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15. Februar 1900. Bericht an die am 5. Febr. 1900 abgehaltene Hauptversammlung etc. Stahl und Eisen. -199 schwierig ist, nicht mehr möglich sein, wenn die deutschen Hochöfen den steigenden Forderungen schwedischer Erzhändler nachzugeben gezwungen werden. Das Emporschnellen der Preise, auf welche der Rückschlag erfahrungsgemäfs bald zu folgen pflegt, zu verhüten, soweit es in ihrer Hand liegt, halten einsichtige Industrielle für eine ihrer vornehmsten Pflichten, und da sie in der Ermäfsigung der Erzfrachten eins der besten Vorbeugungsmittel gegen eine übermäfsige Aufwärtsbewegung des Marktes erblicken, so glauben sie auch aus diesem Grunde auf eine thunlichst schleunige Einführung der Erzfracht- ermäfsigung dringen zu sollen. In hohem Grade beklagenswerth waren endlich auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens die Stockungen im niederrheinisch-westfälischen Kohlenverkehr in den Decenibertagen 1899. Welchen Umfang die selben hatten, geht aus der Thatsache hervor, dafs die Kohlenförderung arbeitstäglich betrug 1898 1899 im November . . . 158 878 t 170 972 t » December . . . 158 423 t 157 299 t Ferner wurden im November 1899 versandt bis einschliefslich zum 23. Arbeitstage 3 750 380 t, im December 1899 dagegen bis zum 23. Arbeits tage 3 417 020 t. Die Differenz beträgt also rund 340 000 t. Dieser Ausfall hat in den Be trieben enorme Schädigungen hervorgerufen und sie theilweise zu einem Stillstand von der Weih nachtswoche bis Neujahr gezwungen. Dafs dabei die Lohnausfälle der Arbeiter aufserordentlich be deutende waren, liegt auf der Hand. Rechnet man z. B. für die Tonne ganz vorsichtig 4,50 M : als Antheil des Arbeitslohnes am Preise, so kommt man für jene nicht versandten Tonnen auf einen Lohnausfall allein für die Bergarbeiter von 11/2 Mil lionen Mark. Hierzu kommen nun die Ausfälle an Löhnen für die Arbeiter der Kohlen verbrauchen- i den Industrien, die ihren Betrieb zum Theil still- I zulegen gezwungen waren. Geht man den Ur- । Sachen der diesmaligen Verkehrsstockung nach, ) so lagen dieselben anscheinend nicht an einem | Mangel von Wagen, sondern vielmehr an der I Unbeweglichkeit derselben infolge von Witterungs- | einflüssen. Da in den Bezirken an der Saar und in Oberschlesien die gleichen Schwierigkeiten nicht | hervortraten, obwohl dort die gleiche Witterung herrschte, so greift man wohl nicht fehl, wenn man die Unbeweglichkeit der Wagen in unserem Revier zum Theil auf die Verwendung von Schmier- I material zurückführt, das keinen genügend tiefen i Erstarrungspunkt hatte. Sollten für die Verwendung eines derartigen billigeren, aber für Frosttage an scheinend ganz ungenügenden Materials Sparsam keitsrücksichten mafsgebend gewesen sein, so hat sich diese Sparsamkeit auf das Bitterste gerächt; denn sie hat für die Industrie und ihre Arbeiter Verluste gezeitigt, die nach Millionen zählen. Wir erwarten, dafs hier seitens des Ministeriums Re medur geschaffen wird, damit ähnliche Calamitäten sich in Frostperioden nicht wiederholen, da unser Wirthschaftsleben derartige, infolge falscher Spar samkeit hervorgerufene Ver luste auch bei günstiger Gonjunctur nicht ertragen kann. Was die Lage der Eisen- und Stahlindustrie in der abgelaufenen Periode betrifft, so war die selbe eine durchaus gute. Der Bedarf an Roh eisen und Halbzeug war gröfser als die Lieferungs fähigkeit der Werke, so dafs der ungemein starken Nachfrage in Fertigerzeugnissen nicht genügt werden konnte. Dem mafsvollen Vorgehen der bestehen den Verbände und Vereinigungen ist es zu ver danken, dafs die Preise nicht der anhaltend grofsen Nachfrage entsprechend ins Endlosestiegen, sondern sich in angemessenen Grenzen bewegten. Diesem mafsvollen Verhalten ist es auch zuzuschreiben, dafs kein jäher Absturz in der Marktlage erfolgte und dafs das Vertrauen in die Zukunft auch um die Jahrhundertwende ein durchaus gutes ist. Auch die staatliche Vergebung von Eisenbahn bedarf auf mehrere Jahre hat eine mächtige Förderung in der Richtung einer vertrauens vollen Stimmung zur Folge gehabt, so dafs nicht allein der Staat, der sich auf diese Weise zu sehr billigen Preisen deckte, sondern auch die heimische Arbeit mit diesem Vorgehen zu frieden sein kann. Der vorliegende Jahresbericht würde unvoll ständig sein, wenn er nicht auch zweier Fest- tage gedächte, welche zu feiern der Nordwest lichen Gruppe im abgelaufenen Jahre beschieden war. Den einen beging sie mit der Technischen Hochschule zu Berlin-Charlottenburg, die ihr hundert jähriges Bestehen feierte, und der aus diesem An- lafs, der nothwendigen und bedeutungsvollen Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Praxis gedenkend, die Gruppe das Standbild Alfred Krupps darbrachte, das der Vorsitzende, Commerzienrath Servaes, mit einer Rede weihte, die den grofsen Verdiensten dieses einzigartigen Mannes in wärmster Weise gerecht wurde. Die zweite Feier beging die Gruppe aus Anlafs der 40 jährigen Thätigkeit ihres Vorsitzenden bei der Gesellschaft ,Phönix“. Mit den uns befreundeten Gemeinschaften, dem „Verein deutscher Eisenhüttenleute“ und dem „ Verein“ wurde Hrn. Servaes ein festlicher Tag bereitet, an welchem alle die Liebe und Verehrung, deren er sich in diesen Kreisen erfreut, nicht minder zum Ausdruck ge langen konnte, als die umfassende Würdigung der grofsen Verdienste, die er sich um die deutsche und insbesondere um die niederrheinisch-west fälische Industrie erworben hat. Möge er, der die „Nordwestliche Gruppe“ vom Beginne ihrer Thätigkeit bis heute geleitet hat, noch lange der Unsere bleiben! Wir lassen nunmehr in gewohnter Weise die statistischen Aufzeichnungen folgen.