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452 Stahl und Eisen. Die Arbeiterbewegung u. s. w. 15. Mai 1898. Vorstandes die Werktagsarbeit durchgeführt werden sollte, wurde nach Eingang des letzten bischöf lichen Schreibens die nachfolgende, vom 1. Februar datirte Bekanntmachung an die Belegschaft erlassen: Bekanntmachung. Es wird hiermit nochmals darauf aufmerksam gemacht, dafs am Mittwoch, den 2. Februar ds. Js., in den Betrieben unserer Abtheilung Zeche Piesberg, wie in sämmtlichen Betrieben unserer Abtheilungen Hüttenwerk und Stahlwerk in werktäglicher Weise gearbeitet wird. Diese Mafsnahme, welche sich noch auf 6 andere, in die Woche fallende katholische Feiertage erstreckt, ist nothwendig geworden, weil anders nach den im vorigen Jahre wiederholt vorgekommenen Wasser durchbrüchen der zur Zeit ebenso schwierige als kostspielige Betrieb des Piesberges nicht ohne gröfsere Betriebsgefahr und ohne unzulässige weitere beträcht liche Zubufsen würde aufrecht erhalten werden können. Die Regelmäfsigkeit der Arbeit kann durch Ueberschichten nicht ersetzt werden. Wie bereits mitgetheilt wurde, erfolgte diese An ordnung im Einverständnifs mit der kirchlichen Be hörde. Der hochwürdigste Herr Bischof von Osna brück hat auf Grund gepflogener Verhandlungen in einem an den unterzeichneten Vorstand gerichteten Schreiben vom 27. November v. Js. ausdrücklich ge stattet, dafs die katholischen Arbeiter des Piesberges an den schon früher bekannt gegebenen 7 Feiertagen die ihnen obliegenden körperlichen Arbeiten ver richten, nachdem dieselben, wie das Kirchengebot es vorschreibt, vor Beginn der Arbeit eine heilige Messe gehört haben. Zugleich ist uns von dem hochwür digsten Herrn Bischof mitgetheilt, dafs, um den Berg leuten zur Erfüllung dieser Pflicht Gelegenheit zu geben, an den betreffenden Feiertagen in der Pfarr kirche zu Wallenhorst und in der Kapelle zu Evers burg zu einer passenden Zeit Frühgottesdienst ab gehalten werden soll. Im Steinbruchbetrieb ist für die Feiertage der Beginn der Arbeit auf 9 Uhr Morgens festgesetzt, womit die Möglichkeit gegeben wird, dafs die Arbeiter den gewöhnlichen Frühgottesdienst besuchen können. Es ist die Behauptung verbreitet worden, dafs die Arbeit an den fraglichen Feiertagen gesetzlich verboten sei. Diese Behauptung ist unrichtig, was auch schon daraus hervorgeht, dafs die katholischen Arbeiter der Georgs-Marien-Hütte und des Stahlwerks, sowie verschiedener anderer gewerblicher Betriebe an jenen Tagen stets zur Arbeit antreten. Wir erwarten daher von allen Arbeitern des Piesberges, dafs sie sich nicht irreführen lassen und die unter Zustimmung der Kirche erlassene Anordnung der Werksleitung beachten, da sie hiermit nicht nur den Interessen des Vereins, sondern auch ihren eigenen und denjenigen ihrer Familien am besten dienen. Osnabrück, den 1. Februar 1898. Der Vorstand des Georgs-Marien-Bergwerks- und Hütten-Vereins, gez.: A. Haarmann. Unterdessen war auch dem Commerzienrath Haarmann durch die Pfarrgeistlichen von Wallenhorst und Eversburg die vorerwähnte Vor stellung der Arbeiter übergeben worden. In diesem, zwar von Arbeiterhand ausgefertigten, jedoch von dem, unter ultramontanem Einflufs wirkenden Volksbureau zu Osnabrück verfafsten Schriftstücke, dessen Datum (24. Januar) durch den Vicar zu Eversburg eingefügt war, wird, unter Hinweis auf die Socialpolitik der jüngsten Zeit, die Verfügung des Vorstandes als dem Sinne der neueren Gesetzgebung zuwiderlaufend be zeichnet und ferner behauptet, dafs die Verfügung auch mit den Vorschriften der Hannoverschen Sabbathordnung im Widerspruch stehe. Weiterhin wird gesagt, dafs in der Anordnung ein unerträg licher Gewissenszwang erblickt werden müsse, da ihre Religion den Arbeitern an den Feiertagen die Enthaltung von allen knechtlichen Arbeiten vor schreibe. Endlich müsse es öffentliches Aergernifs und Anstofs erregen, wenn an den Tagen, welche die ganze übrige Bevölkerung als Sonntage be trachte, in den Betrieben des Werkes gearbeitet werde. Es komme hinzu, dafs ein geregelter Gottesdienst bei Durchführung der betreffenden Be stimmungen an den bezüglichen Feiertagen nicht möglich sei, da entweder der Mann oder die Frau die Kirche nicht besuchen könnten. Die Mafsnahme werde daher um so gröfsere Unzufriedenheit her vorrufen, als die Angehörigen des Piesberges zu der Empfindung kämen, dafs man sie anderen Bevölkerungsschichten gegenüber als minderwerthig betrachte. Dahingegen sei man gerne bereit, den durch die Feiertage entstandenen Ausfall nach Möglichkeit durch Ueberschichten zu ersetzen. An den Feiertagen werde man aber mit Ent schiedenheit festhalten müssen. Dafs die Werksleitung keine Anordnung erlassen werde, welche gesetzlich unzulässig sei, liefs man hierbei ebenso aufser Betracht, wie dafs der Bischof ausdrücklich den Arbeitern die Verrichtung der ihnen obliegenden Betriebsarbeit gestattet hatte. Ebenso setzte man sich darüber hinweg, dafs nicht nur in allen anderen Betrieben des Georgs-Marien-Vereins, sondern auch bei den sonstigen industriellen Unter nehmungen der Gegend, und zwar auch in solchen katholischer Arbeitgeber, an den gedachten Feiertagen überall gearbeitet wurde, dafs die Einrichtung eines Frühgottesdienstes von der Geistlichkeit selbst angeregt und vom Bischof ausdrücklich angeordnel war, und dafs die angeblich wegen der Beauf sichtigung kleiner Kinder bestehende Schwierigkeit nur für sehr wenige Familien in Frage stehen konnte. Inwiefern die Petenten aber die kränken den Gefühle einer Minderwerthigkeit gegen andere Bevölkerungstheile haben wollten, war vollends nicht zu verstehen angesichts der mehrfach betonten Thatsache, dafs überall anderwärts die gesammten Arbeiter sich der werkthätigen Beschäftigung an den betreffenden Feiertagen willig unterzogen. Am 2. Februar fanden sich jedoch nur zur Arbeit ein: am Haseschacht von der 427 Mann betragenden Belegschaft 274 Mann, am Stüve- schacht von 374 Arbeitern 198 Mann, im Stein bruch von rund 400 Mann 117. Unter den zur Arbeit erschienenen Leuten befanden sich 221 Katholiken, von denen 7 7 im Wasserhaltungsbetriebe beschäftigt waren. Die geringe Anzahl der zum Steinbruchsbetriebe erschienenen Arbeiter war ohne