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186 Stahl und Eisen. BericJit an die am 5. Febr. 1900 abgehaltene Hauptversammlung etc. 15. Februar 1900. Erleichterungen nur auf solche Werke beziehen sollen, die nicht in der Lage sind, an Sonntagen einen 24 stündigen Betriebsstillstand eintreten zu lassen, nicht aber auf solche, welche allsonntäglich eine 24 stündige Sonntagsruhe eingerichtet haben. Nach Ansicht der Gruppe liegt hier eine der Absicht des Gesetzgebers, der keine verschieden artige Behandlung von Gewerbebetrieben derselben Gattung wollte, durchaus zuwiderlaufende Hand habung der Bestimmungen über die Sonntags ruhe vor, die eine möglichst schleunige Aenderung erforderlich erscheinen läfst. Das Gesetz über die Sonntagsruhe bezweckt ohne Zweifel in erster Linie, den Arbeiter vor einer ungesunden Ueberanstrengung zu bewahren und ihm zugleich die Erfüllung seiner kirchlichen Pflichten zu ermöglichen. Beides geschieht in vollem Umfange, wenn die Betriebsruhe an den in die Woche fallenden gesetzlichen Einzelfesttagen auf 12 Stunden beschränkt und die Wiederaufnahme des Betriebes um 6 Uhr Abends allen Werken in derselben Weise gestattet wird, wie denjenigen, die nicht in der Lage sind, an Sonntagen einen 24 stündigen Betriebsstillsland eintreten zu lassen. Die grofsen technischen Schwierigkeiten und wirthschaftlichen Nachtheile, welche für alle mit fortwährendem Feuer arbeitenden Werke damit verbunden sind, dafs sie allsonntäglich ihre Feuer ziehen, sind in einer seitens der Gruppe unter dem 29. Juni 1895 dem Bundesrath unterbreiteten Denk schrift des näheren dargelegt. Dafs diese Schwierig keiten und Nachtheile in einer geradezu unzulässigen Weise vermehrt werden, wenn man dieselben Betriebe zwingt, auch noch an den in die Woche fallenden gesetzlichen Festtagen die Feuer zu ziehen, — lediglich um eine 24 stündige Betriebs ruhe eintreten zu lassen, die an sich mit dem Schutze des Arbeiters in Bezug auf die Ver meidung körperlicher Ueberanstrengung und Er füllung kirchlicher Pflichten absolut nichts zu thun hat —, liegt ohne weiteres auf der Hand. Eine derartige Forderung aber ist weiterhin geeignet, den Arbeiter in seinen Lohnbezügen auf das schwerste zu schädigen, wie das ebenfalls in der genannten Denkschrift des näheren nach gewiesen ist. Diese Schädigung dürfte für Orte mit überwiegend protestantischer Bevölkerung in noch höherem Mafse Platz greifen, nachdem das Char- freitagsgesetz in Kraft getreten ist; denn, falls nicht Abhülfe in der von uns beantragten Weise geschaffen wird, dürfte sich in solchen Orten kaum ein Werk veranlafst sehen, an dem auf den Charfreitag folgenden Sonnabend arbeiten zu lassen, und es würden somit vom Char freitag bis Osterdienstag vier volle Arbeits tage ausfallen. Die Eisen- und Stahlindustrie ist nicht in der Lage, die dadurch entstehenden Lohn ausfälle in irgend welcher Weise den Arbeitern zu ersetzen, und mufs es ihrerseits durchaus ab lehnen, für die durch solche Lohnausfälle etwa [ entstehende Unzufriedenheit der Arbeiter irgendwie verantwortlich gemacht zu werden. Wie grofs die Betriebsverluste und Lohnausfälle sind, mag an dem Beispiel eines Werks unserer Gruppe erläutert werden, das etwa 4000 Arbeiter beschäftigt. Hier beträgt der durch jene Ruhe vorschriften entstehende Betriebsverlust infolge Aus fallens der Nachtschicht etwa 7450 •16 und der Lohnausfall durchschnittlich 5927 16, so dafs für eine Betriebseinstellung vom Charfreitag bis Osterdienstag der Betriebsverlust sich auf 29800 • und der Lohnausfall auf 23 708 6 beziffern würde. Nimmt man den Bufs- und Bettag hinzu, so steigen die betreffenden Verluste auf 37 250 bezw. 29 635 6. Die Gruppe hat die vorstehenden Gesichts punkte in einer an den Minister für Handel und Gewerbe gerichteten Eingabe dargelegt. Eine von dem letzteren bei den Gewerbeaufsichtsbeamten angestellle Erhebung ist, soviel uns bekannt ge worden, abgeschlossen und wird unsere Darlegungen in allen Punkten bestätigt haben. Wir dürfen somit einer baldigen endgültigen Entscheidung in dieser Angelegenheit entgegensehen, und hoffen, dafs dieselbe im Sinne unseres Antrages ausfalle, der dahin geht, dafs an den in die Woche fallen den gesetzlichen Einzelfesttagen der Betrieb nur 12 Stunden, also von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends, zu ruhen habe. In unserer Arbeiterversicherungsgesetz- gebung ist in der Berichtsperiode insofern eine Veränderung vor sich gegangen, als die Novelle zur Invaliditäts- und Altersversicherung in dem „Gesetz betreffend die Invalidenversicherung“ zur Verabschiedung gelangt ist. Den Gesetzentwurf selbst unterzogen wir, bevor er im Reichstag erörtert wurde, einer gemeinsamen Berathung in den fünf grofsen wirthschaftlichen Vereinen Rhein lands und Westfalens und sind dabei zu folgen den Beschlüssen gekommen: „Der »Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen«, die »Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller«, der »Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund«, der »Verein der Industriellen des Regierungs bezirks Köln«, der »Berg- und Hüttenmännische Verein zu Siegen«, erklären nach eingehender Prüfung des Invaliden versicherungs-Gesetzentwurfs : I. Entsprechend den Beschlüssen zu dem 1897 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ab änderung des Invaliditäts- und Altersversicherungs- Gesetzes, hält die niederrheinisch-westfälische In dustrie die Zusammenlegung der Invaliditäts- und Altersversicherung mit anderen Zweigen der Ar beiterversicherung und demgemäfs auch die Ver-