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Auer Tageblatt : 17.07.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735688886-192807177
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735688886-19280717
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735688886-19280717
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Auer Tageblatt
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-07
- Tag 1928-07-17
-
Monat
1928-07
-
Jahr
1928
- Titel
- Auer Tageblatt : 17.07.1928
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veUag« zu Kr. 1-6 de» N»er ra-tblatte» and Anzeiger« für da» Lr-gebkg«. Die»LtLg, dm 17. JuN LS«. Sport uns Spiel. FtttzHeedll. U« 6K VZS.'Meistttfihast. Bayeru-Münche«, Hertha/BSL, WaSer-Müuchea «S HEB. siege« m der Zwischenrunde. Bayern-München—Spvag. 07 Süh ö:2 (2:2). Hertha/BSC.-Berltn-Holstetn-Kiel 4:0 (2:0). Wacker-München—Tennis-Borussia-Berlin 4:1 (2:1). Hamburger Sportverein—BfB.-Königsberg 4:0 (2:0). Die vier Spiele der Zwischenrunde stellten an alle Spieler rnd Schiedsrichter infolge der großen Hitze die größten An- srderungen. Die größte Ueberraschuna ist der glatte Sieg von Packer-München, deren Elf noch dazu in Berlin spielte. Aber mch der überaus sichere Sieg von Bayern-München über den oestdeutschen Meister wurde nicht erwartet. In den beiden cbriaen Spielen sicherten sich, wie erwartet, Hertha/BSC. und Hamburger Sportverein die weitere Teilnahme an dem Wett bewerb, so daß nunmehr noch die drei Landesverbände Süd md Norddeutschland und Berlin im Rennen find. Für den endgültigen Steg dürsten Bayern-München und Her tha/BSC. in Frage kommen. Die Vorschlußrunde. Wie wir erfahren, wird die Vorschlußrunde bereits näch sten Sonntag mit folgenden Begegnungen erledigt: In Leipzig (VfB.-Platz): Hertha/BTC.-Berlia—Wacker- München. In Duisburg Bayern-München—Hamburger Sport- verein. verban-sjugen-tag -es VMSV. Am Sonnabend hielt der Verband Mitteldeutscher Ball spielvereine im Hotel Fröhlich zu Leipzig seinen Jugendtag ab. Der Vorfitzende Linz-Gotha eröffnete die Sitzung mit einer Begrüßungsansprache an die Erschienenen. Insgesamt waren 251 Vereine mit 307 Stimmen vertreten. Nach Ver lesung und Genehmigung der Protokolle der letzten Tagung ergriff Hübner-Leipzig das Wort zu einem längeren Referat. Er betonte die Notwendigkeit der Werbung und Pro paganda für den Sport. In der sich anschließenden Diskussion kritisierte Dr. Köster-Leipzig den letzten Jugendspieltag scharf. Anschließend erstattete Pfarrer Linz den Jahres bericht, der von der Versammlung angenommen wurde, und oamit konnte der Vorstand entlastet werden. Als Alterspräsi dent fungierte Hermsdorf, der nach einigen Dankesworten an den scheidenden Ausschuß zur Neuwahl schritt. Linz-Gotha als Vorsitzender, Raue-Dresoen als Schriftführer, Peukert- Leipzig als ordentliches und Schers als außerordentliches Mit glied wurden einstimmig wtedergewählt; die Wahl des fünften Mitgliedes wurde ausgesetzt und dem Ausschuß das Recht er teilt, zu kooptieren und eventl. einen Sportarzt heranzuziehen. In der Frage, ob für die Jugendlichen die Pflichtspiele abzuschaffen seien, kamen die Vertreter fast sämtlicher Gaue zu Wort und teilten ihre Erfahrungen mit. In Nordthüringen ind die Spiele infolge Aufhebung der Verbandstreffen um 0 Prozent zurückgegangen. In