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1062 Stahl und Eisen. Zur Beurtheilung des Roheisens nach dem Kleingefüge. 15. November 1899. bedeckt. Sodann sind nahe der oberen Erstarrungs fläche runde Körner und Kügelchen von oft grofser Härte in die übrige Masse eingebettet. Zur Beobachtung des Kleingefüges dienten aufser den drei von den erwähnten Barren her gestellten Schliffen drei weitere, welche zur Gharak- terisirung des Unterschieds von zwei fremden Roh eisensorten entnommen waren. Die Herstellung der • Schliff flächen geschah nach der von Wedding in seinem „Handbuch der Eisenhüttenkunde“ I. 2. ge gebenen Anleitung. Es wurden angeschliffen dünne etwa 4 mm starke Platten von etwa 1 qcm Ober fläche, die aus dem Roheisen mittels Kaltsäge unter Kühlung herausgeschnitten waren, aber an einer Oberflächenseite noch den ursprünglichen Bruch senkrecht zur Längsachse des Roheisenbarrens zeigten. Eine Aetzung wurde unterlassen, da die in der gewöhnlichen Weise vorgenommenen Aetz- versuche unter dem Mikroskop keine bedeutende Aenderung oder Verbesserung des Reliefs zeigten. Es scheint, dafs solche weiche Roheisensorten, wie die behandelte, schon beim Schleifen durch Ausschleifen des Graphits ein hinreichend vertieftes, wenn auch dem Auge nicht wahrnehmbares Relief ergeben. Die Mikroskopie und Photographie der Schliffflächen geschah so, dafs die Beleuchtung der Schlifffläche nicht durch bestimmt gerichtete Lichtstrahlen, sondern durch zerstreutes Licht erfolgte, weil die Anordnung der Apparate eine Beleuchtung durch Strahlen, welche mittels be sonderer Vorrichtungen parallel zur Mikroskop achse gerichtet waren, nicht gestattete. Die sechs beigegebenen Abbildungen zeigen das Kleingefüge: Nr. 1 ) " 2 von Rothehütter Roheisen in feuchten Sand gegossen „ getrockneten „ „ „ Coquille gegossen Nr. 4 zeigt das Kleingefüge von einem Buderus-Giefsereiroheisen, während Nr. 5 und 6 dasjenige von Phönix III Moulage, das letztere als Ergebnifs eines weiter unten beschriebenen Versuchs weiterer Behandlung der Schliffe, ver anschaulichen. Buderus-Roheisen wurde ge wählt, weil es ein sehr typisches Bild des Klein gefüges von Koksroheisen im allgemeinen giebt, Phönix III Feinkorn, weil es eine dem Rothe hütter Eisen sehr ähnliche Zusammensetzung besitzt. Es enthält nämlich 3,89 (3,42) % Ge- sammt-G, 0,6 (0,77) % Mn, 2,42 (2,76) % Si, 0,04 (0,02) % S, 1,0 (0,935) % P und 0,04 (0,01) Gu. Die eingeklammerten Zahlen geben die entsprechenden Werthe des Rothehütter Roh eisens an. Auch im Bruche ist es diesem sehr ähnlich, nämlich wie dieses sehr feinkörnig. Nur zwei wesentliche Unterschiede weisen beide auf: erstens in den Festigkeitseigenschaften, sodann in der Beschaffenheit des mikroskopischen Klein gefüges, und diese beiden Eigenschaften: Festig keit und Gefügeanordnung scheinen in einem besonderen und zwar ursächlichen Zusammenhang j zu stehen. Zum Nachweis dessen mögen zunächst | die angestellten Beobachtungen wiedergegeben i werden. Das Buderus-Roheisen zeigte die relativ längsten Graphitstreifen (Nr. 4), dabei sehr ge radlinig verlaufend und selten zu Gruppen ver einigt. Abzweigungen und Kreuzungen kommen vor. Der hellere Grund von Homogeneisen über wiegt das dunklere, um die Graphitstreifen an geordnete Krystal leisen. Dieser Schliff zeigt das typische Verhalten eines guten grauen Koksroh eisens. Auch das Roheisen Phönix III Moulage (Fig. Nr. 5) zeigt ebenfalls sämmtliche Kennzeichen eines solchen gegenüber einem Holzkohlenroh eisen — ein Umstand, auf den schon Wedding aufmerksam gemacht hat, nämlich „dafs auf einen Blick Holzkohlen- und Koksroheisen unter dem Mikroskop voneinander zu unterscheiden sind“, — aber mit kleineren Abweichungen. Die Graphitstreifen erstrecken sich nicht auf eine solche Länge wie beim Buderus-Roheisen und sind bei weitem nicht so gerade, vielmehr ge wunden verlaufend. Die Grundmasse ist auch hier ziemlich reichlich vertreten. Ganz anders ist nun das Gefüge des ähnlich zu sammengesetzten Rothehütter Holzkohlenroheisens, wie Abbild. 1 bis 3, besonders 2 deutlich ver anschaulichen. Der Unterschied gipfelt besonders in folgenden Punkten: die Graphitstreifen sind viel kürzer, sind viel dichter auf der Fläche ge- I lagert, kreuzen sich häufig und bilden ganze Strahlenbündel. Die Grundmasse ist im Vergleich zum ganzen Flächenraum nur in geringer Menge vorhanden und in unregelmäfsigen hellen Par- tikelchen zwischen dem Krystalleisen eingelagert. Der ganze Schliff deutet auf eine sehr innige Mischung und weitgehende Vertheilung der Gemeng theile im Holzkohlenroheisen, und darin liegt die Ursache der gröfseren Güte des letzteren. Diese Innigkeit der Verbindung der Molecüle läfst sich allein als Grund dafür anführen, dafs trotz über einstimmender chemischer Zusammensetzung eines Holzkohlenroheisens mit vielleicht vielen Koks roheisensorten doch ein Unterschied in Eigen- I schäften wie Festigkeit und Zähigkeit besteht, welcher das Holzkohleneisen zu Hart- und schmied barem Gufs, zur Verwendung bei den besten Sorten schmiedbaren Eisens tauglich macht. In diesem Falle kann demnach die Kenntnifs der Mikrostructur dazu dienen, eine Thatsache zu erklären; wirkt also in theoretischer Beziehung erspriefslich. Wie weit aber auch sonst noch, näm lich in der Praxis, die Beobachtung des Kleingefüges von Nutzen sein kann, z. B. zur Mitwirkung bei der Auswahl des Materials für speciellere Processe oder für feinere Producte, zur Entdeckung von Materialfehlern überhaupt, ferner zur Untersuchung besonderer Fälle, z. B. zum Nachweis von Gefüge veränderungen bei häufig wechselnden Belastungen, daran mag an dieser Stelle nur erinnert werden.