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240 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 15. März 1897. sailors und firemen unter der Führung zweier der rabiatesten englischen Socialdemokraten, Tom Mann und Wilson, und sie riefen verheerende Streiks ins Leben, welche der Rhederei blutende Wunden schlugen. Da traten die Rheder zusammen und bildeten die shipping federation, und ihrem energischen Zusammen halten und ihrer Opferfreudigkeit ist es gelungen, diesen . Verband der dockers, sailors und firemen niederzuwerfen. Um die Niederlage zu verwinden, um neue Kräfte zu gewinnen, kamen diese Führer nach Hamburg und suchten auf internationalem Wege die deutschen Hafen arbeiter zu organisiren und in den Streik zu treiben, um dadurch für sich wieder mehr Macht und Ansehen zu gewinnen. Es ist einer der frivolsten Streiks, der je in unserem Vaterlande hervorgerufen worden ist, denn die Leute hatten grofse Lohnbezüge, ihre Lebens bedingungen waren im Durchschnitt nicht ungünstig. Es war ein Streik um die Machtfrage. Als endlich die Hamburger Arbeitgeber ihn beinahe überwunden hatten, da traten deutsche Professoren und deutsche Pastoren hervor und erliefsen einen Aufruf für die Strei kenden, der neues Oel ins Feuer gofs und den Streik aufs neue entfachte. Es ist dies eine der verwerflichsten Thätigkeiten des Socialismus, der sich in unseren ge bildeten Kreisen Bahn gebrochen hat und von dem neue Blüthen hervorgetreten sind vor etwa 3 Wochen in der Mitwirkung der deutschen Professoren Wagner und Hitze bei einer Bergarbeiterversammlung in Bochum. Trotzdem dort von Bergleuten selbst erklärt wurde, dafs ihre Löhne schon freiwillig um 10 bis 12 % erhöht worden seien, hielt ihnen doch Professor Wagner einen Vortrag über die anderweitige Ver- theilung des Gewinnes ihrer Arbeit, und unter Mit wirkung dieser Herren wurden Forderungen aufgestellt, die zum Theil ganz unerfüllbare sind bei bestem Willen und bei bester Lage der Industrie. Und wenn die Arbeiter auf diese Forderungen in einen ver heerenden Streik eintreten, so werden nicht zum wenigsten die Herren Professoren Wagner und Hitze die Schuld daran tragen. M. H., die Sache ist sehr ernst und wird wahr scheinlich noch weitere Folgen haben. Solche Zu stände sind geeignet, den Zwecken und Wirkungen entgegenzutreten, welche die socialpolitische Gesetz- ! gebung und die Arbeiterversicherung verfolgt. Aber ich glaube, die deutsche Industrie wird auch mit , diesen Herren fertig werden und wird sich daran ! gewöhnen müssen, dafs auch solche Leute sich mit I ihren Interessen beschäftigen und es nicht leid werden, opferwillig und freudig an der Arbeiterversicherung mitzuwirken im Sinne unseres alten grofsen Kaisers.“ Den Darlegungen des Redners folgte lang anhal- i tender, lebhafter Beifall. Es ergriff hierauf das Wort Herr Generaldirector B i 11 a, Neudeck. ,M. H. Ich möchte nur zu einem Punkte, aller dings dem wichtigsten, mir einige wenige Bemerkungen erlauben und leite meine Legitimation daraus her, dafs ich nicht nur als Vertreter einer der gröfsten oberschlesischen Verwaltungen, sondern auch als stell vertretender Vorsitzender der Schlesischen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft und schriftführendes Mit glied des Ausschusses der Versicherungsanstalt für Schlesien bei der Sache interessirt bin. Es handelt sich um den hauptsächlichsten Punkt, | nämlich die anderweitige Vertheilung der Rentenlast j bei den einzelnen Versicherungsanstalten. Die von | dem neuen Gesetzentwurf vorgescblagene anderweitige j Vertheilung hat hauptsächlich zwei Bedenken. Das I eine besteht darin, dafs die vorgeschlagene Aenderung den Gesetzgeber dahin geführt hat, die ganzen Auf- sichtsmafsregeln und insbesondere die Controle des Staatscommissars