den anderen Gauen liegen >ie Verhältnisse ähnlich. Es entsprach also dem allgemeinen Wunsche, wenn man beschloß, die Pflichtspiele in der bisheri gen Form betzubehalten. Große Meinungsverschiedenheiten und erregte Debatten gab eS bet der Beschlußfassung über dte Richtlinien zur Fest stellung von Bestleistungen. Nachdem der Antrag auf allge meine Einführung der Bestimmungen abgelehnt wurde, be schloß man, in ven Gauen Nordsachsen, Ostthüringen und Saale dte Richtlinien versuchsweise einzuführen. Zum Schluß brachte der VsB.-Leipzig noch einen Dringlichkeitsantrag, daß die 25 Prozent der Gesamtmitgliederzahl übersteigende Anzahl von gemeldeten Jugendlichen von Verbandsbetträgen zu be freien find. Der Antrag wird dem Verbandstag des VMBV. vorgelegt. Futzdall-Jahreskagnng in Zschorlau. Der Erzgebtrgsgau hielt am vergangenen Sonnabend sei nen Jahresgautag ab, der sich eines guten Besuches erfreute. Bis auf Johanngeorgenstadt hatten alle Vereine Vertreter entsandt. Dte von den einzelnen Ausschüssen abgegebenen Jahresberichte ließen trotz des Mitgltederzuwachses von über 400 deutlich erkennen, daß in: verflossenen Jahre die erzgebir- gische Sportbewegung so gut wie gar keine Fortschritte ge macht hat. Das Schiedsrichterwesen, die Leichtathletik, der Handballsport und dte Jugendbewegung ließen außerordentlich viel zu wünschen übrig und gaben Anlaß zu mitunter recht lebhaften Debatten und scharfen Kritiken. Eine recht lang weilige Sache waren auch diesmal wieder die Neuwahlen. Für den Posten des ersten Gauvorfitzenden wurden verschiedene Herren vorgekchlagen, die aber alle verzichteten, bis man zur Wiederwahl deS bisherigen Vorsitzenden Löser schritt, der mit Stimmenmehrheit gewählt wurde und das Amt auch an nahm. Nachdem der bisherige zweite Vorsitzende Schletter- Thalheim eine Wiederwahl abgelehnt hatte, wurde Hildebrandt (VfB. Aue-Zelle) mit großer Stimmenmehrheit auf diesen Posten berufen. Der Geschäftsführer Georgi-Bernsbach, Kas- ierer Kreißel-Lößnitz und Beisitzer Muth-Zwönitz wurden wie- >ergewählt. Die Wahl des Gaugertchtes erhielt folgende Zu- ammensetzung: Gehlert-Bernsbach Bors., Strobel (VfN. Auer- sammcr) stellvertr. Vvrs. Ganrichter: Seifert (BfR. Auer- sammer), Kotzsch-Thalheim, Hempel-Beierfeld, Goethe-Nieder- chlema, Ullrich-Lößnitz und Wilhelm-Zschorlau. Die Jugend- ührung wurde wieder dem bisherigen Obmann Frech-Lößnitz anvertraut. Schott-Lauter, Weidauer (VsV. Aue-Zelle) und Sperrt (BfR. Auerhammer) bilden den Schiedsrichterausschuß. Während die Wahlen zum Athletikausschuß ausgesetzt wurden, berief man Schwind-Thalheim und Friedrich-Beierfeld in den Ausschuß für deutsche Spiele. Die Wahl der Küssenprüfer fiel auf Ungethüm (Atem.-Aue) und Oehme (VfB. Aue-Zelle). Ein von Alemannia-Aue gestellter Antrag, das Pokalentspiel von Thalheim nach einem Platze des Auertales zu Verlegern verfiel mit Stimmenmehrheit der Ablehnung. Nach verschiedenen Anfragen einzelner Vertreter, die von feiten des Vorstandes beantwortet wurden, fand die Tagung gegen Kl Uhr ihr Ende. VfB. Ave-Zelle. Alte Herrenmannschaften. Im Veretnsheim Feldschlößchen findet heute Montag, abends 8 Uhr, eine wichtige Besprechung betr. Gründung der Alten Herrenmannschaften statt. Alle daran interessierenden alten Herren werden gebeten, sich pünktlich einzufinden. Training auf