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wissen, dafs je nach den Frachtverhältnissen die Preise der einzelnen Lebensmittel, vor allen Dingen von Getreide und Mehl, auch Vieh in den ver schiedenen Gegenden aufserordentlich verschieden sind. Wenn Sie München und Ostpreufsen oder Posen vergleichen, so finden Sie ganz enorme Unterschiede in der Höhe der Getreide- und Viehpreise, aber auch ebenso in der Höhe des Arbeitslohns. Dieser ist wesentlich dadurch be dingt , dafs man in letzteren Provinzen das Ge treide billiger bekommt, als man es in West falen erhalten kann, wo infolge der gröfseren Ent fernung von den, landwirthschaftliche Erzeugnisse über den Bedarf hinaus erzeugenden Gegenden und den daraus resultirenden höheren Frachten das Getreide einen höheren Preis hat. Wir sehen also, dafs schon in den Erzeugungskosten, selbst der Bergwerkserzeugnisse, infolge des Einflusses der Frachtkosten auf die Kosten der Lebens bedürfnisse des Arbeiters ein wesentlicher Theil von Frachtkosten steckt. Im gleichen Mafse ist dies der Fall bezüglich der Hülfsmaterialien, die jede Industrie braucht, auch der Steinkohlenbergbau. Das Holz mufs heran gefahren werden aus mehr oder weniger weiten Entfernungen, und dies wirkt wesentlich auf die Erzeugungskosten ein. Die Preise der Ziegeln, des Cements, des Kalks u. s. w. können in verschiedenen Gegenden sehr verschieden sein. Alles das wirkt auf die Gestehungskosten ein. In noch viel höherem Mafse ist dies der Fall, wenn eine Industrie ihre Rohmaterialien nicht an Ort und Stelle findet, sondern genöthigt ist, dieselben aus gröfseren Entfernungen zu beziehen, wie dies z. B. die Eisen industrie heutzutage meist thun mufs. Denn gegenwärtig kann sie, speciell die Oberschlesiens, mir noch sehr theilweise einheimisches Material verwenden, zum gröfseren Theile mufs sie dasselbe aus weiteren Entfernungen beziehen, die Erze z. B. aus Ungarn und Steiermark, aus Gellivara und Grängesberg u. s. w. Infolgedessen ist die Höhe der Erzfrachten von aufserordentlichem Einflufs auf die Erzeugungskosten der Eisen industrie, die bei billigeren Frachten ganz wesent lich niedriger sein würden. Es kommt hinzu, dafs natürlich auch die Frachten für die Hülfsstoffe der Eisenindustrie, wie Kalk, Kohle, schliefslich die für Maschinen u. s. w., ihren Einflufs darauf ausüben. Das Gleiche ist bei jeder Industrie der Fall, j und um so mehr, je gröfser die Entfernung ist, : aus welcher sie ihre Roh- und Hülfsmaterialien ' beziehen mufs. Nehmen Sie z. B. die Baum wollenindustrie, die genöthigt ist, ihren Rohstoff aus Amerika, Indien, Egypten zu beziehen; sie hat nicht nur die Schiffsfrachten bis an den See hafen, sondern, soweit sie im Binnenland liegt, hohe Eisenbahnfrachten zu tragen. Ueberall kleben also an den Erzeugungskosten in ganz aufser ordentlichem Mafse die Frachten. Für jede In dustrie bedeuten die Frachtkosten einen der wichtigsten Factoren der Erzeugungskosten. Von wesentlichem Einflufs auf die Transport fähigkeit ist auch die Gestaltung des Preises am Consumorte; sie kann in vielen Fällen entscheidend für die Absatzfähigkeit sein. Bei einer schlechten Ernte in dem einen Gebiet, während ein anderes eine gute Ernte hat, sehen wir, dafs das Getreide des letzteren auf grofse Entfernungen verfrachtet werden kann, oder, wenn sich eine starke Mühlen industrie in der betreffenden Gegend belindet, auch das Erzeugnifs derselben, das Mehl. Wir haben bei der vorjährigen ungünstigen Ernte in Oester reich-Ungarn gesehen, dafs dieses Land, welches sonst Getreide und Mehl exportirt, von uns in umfangreichem Mafse Getreide und Mehl beziehen mufste. Vor einigen Jahren, als die Ernte in Süd- und Westdeutschland stark verregnet war, waren wir in der Lage, aus Schlesien grofse Mengen von Getreide nach dem Süden und Westen des Reiches zu dirigiren. Das war lediglich dadurch möglich, dafs damals an jenen Consumplätzen der Preis sich um mehr als die Transportkosten höher stellte, als bei uns. Das Nämliche ist bei Kohlen der Fall. Gehen wir in die Zeit des letzten grofsen Bergarbeiter streiks zurück, so hat beispielsweise Krupp in Essen damals viele Waggons oberschlesischer Kohlen bezogen, weil der Preis für die Kohle bei dem umfangreichen Streik in Rheinland und West falen ganz enorm gestiegen war. Um überhaupt Kohlen zu bekommen und seine Erzeugung auf recht erhalten zu können, mufste Krupp diese enormen Preise für Kohlen anlegen. Es ist eine bekannte Sache, dafs, wenn durch ein Gruben unglück oder durch einen Streik in gewissen Ge bieten die Kohle verlheuert wird, wie z. B. durch den Streik der englischen Arbeiter die Kohle in den Seestädten, wir in der Lage sind, mit unseren Erzeugnissen nach Absatzgebieten zu kommen, nach denen sonst ein Versand unmöglich war. Also der Preis am Consumorte ist einer der wichtigsten Factoren für die Frage der Transportfähigkeit und rückwirkend auch der Preisbildung am Erzeugungs ort. Selzen wir aber voraus, dafs sowohl die Gestehungskosten als auch die Preise am Con sumorte gegeben sind, so entwickelt sich die Grofse des Absatzgebietes naturgemäfs aus der Höhe der Frachtkosten, die nothwendig sind, um das Gut vom Erzeugungsorte bis an den Con- sumplatz zu bringen. Die Höhe der Frachtsätze würde sich im freien Wettbewerb, wenn wir einen solchen hätten, im wesentlichen nach den Selbstkosten richten; denn es ist eine allgemein bekannte Erscheinung, man könnte beinahe sagen, ein nationalökonomisches Gesetz, dafs die Preise nach der Höhe der Selbst kosten gravitiren. Wir finden diese Erscheinung auch überall da' wo wir die freie Concurrenz haben, z. B. in der Gestaltung der Schiffsfrachten.