u. s. w. zu verschärfen. Der Gesetz geber erwägt, wenn die betheiligte Anstalt nur 1/a, die restlichen 3/4 dagegen sämmtliche übrigen Anstalten zusammen tragen, so wird selbstredend die betreffende Anstalt darauf loswirthschaften, sie wird alle mög lichen Aufwendungen machen, und dem mufs ge steuert werden. Das war wohl die eigentliche Ursache, dafs die Aufsichtsbefugnisse nicht nur des Staats commissars, sondern auch des Reichsversicherungs amtes und der Landescentralbehörde gesteigert bezw. neu eingeführt wurden und zwar derartig, dafs diese strengen Bestimmungen unmöglich angenommen werden können. Ich hebe hervor, dafs der Staatscommissar nun mehr jede Rentenfestsetzung zu zeichnen hat, dafs das Reichsversicherungsamt den Haushaltungsplan irgend einer Anstalt vollständig selbständig festsetzt, wenn nämlich seinen Wünschen nicht Rechnung getragen wird, und dafs aufserdem der Landescentralbehörde eine Unmenge von Befugnissen eingeräumt sind. Die Landescentralbehörde hat z. B. nicht nur die Fest setzung der Zahl sämmtlicher Beamtenstellen, sondern auch die Festsetzung der damit verbundenen Ein kommen, sogar für jeden gewöhnlichen Unterbeamten und Kanzleidiener, zu genehmigen. M. H., wo bleibt da die Selbstverwaltung der Versicherungsanstalt? Das zweite Bedenken, welches in der vorge schlagenen Vertheilung der Rentenlast liegt, ist das, dafs das Uebel nicht an der Wurzel gefafst wird, und man statt dessen die Gesammtheit für die Rente auf kommen läfst. Die Gründe, welche zu der schlechten Vermögenslage der einzelnen Versicherungsanstalten geführt haben, sind von dem Herrn Vortragenden vollständig klargelegt worden. Es handelt sich hiernach zunächst darum, dafs eine sparsame Verwaltung bei den einzelnen Anstalten eingeführt wird, ferner darum, dafs bei Festsetzung der Rente und Einziehung der Beiträge gröfsere Strenge obwaltet, was anscheinend gerade bei der Versicherungs anstalt Ostpreufsen und überhaupt denjenigen An stalten, in welchen landwirthschaftliche Arbeiter über wiegen, nicht der Fall gewesen zu sein scheint. Der dritte Punkt: gleicher Grundbetrag der Renten trotz der verschiedenen Lohnklassen, wird zu Gunsten der nothleidenden Anstalten sich nicht ändern lassen. Es könnte sich nur darum handeln, dafs bei den höheren Lohnklassen der Grundbetrag der Rente er höht und dadurch ein Ausgleich der Vermögenslage der einzelnen Anstalten herbeigeführt wird. Wichtiger scheint mir der letzte Punkt, nämlich die Berücksichtigung des Umstandes, dafs die Beiträge eigentlich zu bemessen sind nach den Gesundheits verhältnissen bezw. nach dem verschiedenen Lebens alter der Versicherten. M. H., man hat allerdings in dem Gesetz von 1889 davon Abstand genommen, die Beiträge der Versicherten nach diesen Gesichts punkten zu bemessen, und zwar aus socialpolitischen Gründen. Ich meine aber, dafs dieser Umstand sehr wohl dazu benutzt werden kann, bei Vertheilung der einzelnen Renten auf die verschiedenen Anstalten be rücksichtigt zu werden, d. h., dafs der Antheil, welcher jeder betheiligten Anstalt an der Rente zufällt, be messen wird nach der in dem verschiedenen Lebens alter der Versicherten liegenden gröfseren oder ge ringeren Belastung. DasRadicalmittel, eine einzige Landesversicherungs anstalt zu begründen, wird sich ja schwerlich durch führen lassen. Dies Radicalmittel würde bei Bayern ja sehr am Platze sein, wo acht ganz minimale An stalten existiren und eine derselben auch sehr noth leidend ist. Bei Preufsen freilich bezweifle ich, dafs man dazu schreiten wird, und dann würde allerdings als Mittel nur die anderweitige Vertheilung der Rente übrig bleiben, wie sie der Gesetzgeber jetzt vorschlägt. Und deshalb ist es nothwendig, dafs man sich klar wird, wie ohne dieses Radicalmittel Abhülfe geschaffen werden kann.