dem Stadion. Morgen (Dienstag) abend K7 Uhr Training für sämt liche Mannschaften im Stadion. Es wird gebeten, sämtliche Dreß mitzubrtngen. VsKeir. FÄsntckkkpWÜAt Buzkuvtps kn An». Der Retourkampf des Deutschen Sportverein« .Spartak- Karlsbad gegen den BC. „Heros"-Aue steigt bestimmt kom menden Sonntag nachm. b Uhr im Garten des Naturheil« Vereins Prießnitz. Da der Revanchekampf recht wannend zu werden verspricht und der Eintrittspreis von 1 Mark volks tümlich gehalten ist, verspricht man sich einen reckst guten Be such. Leiririr. Italien Curopafieger im Daviscup. Die Tschechoslowakei 2:8 geschlagen. Nunmehr find auch in der europäischen Zone des Davis pokals dte letzten Ausscheidungskämpfe erledigt und in Italien der Zonenfieger sestgestellt. Die Vertreter Italiens, die in Mailand über die Abgesandten der Tschechoslowakei knapp mit 3:2 die Oberhand behielten, treffen nunmehr in acht Tagen in Paris mit dem Sieger der Ämerikazone, den Vereinigten Staaten von Nordamerika im Jnterzonen-Ftnale zusammen. Am letzten Spieltage des Treffens Italien—Tschechoslowakei in Mailand zog de Morpurgo durch einen lächerlich leicht 6 :1, 6:2, 6:0 errungenen Sieg über Kozeluh 2:2 gleich. Gas lini stellte dann den Sieg Italiens sicher, indem er Mazzenauer 0 :6, 6 :4, 6 :4, 6 :3 abferttgte. -rhrviiirittspsirt. Deutschlands Schwimmer für Amsterdam. Nach Schluß der Meisterschaftskämpfe stellte der Deutsche Schwimmverband endgültig dte Olympia-Mannschaft für Amsterdam zusammen. Sie lautet: Herren: 200 Meter Brust: Erich Rademacher (Hellas-Magdeburg), Budig (Sparta-Köln), Sietas-Hambura. 100 Meter Rücken: Kicpper-Viersen, Schumburg (Hellas- Magdeburg), Schulz-Nürnberg. 100 Meter Freistil: Schubert-Breslaü, Heinrich (Poseidon- Leipzig), Heitmann-Magdeburg 96. 400 Meter Freistil: Berges (Jungdeutschland-Darmstadt), Heinrich (Poseidon-Leipzig). 1500 Meter Freistil: Handschuhmacher-Dortmund. ltunstspringen: Riebschläger-Zeitz, Mund-Halberstadt, Plu- mannS-Köln. Turmspringen: Riebschläger - Zeitz, Plumanns - Köln, Grothe-Berlin. Viermal-20<>Meter-Freistilstaffel: Heinrich, Heitmann, Schubert, Rademacher II, Berges und Lambertz-Köln. Wasserball: Erich Rademacher, Joachim Rademacher, Amann, Cortes, Benecke, Protze (sämtlich Hellas-Magdeburg), Kühne, Baehre, Gunst, Kipser (sämtlich Hannover), Blanck- Mannheim. Damen. 200 Meter Brust: Mühe-Hildesheim, Schrader-Magdeburg, Timmermann-Berlin. 100 Meter Rücken: Anni Rehborn-Bochum. 100 Meter Freistil: Reni Erkens-Oberhausen, Lotte Leb mann (Dresdner Poseidon), Schönemann (Blauweiß-Dresden). 400 Meter Freistil: Dieselben wie für 100 Meter. Kunstspringen: Söhnchen-Bremen, Meudtner - Neukölln, Borgs-Düsseldorf. Turmspringen: Borgs-Düsseldorf, Anni Rehborn-Bochum. Freistilstaffel viermal 100 Meter: Erkens-Oberhausen, Lehmann-Dresden, Schönemann - Dresden, Anni Rehborn- Bochum, Wunder (Poseidon-Leipzig), Schneider-Stettin. Der Schiras-Teppich. Skizze von Albert Baginsky. Man mochte sagen, was man wollte: dte glücklichste Zeit ihres Lebens war jenes Jahr zwischen Verlobung und Hochzeit gewesen, als sie von der Ausstattung, dem kleinen künftigen Hausstand, träumten. In diesen Tagen muß es gewesen sein, daß sich in ihnen die Idee festsetzte, einen echten Orientteppich, einen „Perser", zu kaufen. Das kam wohl daher: beide träum ten von