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1. Mai 1897. Die Dedeutung und neuere Entwicklung der Flufseisenerzeugung. Stahl und Eisen. 353 Wenn man die früher aufgestellte Behauptung, dafs von sämmtlichen bekannten Eisenerzlagern unserer Erde 90 % wegen ihres zu hohen Phosphorgehaltes zum sauren Bessemerprocefs nicht tauglich sei, als richtig anerkennt, so wird man nicht umhin können, sich darüber zu wundern, dafs die basische Zustellung nicht allgemein eine gröfsere Rolle spielt, als dies jetzt der Fall ist. Wir sehen, dafs Grofsbritannien von der basischen Birne verhältnifsmäfsig sparsam Gebrauch macht, nämlich rund 25 % im Jahre 1896 für sich in Anspruch nimmt. Bei den Vereinigten Staaten finden wir, dafs die basische Birne thatsächlich überhaupt noch gar nicht hat aufkommen können. Nur Deutsch land hat unter den drei führenden Staaten ausgiebigen Gebrauch von dem Entphosphorungsverfahren im Converter gemacht. Legen wir uns die Frage vor, wodurch die Verschiedenartigkeit dieser Entwicklung begründet sei, so ist sie selbstredend in erster Linie von der Beschaffenheit und den Kosten der zur Verfügung stehenden Erze abhängig, aber einen sehr erheblichen Antheil haben die Verkehrsverhältnisse, sowie ferner eingewurzelte Gewohnheiten und nationale Eigenthümlichkeiten für sich in Anspruch zu nehmen. Dafs in Deutschland das basische Verfahren in weitgehendstem Umfang Eingang gefunden hat, kann man nicht anders als in erster Linie dem Umstand zuschreiben, dafs die phosphorfreien Erze bei uns selten sind, und bei den hohen Transportkosten es, abgesehen von einzelnen, durch besondere Verhältnisse aus gezeichneten Bessemerwerken, höchstens bei den am Wasser gelegenen Werken in Frage kommen könnte, ob es vortheilhafter für sie wäre, basisch oder sauer zu arbeiten. Wir sehen aber, dafs das basische Verfahren, welchem von der Stunde seines Bekanntwerdens an die deutschen Eisenhüttenleute ihre gröfste Aufmerksamkeit zugewandt haben, auch von den für den Bezug ausländischer Erze günstigst gelegenen Werken vorgezogen wird, und dafs diese, wo sie die einheimischen Erze infolge theurer Eisenbahnfrachten und mangelnder Kanalverbindungen nicht in genügendem Mafse beziehen konnten, phosphorhaltige Erze aus dem Ausland in grofsen Mengen bezogen. Das basische Verfahren ist von dem deutschen Hüttenmann wissenschaftlich und technisch ausgebildet und auf die heutige hohe Stufe der Vollkommenheit gestellt worden. Der Betrieb, welcher anfänglich nicht geringe Schwierigkeiten bot, ist in mühevoller Arbeit auf unanfechtbare Sicherheit gewährende Grundlagen gestellt und die Umwandlungskosten sind durch sachgemäfse Verwerthung der Nebenerzeugnisse so vermindert worden, dafs sie in den meisten Fällen sich nicht höher als im sauren Verfahren stellen dürften. Grofsbritannien bezieht kaum phosphorhaltiges Eisenerz aus dem Ausland, hat sich aber von letzterem um so mehr abhängig gemacht in Bezug auf Bessemererze, namentlich Hämatite von Bilbao. Grofsbritannien führte im Jahre 1896 nicht weniger als 5 503155 t ausländisches Erz im Gesammtwerth von über 75 Millionen Mark ein; wir sehen, dafs in dem altberühmten Clevelander Bezirk heute mehr Roheisen aus fremden als aus dortigen Erzen erblasen wird. Gerade der Cleve- lander Bezirk ist kennzeichnend für die Wandlung der Verhältnisse in England; es betrug dort die 1882 1895 Erzeugung an Puddelluppen 865 834 188 851 „ „ Bessemermetallblöcken . . 332155 362 589 „ „ Herdmetallblöcken .... 6 096 734 846 Cleveland hat also den durch die veränderten Productionsverhältnisse hervorgerufenen Ausfall in Schweifseisen zwar gedeckt, aber es geschah dies nicht, wie man hätte erwarten dürfen, durch ausgiebige Ausnutzung des Entphosphorungsverfahrens, sei es im Herd, sei es in der Birne, nein es geschah ausschliefslich durch den sauren Herd, trotzdem man in englischen Fachkreisen die Ueber- zeugung hegt, dafs gerade der basische Herdbetrieb das Verfahren sei, welches sich am besten zur Verarbeitung der Hauptmenge des englischen Roheisens eigne. Die geringe Verwendung des basischen Herds fällt um so mehr auf, als das Erzeugnifs des sauren Herdes zum grofsen Theil zur Herstellung von Schiffbaumaterial gedient hat* ** und in Deutschland in Fachkreisen die Ueberzeugung vertreten ist, dafs es gerade für den Schiffbau viel richtiger ist, das aus dem basischen Herd stammende Flufseisen mit einer etwas geringeren absoluten Festigkeit, aber um so höheren Dehnung als Material zu nehmen. Im Jahre 1892 erklärte W. H. White,*** der erste englische Schiffbauer, dafs zwar für Schiffsbleche das basische Verfahren zulässig sei, dafs Lloyds auch neuerdings basisches Herd- flufseisen für Siederöhren zugelassen habe, dafs man aber für Kesselbleche noch nicht genügend Erfahrungen habe, um basisches Material zu nehmen. Soviel ich weifs, nimmt Lloyds Register heute noch diesen Standpunkt ein. * Von der britischen Herdflufseisenerzeugung in 1895 entfielen Winkel, welche fast ausschliefslich zum Schiffbau Verwendung fanden. ** „Stahl und Eisen“ 1891, Seite 435. *** „Journal Iron and Steel Inst.“ 1892, I, Seite 41. allein 742 625 tons auf Bleche und