerb mit dem Ausland. Den Schlufs der Ausführungen des Redners bildet eine Betrachtung über die Arbeiterfrage. Auf diesem Gebiet hat es auch im abgelaufenen Jahre nicht an jenen Experimenten gefehlt, wie wir sie in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Versuche zur „Besserung des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“ so reichlich erlebt haben. Je mehr Fremde aber sich in das Verhältnifs, das zwischen dem Arbeiter und dem Fabricanten besteht, hinein zudrängen suchen, je mehr man mit Arbeiterausschüssen und dergleichen natürliche Verhältnisse künstlich stört, desto mehr Unzufriedenheit erzeugt man, eine desto gröfsere Ernte aus dem Kreise der Unzufriedenen hält die Socialdemokratie, die deshalb Leuten, wie Professor Wagner u. a., welche für sie die Vorarbeit verrichten, zu bestem Dank verpflichtet ist. Redner will des nähern auf jene bekannten Vorgänge nicht eingehen, da dieselben ja eine gründliche Besprechung im Abgeordnetenhause gefunden haben. Aus den bei dieser Gelegenheit seitens des Unterrichtsministers Dr. Bosse gethanen Aeufserungen scheint hervorzu gehen, dafs man auch in Regierungskreisen die Noth wendigkeit empfindet, für die mafs- und ziellos aus schweifende „philosophische“ Behandlung der socialen Fragen ein Gegengewicht zu schaffen in einer ernst haften Beschäftigung mit der Rechtskunde; denn die Grundbegriffe des Rechts sind bei dem TVT& pel vieler Kathedersocialisten, die den Begriff des Eigen thums und die durch diesen Begriff bedingten In stitutionen „in den Flufs der Geschichte“ stellen, viel fach verloren gegangen und haben jene Schaar ge bildeter Socialisten grofsgezogen, die auch in dem grofsen Hamburger Hafenarbeiterausstande eine ver- hängnifsvolle Rolle gespielt haben, einem Arbeiter ausstande, in welchem mit einer Frivolität ohne gleichen seitens der Arbeitnehmer ein Kampf um die Macht vom Zaune gebrochen wurde, der die Noth wendigkeit einer Goalition der Arbeitgeber in das hellste Licht setzte. Durch festes Zusammenstehen werden die letztem auch einmal wieder Zeiten herbeiführen, in denen nicht nur von Rechten, sondern auch von Pflichten der Arbeiter die Rede ist, was man zeitweise als kaum zulässig zu betrachten scheint, und was doch recht eigentlich in dem altbewährten Spruch unseres Hohenzollernhauses gefordert wird: suum cuique. Im Sinne dieses suum cuiqe soll auch im Wirthschafts- jahr 1897 die Arbeit des „Wirthschaftlichen Vereins“ gethan werden. (Lebhafter, lang anhaltender Beifall!) Der Vorsitzende spricht dem Redner im Namen der Generalversammlung den herzlichsten Dank für seine interessanten Ausführungen aus. An dieselben schliefst sich eine Erörterung, in welcher der Director des westfälischen Kokssyndicats, Simmersbach, die Frage des Wagenmangels bespricht; er weist darauf hin, dafs der durchschnittliche Kohlenversand in Doppelwagen in der ersten Hälfte des Mai 1896 11325, in der zweiten Hälfte des November 13 525 betrug, das ergiebt ein Mehr von 2200 D.-W. oder fast 20 %. Man dürfe annehmen, dafs die Steigerung in diesem Jahr dieselbe sein wird; es betrug nun der Versand in der ersten Hälfte des Maid. J. 13378 D.-W. Wenn die Vermehrung vom Mai bis zum November ebenfalls 20 % betragen werde, so werde ein Ver sand von 16046 D.-W. zu erwarten sein. Redner bezweifelt, dafs für einen solchen Versand der gegen- värtige Wagenpark genügen könnte, man hege viel mehr die Befürchtung, dafs Wagenmangel hierdurch entstehen könnte; er gebe anheim, die Aufmerksam keit der mafsgebenden Kreise schon beizeiten auf die Herbeiführung guter Verhältnisse zu lenken. Director Ott, Tauereigesellschaft in Ruhrort, knüpft an den Rohstofftarif an und weist darauf hin, dafs dieser die Rheinschiffahrt ganz umgestaltet habe und drohe, die Rheinschiffahrt lahm zu legen. Es sei eine Concurrenz zwischen der Rheinschiffahrt und dem Rohstofftarif für die meisten Zwecke nicht mög lich; selbst wenn der Rheinwasserstand so gut sei, dafs der Rhein bis nach Strafsburg schiffbar wäre, was wohl selten der Fall ist, dann könnte die Rhein- Schiffahrt nicht mit dem Rohstofftarif nach Freiburg oder anderen ähnlichen Gegenden concurriren. Es müfsen dahör die Umschlaghäfen dieselben Vortheile erhalten, welche dem Versand durch den Rohstoff- tarif zu gute kämen. Der Vorsitzende, Commerzien- rath S e r v a e s, verspricht, dafs der Ausschufs des Vereins die Sache prüfen werde. Sodann ergreift als letzter Redner Generalsecretär und Landtags abgeordneter B u e c k - Berlin das Wort und thei11 mit, dafs er gestern Einsicht in die Commissions berichte des Reichstags, betreffend das Unfallver sicherungsgesetz, genommen habe. Redner führt ver schiedene Einzelheiten an. Es ist danach zunächst