großen Reisen, die sie dereinst unternehmen wollten, und beiden verband sich der Begriff der begehrten interessan ten Ferne mit dem Worte Orient. Hörten sie die Worte Stambul, Mekka, Jafa, Kairo, dann wurden sie zugleich froh und traurig. Traurig, weil die Möglichkeit zu reisen in allzu unbestimmter Weite lag. In dem Hause, wo sie Gardinen ein kauften, sahen sie echte Teppiche in ihren unvergleichlich schö nen, glühenden Farben und Mustern. Sie betasteten das Ge webe, zogen die schlanken Linien der Muster mit den Fingern nach, sahen in das Silber oder Rot oder Blau wie in einen Spiegel, wie in ein tiefes Zauberglas, in dem sonnenglühende Minarets, schlanke Häuserterrassen, lärmerfüllte Basare sicht bar wurden. Da war vor allem ein Teppich, ein Schiras: tiefroter, strahlend, üppig roter Grund, silber-blau-graue Bor düre. Sie standen schweigend vor seiner Herrlichkeit. Sie blickten sich zu gleicher Zeit ins Gesicht, mit der stummen Frage . . .? Der Mann, der alles Feuer der Jugend in sich fühlte, für die Liebe und Schönheit noch Inbegriff, nicht Aus nahme-Aggregate des Lebens sind, sah den kleinen leichten Fuß seiner Geliebten im weichen Gewebe versinken, und sein Herz schlug sehnsüchtig. Die Frau dachte, daß der Teppich ihr lieber fein wurde als das nüchterne Dasein all des Mobi liars ihrer kleinen Wohnung. Er könnte dem Zimmer Größe geben, Wärme und Duft. Aber natürlich hatten sie ihn nicht taufen können; für das Geld, das der Schiras kostete, mußten sie viele andere Dinge anschaffen, die wichtig waren wie Brot und Wasser. Sie dachten in der folgenden Zeit unablässig an den Teppich, und ost spürten sie die heftigste Versuchung ganz nah an ihren Herzen. Noch oft gingen sie nach den Schau fenstern, um die bewunderten Dinge zu betrachten. Sie hei rateten und übernahmen den Wunsch mit in die Ehe, wie man ein Gelöbnis übernimmt, ein gemeinsames Geheimnis. Als die Kinder kamen, zuerst das Mädchen Lola, nach zwei Jahren der Knabe Jochen, vergaß dte Mutter ihren Traum. Sie war eine tapfere und fleißige Mutter. Manch mal dachte sie- wenn der Junge erwachsen wäre, wolle sie mit ihm als Kameradin in ferne Länder fahren, wo dte Pracht zuhause ist. Schneller verlor der Mann mit den Jahren seine Begeisterung. Er hatte manchmal Sorgen, und der Gleich klang des Dienstes, die Abhängigkeit von den Vorgesetzten, der Gletchklang der Umgebung waren dte Ursache, daß er sich von seinem jüngeren Ebenbild, dem hübschen, lebhaften jungen Mann, sehr schnell entfernte. Es gab manchmal Streit zwi schen ihnen, weil sie traurig selbst sahen, wie sie nicht mehr dem Ideal glichen, das sie einst verkörpern wollten. Der Mann stieg endlich tn seiner Stellung, bekam Gehalts aufbesserung, sie nahmen sich ein junges Mädchen für Kinder und HauS. Dte Kinder waren vier und sechs Jähre ast. Dte Frau hatte wieder Zett für sich übrig. Sie erneuerte den alten Traum. Da sie inzwischen schönere Möbel angeschafft hatten, wurde der Teppich begehrenswerte« denn je. Gewiß — fip hätten einen billigeren Teppich wühlen können, den die Kauf häuser als „anatolischen" für einige 60 Mark anboten. Aber diese halbechten Dinger erreichten nicht den unnachahmlichen erhabenen Elaru der echten; im üppigen Spiel der Farbe nicht, nicht im Muster, nicht im Gewebe, das nicht so weich — plastisch war, „daß der Fuß darin versank". Nein, dann woll ten sie lieber warten. Sie waren ja noch so jung. Im nächsten Jahr kamen sie endlich zur Erfüllung des „alten Spleen", wie der Mann jetzt sagte. Es fiel ihnen einiges Mobiliar der Großmutter zu, das sie verkauften. Der Erlös von vierhundertundsünfzig Mark war eben hinreichend. Wieder begann die Wanderung durch die Geschäfte. Sie such ten lange und benrerkten mit Erstaunen, daß sie sich in den Jahren des Traums den guten Geschmack und die Sachkennt nis alter erfahrener Kenner angeeignet hatten. Sie wurden jedenfalls sehr aufmerksam bedient, gerade weil sie so sehr wählerisch waren. In einem Geschäft zog der Mann unter einem Wust von Teppichen einen Schiras hervor, ein nicht großes Stück: beide schrien auf vor Entzücken. Es war ihr Teppich, der von da mals, nur mit gewißen Abweichung. Der tiefrote Grund und eine grau-silber-blau-grüne Bordüre. Strahlend, unsagbar schön und üppig das Rotl Sie kauften sofort. Als sie ihn zu Haus auf dem schönen blanken Boden aus breiteten, vergnügte es sie höchlichst, daß auch die Kinder Freude daran hatten. Zumal die kleine Lola, die mit ganz ernsthaftem Gesicht sich auf den Teppich setzte und die Kanten um sich hoch zog. Ost ging dte Frau mitten aus ihrer Arbeit fort, um den Schiras-Teppich zu betrachten. Sie stand davor und sah aus ihn nieder wie in einen Spiegel oder wie Narzis in den Wasserspiegel. Hinter ihr drein trippelten dte Kinder, und sie verscheuchte sie nicht. Sie haschten zärtlich in den leuchten den Stoff, bedeckten dte graziösen Ornamente mit ihren kleinen Händen, kugelten sich jauchzend. Wie herrlich es dem kleinen Dunkelkops Jochen stand, wenn sie ihn mit dem Teppich um hüllte, daß nur das Köpfchen heraus sah und seine Locken weich auf die rotgrauen Schnüre fielen . . .! Er besaß etwas von ihrer bräunuchen Hautfarbe, die zu den: Not so köstlich stand: es wirkte ungemein phantastisch und schön. In dem fluthaften Auf und Ab des Lebens geschah es, daß sie nach einiger Zeit ihren Teppich wieder etwas vergaß. Die Kinder wurden krank. Sie fühlten sich unwohl, waren still und schläfrig, an manchen Abenden halten sie etwas Fie ber. Als sie etwas über den Berg waren, zeigten sich an der Streckseite ihrer Hände und Füße, zwischen ihren kleinen Fin gern und Zehen, kleine, leicht uckends Röten; später auch im gern und Zehen, kleine, leicht uckenos vcoien; fpcner aucy lm Gesicht. Der Arzt stellte Ans chlag fest, dem er schnell bei- znkommen hoffte. Ausschlag, wie ihn Kinder ost — wer weiß woher — bekonimen. Es war ein sehr verläßlicher, sorgsamer junger Arzt, der ins HauS kam. Er lächelte über die Be sorgnis der Mutter, warum nur die Geschwüre nicht Weichen wollten. „Maligne, d. h. bösartige Geschwüre, dauern eben lange, wie im Wort liegt", sagte er freundlich. Aber als er eines Spätabends gerufen wurde, well der Junge ein beson ders großes Infiltrat im Gesicht hatte, wurde er sehr ernst und nahm den Mann beiseite. Er stellte recht verfängliche Fragen. „Nein", sagte schließlich der erschreckte Vater, „an Tuberkulose oder gar . . . haben weder wir noch unsere Estern gelitten". — „So, dann ist es gut, ich hatte nämlich an Er scheinungen denken müsse«, dte nut solche« Krankheiten zu- sammenhängen, wofür ich mich freilich anders einrichten müßte", war dte Antwort des Arztes. Die Kinder fühlten sich nicht gerade unwohl; sie bedurf ten auch gar nicht ängstlicher Wartung. Wenn die Mutter nicht mit der zerschundenen, entstellten Haut ihrer Lieblinge Milleid gehabt hätte, wäre sie zu ihrer gewöhnlichen Lebens weise zurückgekehrt, in der freilich jener Schiras wieder seine Rolle gespielt hätte. Eines Morgens kam der Arzt mit einem fremden älteren Herrn. Kurz darauf trat eiligst der Vater aus seinen! Büro ein. Dte drei Männer gingen ins Kinderzimmer. In dem helleren Licht sah der Vater, daß der Arzt bleich war bis in die Lippen. Der fremde Herr untersuchte dte Kinder, ging dann mit Arzt und Vater in das Wohnzimmer. Die Mutter ward ausgeschlossen. Der Arzt schien sprechen zu wollen, sah aber unentschlossen, mit gefurchter Stirn auf den Boden, auf den roten Schiras nieder. „Ein sehr schöner Teppich," sagte er endlich ein wenig leise. „Ja," sagte der Vater, „es ist auch ein echter Schiras, sehr schön. Aber —?" Alle schwiegen. Plötzlich räusperte sich der fremde Herr sehr betont, worauf der Arzt ihn ansah. „Lieber Herr," begann endlich der Arzt, „hören Sie zu, seien Sie aber ganz ruhig: Ihre Kinder haben sich irgendwie mit Lepra infiziert. Das ist leider zweifelsfrei festgestellt". Der Vater bekam große, entsetzte Augen, aber er verstand noch nichts. „Lepra ist das, was man gemeinhin Aussatz nennt, erklärte der fremde Herr. Wir wissen nicht, wie das zustande kommen konnte, da die Lepra bei uns nicht vorkommt, indes — die Kinder müssen sofort isoliert werden, leider sogar nach auswärts. Die Krankheit ist gefährlich, der Ausgang selten glücklich. Immerhin . . ." Der Vater saß im Sessel, ohne sich zu regen und sah auf den roten Schiras nieder. Die Äerzte waren gegangen. Noch als das leise Anrollen des Ambulanzwugens unten erscholl, rührte er sich nicht, obwohl er das Geräusch hörte und furcht bar verstand. Als es an der Tür klingelte, stand er schwer fällig auf, ging ins Kinderzimmer und sagte der Frau die ganze Wahrheit ins Gesichts ohne sie anzusehen, ohne auf ihr Entsetzen zu achten. „Die Kinder müssen fort. Dte Ambulanz steht schon auf dem Flur." Polizei und Gesundheitsamt bemühten sich um die Aufklärung des seltsamen jkrankheitsfalles. Weder Spielgefähr ten noch Spielzeug boten irgendwelchen Anhalt. Man tappte völlig im Dunkeln. Ganz besondere Vtühe um die Aufklärung gab sich der junge Arzt, auf den dieser Fall den furchtbarsten Eindruck gemacht hatte. Er durchlief unzählige Kranken geschichten und die Abhandlungen der Forschungsinstitute über Lcstira. Da wußte jemand von einem Fall aus dem Jahre 1864 zu berichten, wo ein Seeoffizier durch einen Orientteppich, den er einem orientalischen Bettler abgehandest hatte, mit Lepra infiziert worden war. Der Arzt besann sich. Bon irgendwoher kam ihm eine ungewisse Erinnerung. Orient teppiche? Wo war in dem Zusammenhang dieses Wort ge nannt worden? Jäh fiel es ihm ein. Konnte nicht tn dem .Einzelfall auch hier —? Sofort eiste er dorthin. In dem Haus, auf dem die schwere Trauer ruhte, verstand man ihn zuerst gar nicht. Wieso der Schiras? Nach einigen Tage« hatte man den Bescheid, es war kein Zweifel mehr: tn plötz licher Eingebung hatte der Arzt richtig vermutet. Der Schi« raS war zum Fruchtträger deS furchtbare« Lods« geworden.
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